Wien (wifo) - Am 7. August 2014 verhängte die Russische Föderation ein Importverbot für bestimmte
Agrargüter und Lebensmittel aus der EU. Vor allem Exporteure von verarbeiteten Lebensmitteln sind direkt von
den Maßnahmen betroffen. Im Jahr 2013 hatte Österreich derartige Güter im Wert von 274 Mio. Euro
nach Russland exportiert. Erste Schätzungen vom Sommer 2014 bezifferten den Wert der vom Importverbot betroffenen
Agrargüter und Lebensmittel pro Jahr auf 102 Mio. Euro. Der Verlust von Exportmöglichkeiten bis Jahresende
wurde auf 53 Mio. Euro geschätzt. Auswertungen anhand der Außenhandelsdaten bis November 2014 bestätigen
nun die Größenordnung des Exportrückganges: Insgesamt dürfte Österreichs Export von Agrargütern
und Lebensmitteln nach Russland 2014 um knapp 50 Mio. Euro gedämpft worden sein. Diese Abnahme der Verkäufe
nach Russland ist auch eine Folge der starken Verteuerung österreichischer Produkte, da der Rubel gegenüber
dem Euro seit Jahresmitte 2014 erheblich an Wert verloren hat, was aber teilweise ebenfalls auf die verhängten
Sanktionen zurückgeführt werden kann.
Die Gemeinsame Agrarpolitik verfügt über ein breites Spektrum an Instrumenten, um Schäden durch
Marktstörungen abzufedern. Dazu zählen Maßnahmen zur Marktentlastung wie das Unterlassen der Ernte
oder das Anlegen von Lagern und zur Absatzförderung wie etwa verstärktes Marketing im Inland, kostenlose
Abgabe an bestimmte Zielgruppen. Von diesen Möglichkeiten wurde bereits unmittelbar nach Verhängung der
Sanktionen Gebrauch gemacht. Bis zum Jahresende 2014 wurden vor allem Maßnahmen für Obst- und Gemüseproduzenten
und deren Erzeugergemeinschaften gesetzt. Im Bereich der Milchwirtschaft wurden in baltischen Ländern und
Finnland verstärkt Lageraktionen durchgeführt, um einen starken Preisverfall zu bremsen. Österreichs
Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft sind im Vergleich mit diesen Ländern nur wenig exponiert.
Unmittelbar nach Verhängung der Importbeschränkung wurden diese Maßnahmen auf EU-Ebene initiiert;
bis Jahresende 2014 wurde ein Finanzrahmen von etwas über 400 Mio. Euro beschlossen. In Österreich wurden
davon etwa 1/2 Mio. Euro eingesetzt. Nationale Maßnahmen wie die Exportinitiative zur Verbesserung des Marktzuganges
in anderen Ländern ergänzten die Initiativen der Europäischen Kommission. Die Maßnahmen zur
Marktentlastung in den nordöstlichen EU-Ländern trugen wesentlich zur Stützung des Preisniveaus
auch in Österreich bei.
Der Ausfall der Exporte ist nicht mit den wirtschaftlichen Einbußen der heimischen Landwirtschaft gleichzusetzen.
Je nach Dauer und Umfang der Exportrestriktionen sind Auswirkungen auf die Preise im gesamten gemeinsamen Markt
zu erwarten. Diese Preiseffekte sind derzeit jedoch noch nicht im Detail abzusehen, und die Kausalität ist
nicht einfach festzustellen. Die Auswirkungen einer Verbilligung wichtiger Produkte auf die nominelle Wertschöpfung
der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung sind tendenziell höher als der Entgang von Exporterlösen.
Diese mittelbaren Folgen der Handelsbarrieren können derzeit nicht beziffert werden. Die Außenhandelstheorie
und auch empirische Befunde legen nahe, dass die Beschränkung des Handels Nettowohlfahrtsverlusten bewirkt.
Die Folgen sind häufig in dem Land, das die Sanktionen verhängt, stärker als in den Ländern,
deren Marktzugang erschwert wird.
Nicht nur die Marktordnungspolitik der Gemeinsamen Agrarpolitik ("erste Säule") bietet Instrumente
zur Abfederung von Marktstörungen, auch im Programm der Ländlichen Entwicklung ("zweite Säule")
sind Maßnahmen vorgesehen, die eine Unterstützung von betroffenen Unternehmen zur Anpassung an die neue
Situation erlauben. Solche Maßnahmen werden jedoch nicht kurzfristig eingesetzt und wirken strukturell. Als
wichtigste mittelfristige handelspolitische Option bietet sich an, die laufenden Verhandlungen zur Erleichterung
des Exports in die USA und nach Ostasien zu beschleunigen, um Exporteuren die Möglichkeit zu geben, auf diesen
wachsenden - und zudem sehr attraktiven - Märkten verstärkt Fuß zu fassen.
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