von 10.04.-30.08.2015 im Kunsthaus Graz, Space01, Graz
Graz (kunsthaus) - Die Ausstellung HyperAmerika. Landschaft - Bild - Wirklichkeit richtet den Blick auf
den Begriff der amerikanischen Landschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und veranschaulicht,
wie in der Malerei des Hyperrealismus eine romantische amerikanische Tradition der Darstellung von Land zu einer
Art von Verherrlichung findet, die für die Geschichte und die Entwicklung eines Landschaftsbegriffs höchst
signifikant ist.
Mit dieser Ausstellung verfolgt das Kunsthaus Graz die Hypothese, dass sich in Amerika seit dem Beginn des 19.
Jahrhunderts ein ganz eigener Umgang mit dem Land entwickelt hat, der sich vom europäischen Landschaftsbegriff
stark unterscheidet. Er erhielt im Zuge der Manifest Destiny - der "vorgesehenen Bestimmung" der Nation
- einen anderen ideologischen Umschwung als in Europa und wurde für die Propagierung der Eroberung eines "einzigartigen
und gelobten Landes" verwendet. Amerika wurde noch einmal als ideale Welt dargestellt, als großes zivilisatorisches
Projekt - eine Entwicklung, die in der Malerei, in der Fotografie und im Film der 1960er- und 1970er-Jahre ein
intensives Ende findet, um dann in neue Formen des Umgangs mit Landschaft umzuschlagen.
Während beispielweise die deutschen Expressionisten um die Zeit des Ersten Weltkriegs wesentlich zur Entmythologisierung
des gesellschaftlichen Mainstreams beigetragen haben, war die Malerei des amerikanischen Hyperrealismus, die sich
als Gegenströmung zur abstrakten Kunst entwickelte, auffallend unpolitisch. Die Werke der hyperrealistischen
Maler scheinen emotions- und bedeutungslos zu sein, unzeitgemäß bereits zur Zeit ihrer Entstehung, da
die realen Lebensumstände, mit denen die Künstler lebten, in den Hintergrund der schillernden Motive
auf ihren Bildern gerieten. Nicht das Motiv ist von Interesse, sondern die Oberfläche - auf diese Weise wird
ein idealisiertes Amerikabild transportiert, das von Glanz, Wohlstand und Macht erzählt.
Das wichtigste malerische Hilfsmittel des Hyperrealismus war die fotografische Vorlage, welche minutiös kopiert
wurde. Dabei sollte nicht die Fotografie als Medium nachgeahmt werden, sondern es ging darum, die Wirklichkeitsbehauptungen
der Fotografie infrage zu stellen, die zu diesem Zeitpunkt keineswegs als Kunstrichtung gesehen wurde - erst ab
den 1970er-Jahren begann der Stellenwert der Fotografie zu steigen. Für die Hyperrealisten war die Orientierung
an der Ästhetik von Fotografien nur ein Mittel zum Zweck: Damit versuchten sie die Übersteigerung einer
Realität zu begreifen, die im Siegeszug der Populärkultur nicht mehr ohne dieses Medium auskam. Beispiele
dafür sind die Bilder von Richard Estes, dessen glänzende und in Spiegelungen strahlende Stadtlandschaften
nicht aus einer einzigen fotografischen Vorlage hervorgingen, sondern durch die Überlagerung etlicher Bilder
desselben Ortes entstanden.
Zur selben Zeit, in der die Hyperrealisten die Gegenständlichkeit in die Kunst zurückholten und sich
den glänzenden Oberflächen widmeten, die dem amerikanischen Traum und den damit verbundenen Werten wie
Freiheit, Chancengleichheit und Erfolg innewohnten, wandte eine Handvoll Fotografen ihren Blick auf das Alltägliche
und Banale. "The New Topographics", benannt nach einer Ausstellung in Rochester, New York, 1975 (New
Topographics: Photographs of a Man-altered Landscape), läuteten durch ihre Haltung zur dokumentarischen Funktion
der Fotografie einen Paradigmenwechsel in der Kunstgeschichte ein. Landschaft (und das, was die Fotografen des
"New Topographic Movements" in Anlehnung an den Landschaftsforscher John Brinckerhoff Jackson darunter
verstanden) änderte sich nicht nur motivisch, sondern wurde vor allem als Spiegel einer modernen Gesellschaftsordnung
ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.
So sehr sich die bewusst "stillosen", nicht wertenden Fotografien der "New Topographics" und
die Malerei der Hyperrealisten motivisch annäherten - die weltberühmte Aufnahme der Chevron- Tankstelle
von Stephen Shore (Stand, 1975) ist mit Ralph Goings' Darstellungen von lapidar abgestellten Pick-ups vor diversen
urbanen Situationen ober lächlich betrachtet ästhetisch durchaus vergleichbar - so unterschiedlich waren
die künstlerischen Philosophien ihrer Urheber.
"My paintings are about light, about the way things look in their environment and especially about how
things look painted. Form, color and space are at the whim of reality, their discovery and organization is the
assignment of the realist painter", formulierte Ralph Goings 1978 die Hintergründe seiner Werke. Shores
Tankstellenbild - in Farbe! Wo blieb die Abstraktion, wo der künstlerische Anspruch? - war Sinnbild purer
Zivilisation. Der Mensch ist, wenn auch nicht vordergründig sichtbar, ohne Zweifel abgebildet, seine Spuren
nicht zu verwischen.
Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser beiden sich parallel entwickelnden Strömungen festzumachen,
werden in der Ausstellung HyperAmerika Gemälde amerikanischer Hyperrealisten den Fotografien einiger "New
Topographics" und damit verwandte Positionen gegenübergestellt. Gleichsam als Referenz auf diese Kapitel
der Kunstgeschichte und als weiteres Bindeglied zwischen Malerei und Fotografie fließen Positionen ein, die
diese Entwicklungen begleiteten oder ihnen vorangingen. Ed Ruscha, dessen Œuvre sowohl für die Malerei als
auch für die Fotografie bahnbrechend war, schlägt zudem eine Brücke zur Ausstellung Landschaft in
Bewegung - zumal seine Arbeit Every Building On The Sunset Strip 1966, in beiden "Landschafts"-Ausstellungen
im Kunsthaus Graz zu sehen ist.
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