Jüdisches Museum Wien: Brauner eröffnet Ausstellung über Ringstraße
Wien (rk) - Im Beisein zahlreicher Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur eröffnete Finanz-
und Wirtschaftsstadträtin Vizebürgermeisterin Renate Brauner am Abend des 24.03. die Ausstellung "RINGSTRASSE.
Ein jüdischer Boulevard" im Jüdischen Museum Wien, einem Unternehmen der Wien Holding, anlässlich
des 150-Jahr-Jubiläums der Errichtung von Wiens Prachtstraße.
"Die Errichtung der Wiener Ringstraße gilt als Meilenstein in der Wiener Stadtgeschichte und markiert
den Aufbruch Wiens in die Moderne. Die Ringstraße heute ist in vielerlei Hinsicht einzigartig: als Prachtboulevard
und historische Sehenswürdigkeit genauso, wie als wichtiger und starker Faktor für Tourismus, Kultur
und Wirtschaft. Doch die Ringstraße ist heute noch viel mehr: Sie ist ein Ort, an dem das Leben pulsiert,
mit zahlreichen Großevents vom Vienna City Marathon bis hin zum Wiener Eistraum und dem Life Ball am Rathausplatz.
Damals wie heute schätzen und lieben die Wienerinnen und Wiener ihre Prachtstraße. Genau deshalb ist
es aber besonders wichtig, dass es Ausstellungen wie diese gibt, die den Blick auch auf die wechselvolle und tragische
Geschichte jener jüdischen Familien lenken, die viele der Palais erbaut haben und im Nationalsozialismus verfolgt,
vertrieben und ermordet wurden", so Vizebürgermeisterin Renate Brauner bei der Eröffnung der Ausstelllung.
Ausstellung blickt hinter die Fassaden der Prachtbauten
Museumsdirektorin Danielle Spera verwies auf die Geschichten hinter den Gebäuden und betonte, dass viele
der Palais noch die Namen ihrer Erbauer tragen, die Familien aber durch den Nationalsozialismus enteignet und vertrieben
worden seien. "Wir sehen es daher auch als Aufgabe dieser Ausstellung, die Geschichten hinter den Fassaden
der prachtvollen Palais wieder in das kollektive Wiener Bewusstsein zu rücken", so Spera.
Wien Holding Direktor Peter Hanke, zu dessen Konzern das Jüdische Museum gehört, und Generaldirektor-Stellvertreter
Georg Kraft-Kinz vom Hauptsponsor Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien zeigten sich in ihren Grußbotschaften
beeindruckt von der Vielschichtigkeit der von Gabriele Kohlbauer Fritz unter Assistenz von Sabine Bergler kuratierten
Ausstellung.
Für den stimmungsvollen musikalischen Rahmen der Eröffnung sorgte Kammersängerin Angelika Kirchschlager,
die von der jungen Pianistin Charlotte Baumgartner begleitet Lieder von Gustav Mahler, Alma Mahler-Werfel und Erich
Wolfgang Korngold sang und von den Ehrengästen - darunter Altkanzler Franz Vranitzky, Deutschlands Botschafter
Detlev Rünger, der Wiener SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker und die Direktorin der Österreichischen
Nationalbibliothek Johanna Rachinger - begeistert akklamiert wurde.
Wien wird zur modernen europäischen Metropole
Als nach der Schleifung der Wiener Stadtmauern rund um die Wiener Innenstadt ein Prachtboulevard entstand,
wurde dieser zur ersten Adresse des Adels und des Großbürgertums. Wien sollte zu einer Metropole und
der Ring ein sichtbares Symbol des Kaiserreiches werden - auch wenn die Monarchie bereits dem Untergang geweiht
war. Unter den Bauherren der prächtigen Palais entlang der Ringstraße waren zahlreiche jüdische
Unternehmer und Bankiers, die zum wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerzeitjahre beitrugen, als Kunstsammler
und Mäzene in Erscheinung traten und dem Kaiser zur Hilfe kamen. Der Aufstieg einer kleiner jüdischen
Elite im Wirtschaftsboom der Gründerjahre steht ebenso im Fokus der Ausstellung wie beispielsweise die Entstehung
der Psychoanalyse hinter den Fassaden der Palais. Das Jüdische Museum Wien stellt die wichtigsten Protagonisten
der Ringstraßenära sowie deren Familiengeschichten und Schicksale vor und beleuchtet die Stiftertätigkeit
der jüdischen Großbürger. Der neu errichtete Boulevard galt für viele als Zeichen der gesellschaftlichen
Akzeptanz und zahlreiche Palais wurden zu wichtigen Orten des Austausches für Intellektuelle, Wissenschaftler
und Künstler in den so genannten Salons. Kunst, Kultur, Wissenschaft und somit die gesamte Gesellschaft wurden
auf diese Weise gefördert.
Politische und soziale Gegensätze verschärfen sich
Die Aufbruchsstimmung der Gründerzeit konnte jedoch eine zunehmende politische Radikalisierung und die
wachsenden sozialen Probleme der breiten Masse nicht aufhalten. Die k.u.k. Residenzhauptstadt Wien war in dieser
Zeit magischer Anziehungspunkt für Zuwanderer aus allen Teilen der Monarchie, die sich hier neue Lebenschancen
erhofften. Unter ihnen waren auch sehr viele Jüdinnen und Juden, die der Diskriminierung und wirtschaftlichen
Perspektivlosigkeit des Schtetls entkommen wollten. Dies verschärfte die sozialen Gegensätze: Besonders
das Kleinbürgertum war als klassischer Modernisierungsverlierer empfänglich für den wachsenden politisch
geschürten Antisemitismus, der sich gleichermaßen der Stereotype des "armen, zerlumpten Ostjuden",
des "sozialistischen, jüdischen Aufwieglers" oder des "kapitalistischen Wiener Börsejuden"
bediente. Diese massiven ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Wien des ausgehenden 19.
Jahrhunderts und damit die Kehrseiten der glanzvollen Ringstraßenfassaden sind ebenso ein zentraler Aspekt
der Ausstellung wie die politischen Folgen im 20. Jahrhundert.
Nationalsozialistische Verfolgung
1938, nach der Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland, waren die Nachkommen
jener jüdischen Familien, die entscheidend zum wirtschaftlichen Aufschwung der so genannten Gründerzeit
beigetragen hatten, gezwungen, zu emigrieren oder sie wurden in Konzentrationslager deportiert. Die prächtigen
Palais tragen noch ihre Namen - Todesco, Schey, Königswarter, Goldschmidt, Ephrussi, Lieben oder Auspitz -
aber die Familien sind nicht mehr an Österreich gebunden. Weder wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg eingeladen,
zurückzukehren, noch erhielten sie jene Werte zurück, die sie unter Zwang hatten zurücklassen müssen.
Es dauerte bis in die Gegenwart, dass die Geschichten hinter den Fassaden der prachtvollen Palais wieder in das
kollektive Wiener Bewusstsein rückten, stellvertretend sei hier die Familie Ephrussi genannt, deren Bedeutung
für Wien durch das Buch "Der Hase mit den Bernsteinaugen" wieder bekannt wurde.
Die Ringstraßenära - ein Teil der Geschichte des Jüdischen Museums
Auch das heutige Jüdische Museum ist mit der Ringstraße in mehrfacher Weise verbunden: Das erste
Jüdische Museum befand sich in unmittelbarer Nähe des Rings und unter dessen Gründern, Stiftern
und Spendern waren viele Ringstraßen-Familien. 1938 wurde das Museum geschlossen, die Sammlungen beschlagnahmt
und für eine antisemitische Ausstellung im Naturhistorischen Museum missbraucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde die Idee für die Wiedergründung in einem Ringstraßenpalais geboren - in einer Wohnung am
Schottenring richtete der Geschäftsmann und Judaika-Sammler Max Berger, der als einziger Überlebender
der Schoa in seiner Familie nach 1945 über Polen nach Wien kam, in den 1970er Jahren ein kleines Privatmuseum
ein. Seine Sammlung bildete das Herzstück des Jüdischen Museums Wien, das 1988 auf Initiative des Wiener
Bürgermeister Helmut Zilk gegründet wurde und ist bis heute zentraler Bestandteil der Ausstellung im
Palais Eskeles.
Zur Ausstellung, die zahlreiche spannende Aspekte von Geschichte und Gegenwart der Ringstraße aufgreift und
die Glanz- und Schattenseiten der Ringstraßenära thematisiert, erscheint ein zweisprachiger Katalog
im Amalthea Verlag (ISBN-Nr. 978-3-85002-915-5) zum Preis von EUR 29,95, der ab sofort im Bookshop des Museums
und im Buchhandel erhältlich ist.
Die von Gabriele Kohlbauer Fritz unter Assistenz vom Sabine Bergler kuratierte Ausstellung "RINGSTRASSE. Ein
jüdischer Boulevard", ist von 25. März bis 4. Oktober 2015 im Jüdischen Museum Wien, einem
Museum der Wien Holding, zu sehen.
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