Breite Mehrheit für Änderungen im Melde-, im Pass- und im Waffengesetz
Wien (pk) - Wer wegen familiärer Gewalt in einer Notwohnung oder in einem Frauenhaus untergebracht
ist, soll sich künftig nicht mehr zwingend am neuen Wohnsitz anmelden müssen, sondern alternativ die
Möglichkeit haben, die allgemeine Adresse der Betreuungseinrichtung anzugeben. Das ist eine von zahlreichen
Detailbestimmungen eines von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner geschnürten Gesetzespakets, das am 19.03.
den Innenausschuss des Nationalrats passiert hat. Zudem soll für betroffene Personen automatisch eine Auskunftssperre
verhängt werden. Damit will man gewalttätigen Familienangehörigen erschweren, die Betroffenen aufzuspüren.
Beschlossen wurden die beiden Bestimmungen zusammen mit weiteren Adaptierungen im Meldegesetz, überdies werden
das Passgesetz und das Waffengesetz geändert.
Das Gesetzespaket stieß bei den Abgeordneten auf weitgehende Zustimmung. Nur einzelne Grün-Mandatare
votierten bei der Abstimmung dagegen. Zentrales Thema der Debatte waren allerdings nicht die Inhalte der Sammelnovelle,
sondern ein von den Grünen gefordertes Maßnahmenpaket gegen unangemessene Polizeiübergriffe. Abgeordneter
Peter Pilz und seine FraktionskollegInnen orten ein Versagen des Rechtsstaats in Österreich beim Kampf gegen
Polizeigewalt, wie nicht zuletzt die jüngst bekannt gewordenen Fälle zeigten. Ein von den Grünen
im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag blieb allerdings in der Minderheit. Weder die Koalitionsparteien
noch FPÖ und Team Stronach konnten sich den Forderungen, etwa nach einer gut sichtbaren Anbringung der Dienstnummer
an der Polizeiuniform, sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite, anschließen.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bekräftigte, dass das Innenressort allen Beschwerden über unmäßige
Polizeigewalt nachgehe. Wo Unrecht passiere, würden Konsequenzen gezogen, versicherte sie. "Wir decken
keine unrechte Handlung, wir decken keine Fehler." Mikl-Leitner sieht allerdings keinerlei Veranlassung, die
Polizei unter Generalverdacht zu stellen. Statt auf gut sichtbare Dienstnummern setzt die Ministerin auf Körperkameras,
ein Pilotprojekt soll schon bald starten.
Thema im Ausschuss waren auch aktuelle EU-Vorhaben im Bereich Sicherheit, etwa was die neue Europäische Migrationsagenda
und die Fluggastdatenspeicherung betrifft.
Novelle zum Waffengesetz bringt Nachsicht bei Verstoß gegen Registrierungspflichten
Als Übertitel für das mit breiter Mehrheit beschlossene Gesetzespaket zur Änderung des Meldegesetzes,
des Passgesetzes und des Waffengesetzes ( 480 d.B.) hat das Innenministerium die Bezeichnung "Sicherheitsverwaltungs-Anpassungsgesetz
2015" gewählt. So will man mit der Änderung des Meldegesetzes nicht nur Frauen und Kinder besser
vor familiärer Gewalt schützen, sondern auch einem langjährigen Wunsch der Tourismusbranche Rechnung
tragen. Bei Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben wird demnach künftig auch das Herkunftsland der
Gäste samt Postleitzahl erfasst.
Im Passgesetz neu verankert wird eine automatische Information der Passbehörden in jenen Fällen, in denen
ein Gericht die Abnahme des Reisepasses eines Kindes angeordnet hat, etwa weil Gefahr besteht, dass dieses im Zuge
eines Obsorgestreits ins Ausland gebracht wird. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Elternteil unter Vorgabe
eines Verlusts oder Diebstahls des Dokuments ein neues Reisedokument für das Kind erhält und mit diesem
dann ins Ausland reist.
Mit der Novellierung des Waffengesetzes will die Politik jenen Personen entgegenkommen, die es trotz Registrierungspflicht
verabsäumt haben, Schusswaffen der Kategorie C und D, also etwa Jagdwaffen, registrieren zu lassen. Sie müssen
künftig keine Verwaltungsstrafe zahlen, wenn sie die Registrierung nachholen, bevor die Behörde ihr Versäumnis
bemerkt hat. Außerdem werden einige administrative Erleichterungen sowie Klarstellungen vorgenommen. Registrierungen
im Zentralen Waffenregister (ZWR) haben demnach immer auf eine natürliche Person zu erfolgen, auch wenn es
sich um Waffen eines Vereins und nicht um persönliche Waffen handelt. Die Übertragung der Verantwortlichkeit
für derartige Waffen kann in Hinkunft aber gebündelt erfolgen.
Der Gesetzentwurf bringe unter anderem Verwaltungsvereinfachungen und diene dem Opferschutz, lobte ÖVP-Abgeordnete
Michaela Steinacker die Sammelnovelle. Auch die Abgeordneten Christoph Hagen (T) und Walter Rosenkranz (F) äußerten
sich zustimmend. Bei der Abstimmung wurde auch ein von den Koalitionsparteien eingebrachter Abänderungsantrag
berücksichtigt, mit dem die genannte Bestimmung über die amtswegig zu verhängende Auskunftssperre
in das Meldegesetz aufgenommen wird.
FPÖ für privilegierten Zugang von Sicherheitsorganen zum Waffenpass
Noch nicht abgeschlossen ist die Diskussion über eine von der FPÖ beantragte weitergehende Novellierung
des Waffengesetzes. Ihr Antrag ( 800/A), Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen privilegierten
Zugang zu einem Waffenpass zu gewähren, wurde einstimmig vertagt. Abgeordneter Rudolf Plessl (S) sieht in
dieser Angelegenheit noch großen Diskussionsbedarf. Er bat Johanna Mikl-Leitner um einen Überblick bezüglich
der Zahl der BeamtInnen, die momentan einen Waffenpass besitzen, um festzustellen, ob überhaupt ein Bedarf
besteht.
Ausdrückliche Unterstützung bekam die FPÖ von Abgeordnetem Christoph Hagen (T). Nikolaus Prinz (V)
würde, wie er sagte, statt einer Novellierung des Waffengesetzes eine unbürokratische Lösung für
sinnvoll halten.
Begründet wird der Antrag von der FPÖ mit der Besonderheit des Dienstes von Sicherheitsorganen, die nach
Meinung von Abgeordnetem Gernot Darmann andere Maßstäbe bei der Waffenpassvergabe an aktive Polizisten
rechtfertigt. Für ihn ist es nicht einsichtig, dass für ExkekutivbeamtInnen die gleichen Vorgaben wie
für alle anderen BürgerInnen gelten und die Ausstellung eines Waffenpasses letztlich im Ermessen der
Behörde liegt.
Grüne fordern konsequentes Vorgehen gegen unangemessene Polizeigewalt
Die Grünen nutzten die Debatte über das Sicherheitsverwaltungs-Anpassungsgesetz insbesondere dafür,
ein konsequentes Vorgehen gegen unangemessene Polizeigewalt zu fordern. Konkret drängen die Abgeordneten Peter
Pilz, Albert Steinhauser und Alev Korun darauf, das Bewusstsein bei den PolizeibeamtInnen für die Bedeutung
der Menschenrechte und Menschenwürde zu schärfen, die Dienstnummer von ExekutivbeamtInnen auf der Uniform
sowohl vorne als auch hinten in gut lesbarer Form anzubringen und durch geeignete dienst- und disziplinarrechtliche
Maßnahmen sicherzustellen, dass Verstöße gegen einzelne ExekutivbeamtInnen nicht durch KollegInnen
oder Vorgesetzte gedeckt werden. Außerdem urgieren sie die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsstelle
außerhalb des Innenministeriums für Fälle mutmaßlicher Polizeigewalt, etwa in Form einer
Sonderstaatsanwaltschaft, jährliche Berichte an den Nationalrat und die Auflösung der Bereitschaftseinheit
der Wiener Polizei.
Pilz begründete den Antrag damit, dass das Parlament aktiv werden müsse, nachdem sich trotz des glaubwürdigen
Engagements von Innenministerin Mikl-Leitner und der Generaldirektion des Innenressorts in der Polizei offenbar
nichts geändert habe. Nach wie vor gebe es Fälle übermäßiger Polizeigewalt, beklagte
er, wobei er vor allem in Wien ein Problem ortet. Pilz schilderte auch zwei konkrete Beispiele, bei denen im einen
Fall ein Zeuge und im anderen Fall ein Streitschlichter von der Polizei teilweise schwerst misshandelt worden sein
sollen. Für Pilz ist, wie er sagte, klar, dass es nur um Einzelfälle geht, gerade deshalb erachtet er
aber Maßnahmen für erforderlich, um die überwiegende Mehrheit der Polizei vor "einer kleinen
gewalttätigen Minderheit" zu schützen.
Was die Gegenmaßnahmen des Innenministeriums betrifft, wies Pilz darauf hin, dass es zwar einen Erlass des
Innenministeriums gibt, wonach in Fällen, wo die Beweislage schwierig ist und wo gegen PolizistInnen ermittelt
wird, Einvernahmen durch die Staaatsanwaltschaft durchzuführen sind. Diesem Erlass wird ihm zufolge aber nicht
immer Rechnung getragen. Massive Defizite ortet Pilz außerdem bei der Justiz, darüber will er mit dem
Justizminister sprechen.
Unterstützt wurde Pilz durch seine FraktionskollegInnen Alev Korun und Albert Steinhauser. So machte sich
Steinhauser vor allem für die Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen stark. Er glaubt, dass es präventiv
wirken würde, könnten sich die ExekutivbeamtInnen nicht hinter ihrer Anonymität und "im Corpsgeist"
verstecken. Auch in vielen anderen Ländern wie Frankreich, Italien und den USA sei eine Kennzeichnung Standard.
Korun räumte ein, dass in der Polizeiausbildung in Sachen Menschenrechte viel getan worden sei. Den jungen
PolizistInnen würde bei Einsätzen in der Praxis von älteren Kollegen dann aber oft etwas ganz anderes
vermittelt, sagte sie.
Wenig Verständnis für das Maßnahmenpaket der Grünen äußerten die Abgeordneten Walter
Rosenkranz (F), Werner Amon (V) und Christoph Hagen (T). So machte Rosenkranz geltend, dass keine einzige Anzeige
gegen PolizistInnen in der Schublade verschwinde und letztendlich immer unabhängige Gerichte entscheiden.
Das, was die Grünen vorbringen, ist für ihn ein massives Misstrauen gegen die österrreichische Justiz.
Es sei aber eindeutig falsch, dass die Gerichte bei der Verfolgung von PolizistInnen blind seien, ist Rosenkranz
überzeugt, es gebe immer wieder Verurteilungen, etwa bei fahrlässigem Waffengebrauch.
Eine deutlich sichtbare Dienstnummern-Kennzeichnung auf Polizeiuniformen kann sich Rosenkranz ebenso wenig vorstellen
wie die Abgeordneten Amon und Hagen. Damit würde man Denunziationen Tür und Tor öffnen, warnte beispielsweise
Hagen. Rosenkranz sprach sich demgegenüber für den Einsatz von Körperkameras und Tonband- bzw. Videoaufzeichnungen
von Einvernahmen aus.
Amon wandte sich überdies vehement gegen die Pauschalverurteilung der Justiz, die er aus dem Antrag der Grünen
herausliest. Niemand wolle Polizeiübergriffe decken, jeder Fall komme zur Anzeige und werde vor Gericht überprüft,
machte er geltend. Er hält es auch nicht für eine Aufgabe des Innenausschusses, im Detail einzelne Fälle
zu besprechen. Bei allen von Pilz heute und in der Vergangenheit aufgezeigten Beispielen handle es sich entweder
um abgeschlossene oder laufende Verfahren.
Mikl-Leitner gegen Anbringung von Dienstnummern auf Polizeiuniformen
Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach sich gegen die gut sichtbare Anbringung von Dienstnummern auf
Polizeiuniformen aus. Damit würde man die Polizei unter Generalverdacht stellen, meinte sie. Mikl-Leitner
setzt dem gegenüber auf Körperkameras und will schon bald ein entsprechendes Pilotprojekt starten. Die
gesetzlichen Grundlagen dafür sollen in der nächsten Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz verankert werden.
Mikl-Leitner bekräftigte, dass dort, wo Unrecht passiere, selbstverständlich Konsequenzen gezogen würden.
"Wir decken keine unrechte Handlung, wir decken keinen Fehler", unterstrich sie. Österreich sei,
was die Rechtsstaatlichkeit betrifft, gut aufgestellt, bei einer Verurteilung durch Gerichte würde in jedem
Fall ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Eine lückenlose Aufklärung sagte sie auch in Bezug auf den
in der Öffentlichkeit diskutierten Vorfall auf einer Tankstelle in der Silvesternacht zu.
Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, erläuterte die zahlreichen Vorkehrungen,
die das Innenministerium getroffen hat, um Polizeiübergriffe zu verhindern, und verwies etwa auf Ausbildungsmaßnahmen.
Sollten dennoch mutmaßliche Übergriffe angezeigt werden, greifen ihm zufolge sowohl interne als auch
externe Kontrollmechanismen.
Wie Kogler ausführte, ist bei entsprechenden Beschwerden unverzüglich die Staatsanwaltschaft in Kenntnis
zu setzen. Ebenso werden die Volksanwaltschaft und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung unterrichtet.
Auch sind Sofortmaßnahmen zu treffen, um Beweise zu sichern. Was die Vorwürfe von Pilz gegen die Polizeiinspektion
am Deutschmeisterplatz betrifft, wurde laut Kogler auch hier jeder Fall zur Anzeige gebracht und die Volksanwaltschaft
informiert. Zusätzlich habe man interne Kontrollen angeordnet. Die Vorwürfe hätten nicht bestätigt
werden können.
Mikl-Leitner für Flüchtlingsauffanglager in Drittstaaten
Zur Diskussion im Ausschuss stand auch ein Bericht Mikl-Leitners über aktuelle EU-Vorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich
( III-147 d.B. ), der schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Kenntnis
genommen wurde. Im Mittelpunkt der Debatte standen dabei EU-Pläne zur Harmonisierung der Migrationspolitik,
das von der EU-Kommission vorgeschlagene neue Grenzkontrollsystem und die geplante EU-weite Speicherung von Fluggastdaten
(Passenger Name Record, PNR).
Die in Aussicht genommene neue Europäische Migrationsagenda liegt zwar noch nicht am Tisch, der zuständige
Kommissar Dimitris Avramopoulos hat aber bereits angekündigt, wie Mikl-Leitner berichtete, Frontex und Europol
stärken zu wollen. Zudem plant er, mehr Finanzmittel für jene EU-Staaten bereitzustellen, die aufgrund
von Außengrenzen besonderem Migrationsdruck ausgesetzt sind, und eine gerechte Lastenverteilung innerhalb
Europas bei der Aufnahme von Flüchtlingen voranzutreiben.
Auf viel positive Resonanz stößt laut Mikl-Leitner die von Österreich gestartete Initiative "Save
Lifes". Vorgeschlagen wird, in Drittstaaten, etwa im nördlichen Afrika, Auffanglager für Flüchtlinge
zu errichten. Nach einer Vorprüfung durch das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) sollen die Schutzbedürftigen
nach einer Quote auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verteilt werden. Das hätte den Vorteil,
dass nur tatsächlich Schutzbedürftige nach Europa kommen und Schleppern der Nährboden entzogen wird,
hielt Mikl-Leitner fest. Damit könnte man auch verhindern, dass tausende Flüchtlinge ihr Leben im Mittelmeer
verlieren. Avramopoulos werde auf Basis der Initiative einen Vorschlag für ein Pilotprojekt machen, informierte
Mikl-Leitner.
Von NEOS-Abgeordnetem Christoph Vavrik auf die Drohung des griechischen Verteidigungsministers angesprochen, allen
Flüchtlingen in Griechenland Papiere zu geben, damit diese in andere EU-Länder weiterreisen können,
erklärte Mikl-Leitner, sie halte das für äußerst populistisch und nicht akzeptabel. Die griechische
Innenministerin habe beim letzten Innenminister-Rat in Brüssel auch versichert, dass die Aussage des Verteidigungsministers
nicht dem Regierungsprogramm entspreche. Vielmehr habe sie eine Roadmap präsentiert, die vorsehe, in den nächsten
Monaten zusätzliche Lager für Flüchtlinge zu errichten und die Verfahren zu verbessern. Man werde
die Entwicklung beobachten und unterstütze Griechenland, hob Mikl-Leitner hervor.
Das von der EU-Kommission unter dem Titel "Smart Borders Initiative" vorgeschlagene neue Grenzkontroll-System
habe zwei Zielrichtungen, skizzierte Mikl-Leitner. Zum einen gehe es um einen erleichterten Grenzübertritt
für Reisende die sich zuvor registrieren lassen, zum anderen um eine bessere Überprüfbarkeit der
Einhaltung der maximalen Aufenthaltsdauer von eingereisten Drittstaats-Angehörigen. Derzeit laufe ein Pilotprojekt
zur technischen Machbarkeit.
Gegenüber Abgeordnetem Albert Steinhauser bestätigte Mikl-Leitner die in den Medien kolportierte Ankündigung
des zuständigen EU-Kommissars, vorerst keinen neuen Vorschlag zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung
vorlegen zu wollen. Der Kommissar wolle sich einmal die nationalen Regelungen anschauen, informierte sie. Was Österreich
betrifft, blieb Mikl-Leitner bei ihrem Standpunkt, wonach es sinnvoll wäre, über eine nationale Nachfolgeregelung
für die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Regelung umfassend und transparent zu diskutieren.
Was die Speicherung von Fluggastdaten betrifft, wies Mikl-Leitner darauf hin, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagene
Richtlinie seitens ihres Ressorts immer kritisch gesehen wurde, vor allem was den Datenschutz und die Grundrechte
betrifft. Die äußeren Umstände hätten sich aber geändert, meinte sie. Nach mehrfacher
Empfehlung des Europäischen Rats, die Richtlinie umzusetzen, ist ihr zufolge nun das Europäische Parlament
am Zug, das bis Ende des Jahres konkrete Vorschläge vorlegen wolle. Das Innenministerium beharre jedenfalls
auf eine grundrechtskonforme Umsetzung, sagte sie.
Seitens der Abgeordneten kritisierte Alev Korun (G), dass man bei einer Harmonisierung der Migrationspolitik in
Europa nur sehr langsam vorankomme. Einheitliche Regelungen würden ihrer Meinung nach durchaus Sinn machen,
da MigrantInnen nach einiger Zeit ohnehin eine Daueraufenthaltsberechtigung für die EU erhalten. 28 verschiedene
Bürokratien würden die EU außerdem als Einwanderungsland für qualifizierte MigrantInnen nicht
gerade attraktiv machen, gab sie zu bedenken.
Korun fragt sich darüber hinaus, wie die EU den Spagat zwischen einem verstärktem Kampf gegen illegale
Migration, also dichteren Grenzen, und der Verringerung der Zahl der Todesfälle im Mittelmehr schaffen wolle.
Dass registrierte Vielreisende mit geringem Risiko künftig leichter in die EU einreisen können sollen,
findet sie insofern problematisch, als man mit einer Risikobewertung von Drittstaatsangehörigen automatisch
vom Prinzip der Unschuldsvermutung abgehen würde.
Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) sprach sich dagegen aus, die Migrationspolitik und die Asylpolitik der EU in
allen Belangen zu harmonisieren. Österreich habe im Gegensatz zu anderen EU-Staaten ein hohes rechtsstaatliches
Niveau in diesem Bereich und solle sich auch künftig vorbehalten können, wer nach Österreich kommen
dürfe, argumentierte er. Für sinnvoll würde er allerdings etwa von der EU finanzierte Auffanglager
für Flüchtlinge in Nordafrika und einen gemeinsamen EU-weiten Katalog sicherer Drittstaaten erachten.
Sowohl Rosenkranz als auch Christoph Hagen (T) machten überdies auf das Problem korrupter ungarischer Grenzbeamter,
etwa an der serbisch-ungarischen Grenze, aufmerksam. Hagen drängte außerdem auf eine bessere Verteilung
der Flüchtlinge auf die EU-Staaten. Lob äußerte er dafür, dass die österreichische Regierung
rasch auf den abrupten Anstieg von Asylwerbern aus dem Kosovo reagiert hat.
Abgeordneter Werner Amon (V) widersprach Korun und meinte, er glaube nicht, dass die EU wenig attraktiv für
MigrantInnen sei. Für ihn ist es auch kein Widerspruch, auf der einen Seite die Grenzen besser zu schützen
und auf der anderen Seite zu versuchen, Katastrophen wie im Mittelmeer zu verhindern. Abgeordneter Christoph Vavrik
(N) mahnte eine verstärkte Unterstützung Griechenlands bei der Bewältigung von Flüchtlingsströmen
ein.
Die ablehnende Haltung der Grünen zur Vorratsdatenspeicherung wurde von Albert Steinhauser bekräftigt.
Er ortet auch "einen leichten Richtungsschwenk", was die Haltung des Innenministeriums zur Fluggastdaten-Richtlinie
betrifft.
Österreich und Ukraine wollen polizeiliche Zusammenarbeit vertiefen
Gegen die Stimmen der Grünen wurde vom Innenausschuss ein von der österreichischen Regierung mit dem
Ministerkabinett der Ukraine abgeschlossenes Abkommen über die Vertiefung der polizeilichen Zusammenarbeit
zwischen den beiden Ländern ( 483 d.B. ) genehmigt. Damit soll, wie es in den Erläuterungen heißt,
ein wirksamer Beitrag zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kriminalität, insbesondere von organisierter
Kriminalität und Terrorismus, geleistet werden. Als explizite Bereiche werden etwa Schlepperei, Menschenhandel,
Kinderpornographie, Computer- und Wirtschaftskriminalität sowie Drogen- und Waffenhandel angeführt. Vorgesehen
ist unter anderem ein Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die gegenseitige Unterstützung bei Personen-
und Sachenfahndungen. Neben der Festlegung der zuständigen Behörden und einer Auflistung verschiedener
Formen der Zusammenarbeit enthält das Abkommen auch umfangreiche Datenschutzbestimmungen, etwa was die Löschung
und Richtigstellung falscher Daten betrifft.
Grüne für gesonderte Auflistung von Hassdelikten im Sicherheitsbericht
Vom Innenausschuss vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen ( 538/A(E) ), der darauf abzielt,
im jährlichen Sicherheitsbericht künftig so genannte "Hate Crimes" (Hassdelikte) gesondert
auszuweisen. Geht es nach Abgeordneter Alev Korun, sollen in diese Kategorie jedenfalls alle Anzeigen nach dem
Verbotsgesetz und dem Verhetzungsparagraphen sowie alle rassistisch bzw. fremdenfeindlich motivierten Taten aufgenommen
werden. Immer wieder würden Personen wegen eines – oft auch nur vermuteten – Merkmals wie z.B. ihrer Ethnie,
ihrer Homo- bzw. Transsexualität, ihrem Alter, ihrer Behinderung oder ihrer Religion angegriffen, macht sie
geltend. Hate Crimes seien somit gewalttätige Manifestationen von Intoleranz mit tiefgreifenden Auswirkungen
nicht nur auf die Person, sondern auch auf die Gesellschaft. Auch die OSZE empfiehlt die Sammlung genauer Daten
über Verbrechen mit einem Hass- bzw. Vorurteilsmotiv, um derartige Delikte gezielt bekämpfen zu können,
hob Korun vor dem Innenausschuss hervor.
Abgeordneter Werner Amon (V) gab zu bedenken, dass der Tatbestand "Hassdelikt" in Österreich nicht
bestehe, sondern differenziert erfasst werde. Es sah noch Diskussionsbedarf darüber, wie sinnvoll es ist,
statt dieser Differenzierung eine Zusammenfassung vergleichbarer Delikte vorzunehmen, und sprach sich für
die Vertagung des Antrags aus.
Binationale Ehen: Grüne orten grobe Schikanen
Schließlich vertagte der Ausschuss auf Antrag von Abgeordneter Angela Lueger auch die Beratungen über
eine von den Grünen beantragte Novellierung des Niederlassungsgesetzes und des Fremdengesetzes ( 542/A(E )
). Für Abgeordnete Alev Korun ist es unverständlich, dass ÖsterreicherInnen, deren Ehepartner bzw.
Ehepartnerin aus einem Drittstaat stammt, oft monate- bzw. sogar jahrelang um ein geordnetes, gemeinsames Leben
in Österreich kämpfen müssen. Betroffene würden unter anderem über lange, extrem zermürbende
Trennungszeiten, Existenzängste, an der Situation leidende Kinder, Verschuldung und den Verlust von Arbeitsplatzangeboten
für den im Ausland ausharrenden Partner berichten, schildert sie. Korun forderte in diesem Sinn, die verpflichtende
Auslandsantragstellung im Falle eines Familiennachzugs abzuschaffen, die Einkommensvoraussetzungen für einen
Familiennachzug zu ändern und das Erfordernis der verpflichtenden Deutschprüfung für einen Familiennachzug
zu streichen.
Lueger stellte fest, ein Teil der Forderungen habe sich bereits erledigt, für andere Probleme suche man Lösungen.
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