Team mit Freiburger Forschern hat neuen Ansatz für Therapie gegen B-Zell-akute lymphoblastische
Leukämie entdeckt
Freiburg (idw) - Die B-Zell-akute lymphoblastische Leukämie (B-ALL) ist die häufigste Tumorerkrankung
im Kindesalter und tritt auch bei Erwachsenen auf. Sie entsteht, wenn die Signalleitung in unreifen B-Zellen, auch
prä-B-Zellen genannt, gestört ist. Das Team um Prof. Dr. Markus Müschen von der University of California
in San Francisco/USA hat mit Unterstützung von Prof. Dr. Hassan Jumaa und Prof. Dr. Michael Reth vom Exzellenzcluster
BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg einen neuen Ansatz für die Therapie
der B-ALL-Tumorerkrankung gefunden. Ihre Untersuchungen könnten ein Umdenken in den klinischen Ansätzen
für die Therapie der Tumorerkrankung bewirken. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse
in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
B-Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und produzieren Antikörper gegen Antigene, die
das Immunsystem als Fremdstoffe erkennt. Die normale B-Zellentwicklung und -reifung wird über ein Gleichgewicht
zwischen Kinasen und Phosphatasen gesteuert. Diese Enzyme phosphorylieren oder dephosphorylieren die Signaluntereinheiten
des B-Zell-Antigenrezeptors (BCR) auf der B-Zelle: Die Kinasen fügen dem BCR Phosphatgruppen hinzu, während
die Phosphatasen diese entfernen. Nur der durch Kinasen phosphorylierte BCR ist voll aktiv und teilt der B-Zelle
mit, dass es einen Fremdstoff gibt. Somit bestimmen die Kinasen und Phosphatasen die Signalstärke des Rezeptors.
Bei B-ALL Tumorzellen sind bestimmte Kinasen wie die Abelson-Tyrosinkinase (Abl-Kinase) verändert: Sie treiben
als Onkogene das Tumorwachstum an. Die B-Zellen sind funktionsuntüchtig, aber teilen sich fortlaufend. Als
Therapie gegen diese Erkrankung kommen Wirkstoffe zum Einsatz, welche die Abl-Kinase hemmen. Oft kommt es allerdings
zu resistenten Abl-Mutanten und der Tumor wächst erneut.
Das deutsch-amerikanische Forschungsteam hat untersucht, wie genau die Signalleitung des BCR in den Tumoren reguliert
ist. Sie entdeckten, dass bei B-ALL-Tumorzellen die Signaluntereinheiten des BCR wenig aktiv sind und auf der Oberfläche
verstärkt hemmende Rezeptoren vorkommen. Diese binden Phosphatasen und verhindern so, dass der BCR aktiviert
wird. Wenn die Wissenschaftler die hemmenden Rezeptoren oder die assoziierten Phosphatasen ausschalteten, war der
sofortige Tod der ALL-Zellen die Folge. Die Forscher zeigten auch, dass ein Hemmer der Phosphatasen im Tierexperiment
die Tumorausbreitung verhindert. Der Grund: Indem sie die Phosphatasen hemmten, öffneten die Forschenden sozusagen
den Signalweg des BCR wieder, den die Abl-Kinase zuvor unterdrückt hatte. In einer B-Zelle, bei der übermäßig
viele BCR-Rezeptoren aktiviert sind, sind Kinasen und Phosphatasen nicht mehr im Gleichgewicht. Die Therapie treibt
sie somit in den Zelltod, auch Apoptosis genannt.
Zukünftige Therapien der B-ALL könnten statt der Abl-Kinase die Phosphatasen hemmen und somit die BCR-Signale
verstärken. „Als Teil des BIOSS-Programms haben wir in den vergangenen Jahren die Bedeutung des Kinasen-Phosphatasen-Gleichgewichts
für die normale Entwicklung der B-Lymphozyten untersucht. Jetzt sehen wir, dass dieses Gleichgewicht auch
bei der Entstehung und Bekämpfung von B-Zelltumoren eine wichtige Rolle spielt“, sagt Reth.
Reth ist Sprecher des Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies und Professor am Institut
für Biologie III der Albert-Ludwigs-Universität. Zudem ist er Gruppenleiter am Freiburger Max-Planck-Institut
für Immunbiologie und Epigenetik. Jumaa ist Professor am Institut für Immunologie der Universität
Ulm und war Mitglied des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies.
Originalpublikation: Zhengshan Chen,
Seyedmehdi Shojaee, Maike Buchner, Huimin Geng, Jae Woong Lee, Lars Klemm, Björn Titz, Thomas G. Graeber,
Eugene Park, Ying Xim Tan, Anne Satterthwaite, Elisabeth Paietta, Stephen P. Hunger, Chery L Willman, Ari Melnick,
Mignon L Loh, Jae U. Jung, John E. Coligan, Silvia Bolland, Tak W. Mak, Andre Limnander, Hassan Jumaa, Michael
Reth, Arthur Weiss, Clifford A. Lowell and Markus Müschen (2015). Signaling thresholds and negative B cell
selection in acute lymphoblastic leukemia. Nature. DOI: 10.1038/nature14231
|