EU-Verkehrskommissarin setzt auf wirtschaftsfördernde Investitionen in Infrastruktur
Wien (pk) – Es war der erste Besuch einer EU-Verkehrskommissarin im Hohen Haus, stellte der Obmann des Verkehrsausschusses,
Anton Heinzl, bei seiner Begrüßung von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Vormittag des 19.03.
im Parlament fest. Die aus Slowenien stammende EU-Kommissarin traf auf ihrem Weg zum Spatenstich für den Bau
des Brenner Basistunnels mit ParlamentarierInnen zu einem einstündigen Gespräch über die europäische
Verkehrspolitik zusammen.
Österreich als europäische Verkehrsdrehscheibe
"Das Verkehrswesen ist ein entscheidender Faktor in einer funktionierenden Volkswirtschaft", leitete
EU-Kommissarin Violeta Bulc ihre Ausführungen ein. Der Verkehr ist wichtig für Beschäftigung und
Nachhaltigkeit sowie für die Verbindung der Menschen untereinander. Daher verstärkt die neue Kommission
ihre Anstrengungen auf diesem Sektor. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur können die wirtschaftliche
Entwicklung Europas befeuern, sagte Bulc und führte aus, dass die "Connecting European Facility"
(CEF) als Teil des europäischen Infrastrukturpakets große Investitionsvorhaben in Österreich unterstütze,
das eine wichtige Drehscheibe für vier Verkehrskorridore in Europa darstelle. "Wir versuchen, einen einheitlichen
Europäischen Verkehrsraum zu schaffen und Menschen durch nahtlose Logistik zu verbinden. Daher stehen für
CEF 12 Mrd. € - mehr denn je - zur Verfügung. Der Juncker–Plan für Investitionen für mehr als 300
Mrd. € ergänze die CEF, teilte die EU-Kommisarin mit. Sie hoffe auf gute Projekte, die Investoren gute Renditen
versprechen sowie auf größeren Ehrgeiz und größere Risikobereitschaft bei den Investoren.
Die Verkehrsstrategie der Europäischen Union ziele auf eine Verbesserung des Verkehrsmix im europäischen
Sektor, auf den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger, auf Fortschritte bei der Elektrifizierung
und auf eine Reduzierung der Abhängigkeit vom ÖL, das derzeit 90% der Verkehrsenergie liefere. Ein ausgewogener
und nachhaltigerer Mix im Verkehr werde auch die Städte von verkehrsbedingten Belastungen – von Staus und
Luftverschmutzung – entlasten, zeigt sich Violeta Bulc überzeugt. Bei der Stärkung der Intermodalität
und beim effizienteren Einsatz der Treibstoffe sowie bei der besseren Nutzung bestehender Trassen durch integrierte
Verkehrslösungen setzt die Verkehrskommissarin auf die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten durch
die Digitalisierung des Verkehrssektors. Informationen über die Pläne der EU-Kommission zur Einleitung
des Digitalen Zeitalters im Verkehrssektor, das mehr Sicherheit und Effizienz bringen soll, kündigte Bulc
für den kommenden Mai an.
Eine zentrale Rolle in der Verkehrsstrategie der EU spiele das vierte Eisenbahnpaket, erfuhren die Abgeordneten
von Kommissarin Bulc, die sie über bevorstehende Verhandlungen mit dem europäischen Parlament informierte
und die Vorstellung der neuen Fassung des Pakets für kommenden Juni ankündigte.
Europäische Herausforderungen im Straßen- und im Luftverkehr
Besondere Herausforderungen sieht Bulc auf der Strasse, wo technische, aber auch soziale Fragen zu lösen seien.
Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament wird die Kommission am vierten Juni eine Konferenz über soziale
Fragen im Verkehr abhalten, bei der es unter anderem auch um Fragen wie Cabotage ( Transportdienstleistungen innerhalb
eines Landes durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen), und Briefkastenfirmen gehen werde. Vor großen
Herausforderungen stehe auch die europäische Luftfahrt, deren internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert
werden solle. "Dafür brauchen wir einfachere Geschäftsmodelle", sagte Bulc und kündigte
eine Revision der European Aviation Safety Agency (EASA) an.
Erneuerbare Energien, Elektrifizierung, Minderung der Ölabhängigkeit
Als EU-Verkehrskommisarin sei sie auch an der Erstellung der Strategie für eine Europäische Energieunion
beteiligt, teilte Bulc mit und unterstrich dabei das Ziel, einen größeren Anteil an erneuerbaren Energieträgern
zu erreichen und die Elektrifizierung voranzutreiben. Um zu verhindern, dass die Zunahme von Elektroautos auf den
Straßen – die eine Verbesserung der Elektrizitätsinfrastruktur voraussetze – zu Netzausfällen führe,
gehe es darum, die Rolle von Elektroautomobilen als Dienstleister in intelligenten Stromnetzen zu nutzen, sagte
Violeta Bulc.
Im Gespräch mit der Verkehrskommissarin begrüßte Andreas Ottenschläger (V) die Bemühungen
der EU-Kommission für einen zukunftsfähigen Mobilitätsektor in Europa, erbat Auskunft über
die deutschen Mautpläne sowie europäische Pläne für eine Harmonisierung der Mautsysteme, unterstrich
beim vierten Eisenbahnpaket das Ziel, durch Trennung von Betrieb und Infrastruktur auf der Schiene mehr Wettbewerb
zuzulassen und brach eine Lanze für die Donauraum-Strategie.
FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker bedauerte die Einstellung von Nebenbahnen und sprach sich grundsätzlich
gegen eine PKW-Maut aus, weil eine faire Tarifgestaltung wegen der unterschiedlichen Straßen nicht möglich
sei. Walter Bacher (S) betonte die Notwendigkeit, den Brennerbasistunnel entsprechend zu nutzen, ein Anliegen,
das auch Georg Willi (G) ansprach, der dabei auch auf die beiden anderen Bahntunnel-Projekte hinwies. An dieser
Stelle plädierte Willi für die Einrichtung einer Alpentransit-Börse nach Schweizer Vorbild sowie
für Mindest- statt Höchstsätze für die LKW-Maut in der Wegekosten–Richtlinie. Bei der PKW-Maut
geht es Willi um EU-weite Standards für Mobilitätskosten. Michael Pock (N) zeigte sich optimistisch hinsichtlich
des vierten Eisenbahnpakets und plädierte für eine Entflechtung integrierter Betriebe. Thomas Schellenbacher
(F) drängte auf den Ausbau europaweit vernetzter Verkehrsbeeinflussungs-Anlagen, während sein Fraktionskollege
Gerhard Schmid eine finanzielle EU-Beteiligung beim Salzburger U-Bahn-Projekt ansprach. Europaparlamentarierin
Karin Kardenbach (S) sah die künftige Rolle von Elektroautos auch als Stromspeicher in Elektrizitätsnetzen
und sprach gemeinsam mit dem Obmann des Verkehrsausschusses, Anton Heinzl, die Hoffnung auf eine Anhebung des EU-Zuschusses
zum Bau des Brenner-Basistunnels von zwanzig auf vierzig Prozent an.
EU-Kommissarin kann sich europäischen Straßenmaut-Rahmen vorstellen
In ihren Antworten auf die Fragen der ParlamentarierInnen berichtete EU-Kommisarin Violeta Bulc von ihrem Dialog
mit Deutschland und ihren Bemühungen um eine EU-konforme Lösung des PKW-Mautproblems. Die EU trete wegen
des Verursacherprinzips für Mautsysteme ein, ihr sei aber die Diskriminierungsfreiheit der Systeme wichtig.
Sie trete grundsätzlich für europäische Lösungen und daher auch für einen europäischen
Rahmen für Straßenmautsysteme nach dem Vorbild beim Mobilfunk ein, sagte Bulc. Ein solcher Rahmen könnte
Flexibilität und Freiwilligkeit für die Mitgliedsstaaten bieten, die entscheiden können sollen,
welche Straßen sie jeweils in ein Mautsystem aufnehmen. Bei der Verbesserung der technischen Voraussetzungen
für die E-Mobilität konnte zuletzt mit dem "EU-Stecker" ein wichtiger Durchbruch erzielt werden.
Schiene soll auf Augenhöhe mit anderen Verkehrsträgern kommen
Wichtige Grundsätze beim vierten Eisenbahnpaket sind für Bulc das Ziel, die Schiene, die in den letzten
dreißig Jahren vernachlässigt wurde, auf Augenhöhe mit anderen Verkehrsmedien zu bringen, Investitionsmängel
zu beheben, sowie Effizienz und Transparenz zu Verbessern. Dazu gehöre die Entkoppelung von Infrastruktur
und Verwaltung, was durchaus mit Konzernstrukturen zu vereinbaren sei, sagte Bulc.
Bessere Voraussetzungen für die Erhaltung von Nebenbahnen erwartet sich Violeta Bulc von einer stärkeren
Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene, was auch wichtig sei für die angepeilte Verminderung der Abhängigkeit
vom Energieträger Öl.
Ungarn soll bei der Donaustrategie mit ins Boot
Die Donaustrategie sei ihr wichtig, sagte Violetta Bulc und berichtete über Bemühungen, Ungarn mit ins
Boot zu holen.
Beim Thema Brennerbasistunnel hielt auch die EU-Kommissarin eine entsprechende Verkehrsanbindung auf deutscher
und italienischer Seite für wichtig und zeigte sich optimistisch, dass es gelingen werde, das Potenzial dieses
Tunnels zu nutzen. Die Frage nach der Co-Finanzierung versprach die EU-Kommissarin, die sich auf dem Weg zur Teilnahme
am Spatenstich für den Bau der Hauptröhre des Brenner Basistunnels befand, schriftlich zu beantworten.
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