Weitere Themen im EU-Hauptausschuss: Energie-Union, Griechenland, Ukraine-Russland-Konflikt,
IS-Terror
Wien (pk) - In der Sitzung des EU-Hauptausschusses vom 18,03, kündigte Bundeskanzler Werner Faymann
eine Erklärung zu TTIP für das Protokoll beim kommenden EU-Gipfel an. Darin werde er festhalten, dass
TTIP ein gemischtes Abkommen sein muss, damit die nationalen Parlamente darüber abstimmen können. Zudem
werde darin die Ablehnung eines zusätzlichen Schiedsgerichts (ISDS-Klausel) enthalten sein, da die Rechtssysteme
in den USA und in Europa stark genug seien. Die Unabhängigkeit von Gerichten müsse gewährleistet
bleiben, so Faymann. Ferner sei auf die Absicherung der hohen europäischen Standards zu achten. Die Grundlage
für diese Festlegungen bilde die vom Nationalrat angenommene Entschließung vom 24. September 2014. Damit
wolle er klarmachen, dass Österreich nicht grundsätzlich gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA
ist, gleichzeitig aber die österreichische Messlatte dafür darlegen. Die Partner in der EU müssten
wissen, dass das Österreichische Parlament einen Freihandelsvertrag mit ISDS-Klauseln zu gesonderten Schiedsgerichten
ablehnen könnte. Außerdem werde er darauf beharren, dass im geplanten Dialog mit der Zivilgesellschaft
nicht nur die Vorteile solcher Freihandelsabkommen erörtert werden, sondern alle Aspekte zur Sprache kommen.
Die Ankündigung des Kanzlers führte im Ausschuss zu einer umfassenden Debatte über TTIP und CETA,
insbesondere auch hinsichtlich der Problematik eines eigenen Schiedsgerichts, wobei leise Differenzen zwischen
den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP zu Tage traten. Alle Fraktionen bekannten sich jedoch dazu, auf dem
Boden des genannten Entschließungsantrags zu stehen. Der Bundeskanzler konnte der Idee einer internationalen
Schlichtungsstelle, wie sie vom Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf ins Gespräch gebracht
wurde, durchaus etwas abgewinnen. Derzeit sei man aber weit davon entfernt, sagte er. Kopf hatte darauf hingewiesen,
dass im Rahmen einer Diskussion klargeworden sei, dass sich aufgrund der Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme
weder europäische Unternehmen dem US-amerikanischen Rechtssystem unterwerfen wollen, noch amerikanische Unternehmen
dem Europäischen, weshalb der Vorschlag eines internationalen Schiedsgerichts ventiliert worden sei.
Kopf bekräftigte seinerseits, voll hinter der Entschließung des Nationalrats zu stehen, denn aus heutiger
Sicht sei die Sinnhaftigkeit von ISDS-Klauseln nicht erkennbar. Er pochte auch darauf, das Ganze als gemischtes
Abkommen zu sehen und trat daher dafür ein, sich nun auf den Verhandlungsprozess zu konzentrieren. Wie ÖVP-Klubobmann
Reinhold Lopatka zeigte er sich überzeugt davon, dass ein gut gemachtes Freihandelsabkommen einen Vorteil
sowohl für die EU als auch für die USA bringen werde. Die entscheidenden Kriterien seien die Qualität
und die Beibehaltung der hohen europäischen Standards. Laut Kopf ist es eine Selbstverständlichkeit,
mehr Transparenz walten zu lassen, den Dialog zu verstärken und sowohl über Vorteile als auch über
Nachteile zu informieren. Die bisherige Geheimverhandlungsstrategie habe in einem kommunikativen Desaster geendet,
merkte Kopf an.
Die Linie des Bundeskanzlers wurde vollinhaltlich von den Ausschussmitgliedern der SPÖ unterstützt. Gegen
den Abbau von Handelshemmnissen sei nichts einzuwenden, sagte etwa Kai Jan Krainer (S), es wäre aber falsch,
wenn sich Unternehmen von gut ausgebauten Rechtsstaaten einem rechtsstaatlich schlechteren System ausliefern müssten.
Ebenso drängte Christine Muttonen (S) darauf, die österreichische Position beizubehalten, und wies auf
Aussagen von 29 Rechtsprofessoren - alle Angehörige angesehener amerikanischer Universitäten - hin, die
vor einem eigenen Schiedsgericht im Rahmen von TTIP warnen.
Seitens der Grünen sah Werner Kogler ein Doppelspiel der Regierung, wobei der Abgeordnete den Verdacht äußerte,
dass die ÖVP eine andere Linie verfolge als der Bundeskanzler. Die ISDS-Klausel hält Kogler für
einen "Brandbeschleuniger". Er kritisierte scharf die EU-Kommission, die offensichtlich bei TTIP nun
in eine andere Richtung gehe, wie ursprünglich angekündigt, und die im Gegensatz zur österreichischen
Position stehe. Hart ins Visier nahm er Kommissarin Cecilia Malmström, die darauf hinarbeite, CETA noch vor
der Ratifizierung in nationalen Parlamenten vorläufig anwenden zu wollen. CETA könnte ihm zufolge eine
Blaupause für TTIP sein, das nun schnell ausverhandeln werden soll. Kogler konnte auch unter Hinweis auf einige
Studien keine Vorteile für Europa durch TTIP erkennen, schon gar nicht in Hinblick auf Wachstum und Beschäftigung.
Das sogenannte "right to regulate", wonach die Länder ihre Standards beibehalten können, bezeichnete
Kogler als eine "Selbsthypnoseklausel". Diesen Befürchtungen konnte Josef Cap (S) nicht folgen,
da Österreich eine klare Position habe und auch der Präsident des Europäischen Parlaments Martin
Schulz sich dezidiert gegen die vorläufige Anwendung von CETA ausgesprochen hatte.
Für FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner war klar, dass man ISDS-Klauseln in keinem Fall mittragen dürfe,
und Rouven Ertlschweiger vom Team Stronach meinte, bei TTIP liege noch vieles im Dunkeln.
Für Grüne greift Investitionsoffensive zu kurz
Kurz angesprochen wurde im Ausschuss auch die Investitionsoffensive der EU, wobei Bruno Rossmann (G) die Auffassung
vertrat, dass der geplante Fonds (EFSI) zu kurz greife. Die EU habe sich eine Selbstfesselung auferlegt und nun
gebe es zu wenige öffentliche Investitionen. Rossmann sprach sich in diesem Zusammenhang für ein öffentliches
Investitionspaket aus und trat dafür ein, dass öffentliche Investitionen in den EFSI von der Defizitberechnung
ausgenommen werden. Auch zeigte Rossmann große Präferenzen für die Einführung der Goldenen
Regel, wonach der Staat in jenem Umfang dauerhaft Schulden machen dürfen soll, in dem er sein Vermögen
mehrt.
Noch ein langer Weg zur Energie-Union – Zankapfel Atomenergie
Schwerpunktthema beim kommenden EU-Gipfel wird auch die Energie-Union sein. Innerhalb der EU bestehe darüber
Einigkeit, dass eine engere Zusammenarbeit, der gemeinsame Marktauftritt und die Forcierung der Energieeffizienz
für alle von großem Vorteil sein könne, erläuterte Bundeskanzler Faymann. Große Auffassungsunterschiede
bestehen aber in Hinblick auf die Einschätzung der Nuklearenergie, berichtete er. So haben 10 europäische
Länder eine Initiative gestartet, mit dem Ziel, die Atomenergie als besonders zukunftsweisend und umweltfreundlich
anzuerkennen. Die Mehrheit der EU-Länder vertrete die Auffassung, dass Atomenergie ein Kernstück des
Investitionsprogramms von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sein soll, stellte Faymann mit Bedauern
fest. Es sei auch schwierig, die ablehnende Haltung Österreichs zum Fracking durchzusetzen, viele Länder
hätten auch insofern Schwierigkeiten beim Umstieg auf umweltfreundliche Energie, da sie nicht über Wasserkraft
verfügen.
Die Energiesicherheit und eine stärkere Energieunabhängigkeit wurde auch von Außenminister Sebastian
Kurz unterstrichen, wobei er einräumte, dass dazu noch intensive Diskussionen erforderlich seien.
In der Energie-Union gehe es nicht nur um Atomstrom, warf Walter Rosenkranz (F) ein und sprach unter anderem auch
die Einbeziehung von privaten Verträgen an. Er legte dazu einen Antrag auf Stellungnahme seitens seiner Fraktion
vor, in dem darauf hingewiesen wird, dass Österreich ein Energietransitland ist. Ein Ziel der Energie-Union
liege darin, grenzüberschreitende Leitungen zu bauen, derzeit würden aber nur die österreichischen
Stromkunden über Netzgebühren die Kosten für den in Teilbereichen durch Transit bedingten Netzausbau
tragen, heißt es im Antrag. Die Freiheitlichen setzen sich daher für die Schaffung von Transitgebühren
für elektrische Energie ein, um heimische Stromkunden zu entlasten. Der Antrag fand jedoch bei den anderen
Fraktionen keine Unterstützung und blieb somit in der Minderheit.
Gegen die Atomkraft und für den Ausbau erneuerbarer und alternativer Energien sprach sich auch Rouven Ertlschweiger
(T) aus. Kritik an der österreichischen Energiepolitik hagelte es seitens der Grünen. Energie sei das
Zukunftsthema, sagte Christiane Brunner (G), und die zentrale Aufgabe der EU sei es zu hinterfragen, aus welchen
Ländern mit bedenklichen politischen Systemen fossile Energie importiert werde. Diese Bedenken Brunners wurden
auch von Christoph Vavrik (N) geteilt.
Die EU sei auch hinsichtlich des Klimawandels massiv gefordert, stellte Brunner ferner fest. Die Umweltsprecherin
der Grünen vermisste in diesem Zusammenhang ein konsequentes Vorgehen Österreichs in Richtung Energiewende.
Die Verbesserungen bestehender Systeme hält sie für nicht ausreichend, notwendig ist ihr zufolge der
Umbau des gesamten Energiesystems. Derzeit sehe es aber nicht so aus, als ob die EU ihre Reduktionsziele auch erreichen
kann, konstatierte sie. Jedenfalls haben im Rahmen der Energie-Union Atomenergie, fossile Brennstoffe und Schiefergas
nichts verloren, bekräftigte Brunner abschließend.
Sanktionen gegen Russland sollen verlängert werden
Das Energiethema wurde auch im Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt und Russland diskutiert. So meinte etwa Josef
Cap (S), die Energie-Union mache deutlich, wie der Wirtschaftsraum zusammenhängt. Er verurteilte die Rhetorik
des Kalten Kriegs und sprach sich dafür aus, rasch zu normalen Verhältnissen zu finden, sollte es Signale
geben, die in Richtung der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk gehen. Johannes Hübner (F) bezweifelte grundsätzlich
die Sinnhaftigkeit der Sanktionen gegenüber Russland.
Dem hielt Außenminister Kurz entgegen, dass man mehrere Optionen gehabt habe. Nichts zu tun, wäre ebenso
falsch gewesen wie ein militärisches Eingreifen. Daher halte er die Sanktionen für den richtigen Weg,
um zu signalisieren, dass völkerrechtswidriges Verhalten nicht akzeptabel sei. Dennoch müsse man den
Dialog aufrechterhalten und eine friedliche Lösung anstreben, sagte er. Österreich werde jedenfalls alles
dazu tun, damit die Vereinbarungen von Minsk eingehalten werden, betonte Kurz. Der Abzug von schweren Waffen funktioniere
zwar nicht einwandfrei, aber es gebe positive Ansätze. Er gehe davon aus, dass beim kommenden Gipfel ein Vorschlag
zur Verlängerung der Sanktionen vorgelegt wird.
Sanktionen sind kein Selbstzweck, erklärte Kurz, deshalb würden sie an die Vereinbarungen von Minsk gekoppelt.
Sollte es hier Fortschritte geben, trete er dafür ein, die Sanktionen schrittweise abzubauen. Der Bundeskanzler
ergänzte, dass es innerhalb der EU-Mitgliedstaaten zu diesem Thema unterschiedliche Schwerpunktsetzungen gibt.
Eine Gruppe sei bereit, massive Schritte in Richtung Ausweitung der Sanktionen zu setzen, die andere Gruppe, zu
der Österreich gehöre, lege den Fokus auf eine Normalisierung bei Fortschritten in Zusammenhang mit dem
Minsker Abkommen.
Griechenland: Faymann ist wenig optimistisch
Auch Griechenland war heute Thema im EU-Ausschuss. Er erwarte sich eine "bedauerliche Diskussion", sagte
Faymann, nachdem es auf der Ebene der Finanzminister offensichtlich kein Weiterkommen gibt. Unbestritten müssen
Regeln eingehalten werden, bekräftigte Faymann, die Frage sei, ob Griechenland Vorschläge unterbreitet,
mit denen man das bisherige Hilfsprogramm adaptieren kann. Alles werde davon abhängen, wie sich die griechischen
Regierungsvertreter in den nächsten Monaten verhalten. Bisher seien viele Fehler gemacht worden. Er, Faymann,
setze sich jedenfalls dafür ein, dass Griechenland eine faire Chance erhält, auch wenn er die Lage wenig
optimistisch einschätzt.
Ähnlich bewertete Außenminister Kurz die Situation. Der europäische Geist sei vom Kompromiss getragen,
die Art und Weise, wie Griechenland agiere, sei bedenklich, sagte er. Vetodrohungen bringen die EU nicht nach vorne.
Die Frage griechischer Schwarzgelder im Ausland, die von Josef Cap (S) und Bruno Rossmann (G) angeschnitten worden
war, sei außerordentlich schwierig zu beantworten, so Kurz. Harte Bretter zu bohren, ist dagegen eine leichte
Angelegenheit, bemerkte der Kanzler dazu pointiert.
FPÖ gegen Junckers Vorschlag zu einer EU-Armee
Der Antrag der FPÖ auf Stellungnahme, wonach sich die Bundesregierung strikt gegen die Schaffung einer EU-Armee
und eines Euro-Finanzministers aussprechen sollte, wurde ohne Debatte von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt.
EU-Mission in Libyen möglich
Angesichts des IS-Terrors informierte Außenminister Kurz aufgrund einer Wortmeldung von Christine Muttonen
(S), dass die EU eine eigene Regionalstrategie erarbeite, um der Bedrohung entgegenzuwirken. Angedacht sei des
Weiteren eine EU-Mission in Libyen, wobei eine Einheitsregierung in Libyen Voraussetzung dafür sei. Der potentielle
Rahmen müsse noch ausdiskutiert werden, darunter könnten Aufgaben der Grenzsicherung fallen, aber auch
eine Ausbildungsmission ist nach Aussagen von Kurz möglich.
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