Parlament: Hohe Auszeichnung für Fritz Neugebauer
Wien (pk) – Gelegenheit, eine markante Persönlichkeit der österreichischen Politik zu ehren, bot
am Abend des 24.03. die Überreichung des Großen Silbernen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste
um die Republik Österreich an den langjährigen Parlamentarier und Zweiten Präsidenten des Nationalrates
a.D., Fritz Neugebauer. "Politik muss mehr sein als der Gedanke an die Schlagzeile von morgen", lautet
einer der bekanntesten Sätze des Gewerkschafters und Parlamentariers, dem Wegbegleiter, Freunde und politische
Gegner konzedieren, in einer Zeit politischer Beliebigkeit gleichermaßen für Handschlagqualität
und feste Grundsätze wie für Menschlichkeit und Respekt für Andersdenkende zu stehen. Nationalratspräsidentin
Doris Bures überreichte Fritz Neugebauer die hohe Auszeichnung im Rahmen einer Feierstunde im Budgetsaal,
zu der sie Mitglieder der Bundesregierung, unter ihnen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans
Jörg Schelling, ehemalige Mitglieder von Bundesregierungen sowie Abgeordnete und Bundesräte begrüßte.
Die Laudatio für Fritz Neugebauer hielt Bundesminister a.D. Martin Bartenstein. Durch das von den Neuen Wiener
Concert Schrammeln musikalisch umrahmte Programm führte der ORF-Journalist Roland Adrowitzer.
Fritz Neugebauer - Gewerkschafter, Sozialpartner, Parlamentarier
"Er ist ein ausgefuchster Verhandlungsprofi", erinnerte sich Nationalratspräsidentin Doris Bures,
die den Gewerkschafter Neugebauer ehedem als für den öffentlichen Dienst zuständige Bundesministerin
in harten Verhandlungen gegenübersaß und dabei seine Menschlichkeit und seine Handschlagqualität
schätzen gelernt habe. "Er ist mir immer mit Respekt und Wertschätzung gegenübergetreten",
sagte Bures, für die Fritz Neugebauer in einer Reihe mit den großen Interessenvertretern und Sozialpartnern
in der Geschichte Österreichs steht, mit Johann Böhm, Anton Benya und Rudolf Sallinger. Neugebauer komme
auch das Verdienst zu, sich in einer Zeit, in der Politikern oft Beliebigkeit vorgeworfen werde, um feste Standpunkte
zu bemühen und davon ausgehend, um gute Lösungen für Österreich. Doris Bures erinnerte auch
an die untadelige Vorsitzführung und an das demokratische Amtsverständnis des führenden Parlamentariers
Neugebauer, der sich die hohe Auszeichnung durch die Republik Österreich mehr als verdient habe.
Die Fähigkeit zum ergebnisorientierten Dialog
Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf würdigte das politische Lebenswerk Fritz Neugebauers und
erinnerte an seine vielen erfolgreich ausgeübten Funktionen als Interessenvertreter und Politiker. Diesem
politischen Lebenswerk gebühre ebenso Anerkennung wie dem Menschen Fritz Neugebauer Respekt und Wertschätzung.
Kopf, der Neugebauer als innerparteilichen Sozialpartner "als harten, aber immer fairen Verhandlungspartner"
kennenlernte, bezeichnete den "vermeintlich unerbittlichen Interessenvertreter" Neugebauer in Wahrheit
als einen Sozialpartner, der die Fähigkeit besitze, sich mit den Ansichten und Positionen anderer – bei aller
weltanschaulichen Differenz – mit Respekt und ergebnisorientiert auseinanderzusetzen.
Als Zweiter Präsident des Nationalrates habe Neugebauer Verhandlungen des Nationalrates souverän geleitet
und sich großen Respekt über alle Parteigrenzen hinweg erworben. Neugebauer habe auch maßgeblich
an wichtigen Gesetzen mitgewirkt, unter anderem an der Rehabilitierung der Opfer des autoritären Ständestaates.
Es brauche geschichtliches Bewusstsein, um zu erkennen, das Demokratie und Parlamentarismus gesellschaftliche Errungenschaften
und keine Selbstverständlichkeiten sind, sagte Kopf, der auch Neugebauers Credo zitierte, dass Politik "mehr
sein muss als der Gedanke an die Schlagzeile von morgen".
Ein Plädoyer für die Sozialpartnerschaft
Bundesminister a.D. Martin Bartenstein schilderte in seiner Laudatio den beruflichen und gewerkschaftlichen Lebensweg
des Wieners Fritz Neugebauers, der von 1965 bis 1997 als Lehrer an Volks- und Hauptschulen sowie an Polytechnischen
Lehrgängen arbeitete und sich zunächst als Personalvertreter der Wiener Landeslehrer engagierte. Von
1975 bis 1989 war Neugebauer Vorsitzender der Bundessektion Pflichtschullehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher
Dienst (GÖD). 1989 wurde er zum Vorsitzenden-Stellvertreter der GÖD gewählt. Von 1991 bis 2003 war
er Vizepräsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und Vorsitzender der Fraktion Christlicher
Gewerkschafter (FCG). Seit 1997 fungiert Fritz Neugebauer als Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.
An dieser Stelle unterstrich Bartenstein die Bedeutung des überparteilichen Gewerkschaftsbundes mit einem
hohen Repräsentationsgrad und die Rolle der Sozialpartnerschaft für Österreich.
In den Nationalrat – wo er mit geschliffener Rhetorik brillierte – wurde Neugebauer erstmals 1996 gewählt.
Von 2002 bis 2013 gehörte er dem Hohen Haus ständig an und wurde im Dezember 2008 zum Zweiten Nationalratspräsidenten
gewählt. An dieser Stelle bezeichnete es Martin Bartenstein als sehr wünschenswert, dass Sozialpartner
parlamentarische Funktionen wahrnehmen und würdigte zudem Fritz Neugebauers Engagement jenseits der Grenzen
Österreichs, etwa für die polnische Solidarnosc und für GewerkschafterInnen in den ehemaligen kommunistischen
Ländern.
Stolz auf Österreich
Der Zweite Nationalratspräsident a.D. Fritz Neugebauer - der von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auch
ein verspätetes Geburtstagsgeschenk, eine Torte in den grünweißen Farben seines Lieblings-Fußballklubs
Rapid Wien erhielt -, nahm in seinen Dankesworten politisch kein Blatt vor den Mund und verknüpfte rückblickende
Betrachtungen mit aktuellen politischen Aussagen. Erinnerungen an seinen Schulalltag in den sechziger Jahren veranlassten
den Pädagogen Neugebauer, auf die enorm gestiegenen Anforderungen an heutige LehrereInnen aufmerksam zu machen,
von denen erwartet werde, Defizite der gesellschaftlichen Entwicklung auszugleichen. Neugebauer verlangte, die
Leistung der LehrerInnen anzuerkennen und unterstrich dabei die Bedeutung musischer und sprachlicher Bildung sowie
der Frühkindpädagogik. Als Gewerkschafter betonte Neugebauer die Bedeutung der Arbeitsfreude und brach
eine Lanze für die verantwortungsvolle Arbeit von Lokomotivführern und ExekutivbeamtInnen, "die
ihren Kopf dort hinhalten, wo ihn andere einziehen". An dieser Stelle warnte Neugebauer mit Bezug auf die
Budgetpolitik davor, den öffentlichen Dienst als eine Art "freie Rücklage" zu betrachten. Zugleich
brachte Neugebauer seinen Respekt für Menschen zum Ausdruck, die als Nebenerwerbsbauern für ihren Lebensunterhalt
sorgen müssen oder das unternehmerische Risiko für einen Klein- oder Mittelbetrieb tragen.
Stolz zeigte sich Fritz Neugebauer auf die Erfolge der österreichischen Sozialpartnerschaft sowie darauf,
dass es gelungen sei, die Sozialpartnerschaft im Lissabonner Vertrag der Europäischen Union zu verankern.
Das Vorbild der österreichischen Sozialpartnerschaft sei für diese europäische Entscheidung mit
maßgeblich gewesen, sagte Fritz Neugebauer.
Zum Schluss betonte Neugebauer die Notwendigkeit, Demokratie und Rechtsstaat sowie das Friedensprojekt Europa weiterzuentwickeln,
wobei es – wie immer in der Politik - darauf ankomme, miteinander zu reden, Vorurteile abzubauen und gemeinsam
Verantwortung zu tragen.
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