Wachstumsbremse für Prostatakrebs auf der Spur

 

erstellt am
19. 03. 15
11.00 MEZ

Innsbrucker Nachwuchsteam nimmt Therapieresistenz von Tumorzellen als Baustein für verbesserte Behandlung
Innsbruck (scinews) - In unserer Alltagswelt wirkt es einfach, zu bremsen und das Tempo zu verringern. Geht es aber um entartete Zellen der Vorsteherdrüse (Prostata) in ihrer Mikroumgebung, sind diese nur begrenzt zu stoppen. Europaweit verlieren daher jährlich 92.200 Männer ihren Kampf gegen das "terminale Prostatakarzinom". Alleine in Österreich sind es 1.200. In der international intensiv laufenden Suche nach einer verbesserten Behandlung legt ein Nachwuchsteam der Medizinischen Universität Innsbruck weitere Bausteine für eine verbesserte Therapie vor.

"Fortgeschrittener Prostatakrebs kann die gegen ihn als Bremse eingesetzte Therapie ausmanövrieren und trotz Behandlung weiter voranschreiten. Diese Fähigkeit nennt die Krebsforschung ´Therapieresistenz`. Warum daher nicht von den entarteten Zellen der Prostata selbst lernen und die bei dieser sehr heterogenen Krebsart auf mehreren Ebenen laufende Therapieresistenz als Anreiz nehmen, um die Behandlung auf lange Sicht verbessern zu können?", so bringen Dr.in Julia Höfer und Dr. Martin Puhr den Forschungsansatz ihres Teams auf den Punkt.

Von den Kniffen der Krebszellen lernen
Die 32jährige Molekularbiologin nimmt das Protein "PIAS1" (Protein Inhibitor of Activated Signal Transducer and Acitivator of Transcription) als neues Angriffsziel zur Verbesserung der kombinierten Therapie hormonabhängiger Tumore unter die Lupe. PIAS1 reguliert in unseren gesunden Zellen das Wachstum. Im Prostakarzinom wird es vermehrt erzeugt und fördert unkontrolliertes Wachstum. Höfers Forschungsvorhaben wurde im Zuge des Karriereentwicklungsprogrammes für Wissenschaftlerinnen des österreichischen Forschungsfonds FWF in Kooperation mit dem Land Tirol vor Kurzem als Hertha-Firnberg- Projekt der Medizinischen Universität Innsbruck bewilligt. Dazu erklärt die Rektorin der Medizinischen Universität Innsbruck, o.Univ.-Prof.in Dr.in Helga Fritsch: "Die Unterstützung von universitären Frauenkarrieren durch das Hertha-Firnberg-Programm des FWF entspricht in analoger Weise auch den frauenfördernden Grundsätzen der Medizinischen Universität Innsbruck. Umso mehr freut mich diese Entscheidung."

In ihrem Firnberg-Projekt erforscht Höfer bis 2018 die Rolle von PIAS1 in DNAReparaturmechanismen bei Prostata- und Brustkrebszellen. "Häufig ist eine verstärkte DNA-Reparatur dafür verantwortlich, dass Krebszellen gegen Bestrahlung unempfindlich sind. Interessanterweise wird PIAS1 im Prostatakarzinom mit ansteigender Malignität vermehrt erzeugt. PIAS-Proteine sind unter anderem in jene Mechanismen involviert, die für die Reparatur von DNA-Schäden verantwortlich sind. PIAS1 herunterzuregulieren könnte daher dafür sorgen, dass Krebszellen auf die Strahlentherapie empfindlicher reagieren", sagt die Forscherin. Martin Puhr wird Höfer bei der Durchführung ihres Firnberg-Projektes als Mentor zur Seite stehen.

Die Jungforscher enträtseln Schritt für Schritt die Interaktion, Kommunikation und Regulation jener molekularen Bausteine, die in die Signalketten beim Entstehen und Wachsen entarteter Zellen involviert sind. Unter anderem entdeckten sie, dass PIAS1 im Tumorgewebe vermehrt vorhanden ist und Prostatakrebszellen schneller wachsen lässt. PIAS1 hemmt einen wichtigen Wächter des Zellzyklus, den Tumorsuppressor "p21". Wird PIAS1 durch interferierende RNA-Moleküle (siRNA) herunterreguliert, kann dieser Wächter seine Arbeit tun, nämlich das Wachstum der Krebszelle bremsen. Weiters wiesen Puhr und Höfer vor Kurzem nach, dass PIAS1 in Prostatakrebszellen, die gegen das Standardchemotherapeutikum Docetaxel resistent sind, vermehrt vorhanden ist. Eine Reduktion von PIAS1 in diesen Zellen führt zum Tod der Krebszellen in eigens entwickelten Zellkulturmodellen. "Auf Basis dieser Ergebnisse sehen wir PIAS1 als möglichen Schlüsselfaktor für eine verbesserte Behandlung" erklärt dazu Puhr. Die Forschungen des 37jährigen Biologen werden bis 2016 ebenfalls vom FWF gefördert. Die Arbeiten des insgesamt elfköpfigen, durchwegs jungen Teams unter Leitung des Molekularpathologen Ao. Univ.-Prof. Dr. Zoran Culig an der Innsbrucker Universitätsklinik für Urologie (Direktor: Prof. Wolfgang Johannes Horninger) könnten auch zu anderen hormonabhängigen Tumoren, wie z.B. Brustkrebs neue Ansatzpunkte liefern. Zelluläre Proteine der PIAS-Familie stehen erst seit wenigen Jahren im Fokus der weltweiten Krebsforschung. Das erste dieser Proteine wurde 1997 entdeckt. Bisher sind vier Hauptproteine dieser Familie bekannt. Sie haben eine wichtige Rolle in der Regulation von Zellteilung und Zelltod. Das sind jene Prozesse, die im gesunden Körper im Gleichgewicht sind, bei Krebs aber fehlgesteuert sind.

Stichwort "Therapieresistenz"
Fortgeschrittener Prostatakrebs kann bisher durch Hormon- Radio- oder Chemotherapie vorübergehend abgebremst werden. Eine Heilung ist in diesem Stadium nicht mehr möglich. Mit geschätzten elf Prozent ist Prostatakrebs daher nach Lungenkrebs die häufigste, tumorbedingte Todesursache bei Männern. Diese Tumorart gilt als sehr "vielschichtig". Unter einer Hormon- oder Chemotherapie lernen entartete Zellen sich über komplexe Wege gegen die eingesetzte Behandlung zu wehren und unter den veränderten Bedingungen weiter zu wachsen. Der Therapieerfolg ist daher auch bei kombinierten Therapien zeitlich limitiert. Es kommt zur Entstehung therapieresistenter Zellklone. Diese bilden die Grundlage für neue Metastasen, die auf die Standardtherapeutika nicht mehr ansprechen.

 

 

 

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