Bonn (idw) - Physikern der Universitäten Bonn und Cambridge ist es gelungen, zwei komplett unterschiedliche
Quantensysteme miteinander zu koppeln. Damit sind sie auf dem Weg zum Quantencomputer einen wichtigen Schritt vorangekommen.
Die Forscher setzten dabei auf eine Methode, die in der Quantenwelt ebenso gut zu funktionieren scheint wie bei
uns Menschen: Teamarbeit. Die Ergebnisse sind nun in den „Physical Review Letters” veröffentlicht.
Große Herausforderungen nimmt man am besten gemeinsam in Angriff. In einem Team kann jedes Mitglied seine
individuellen Stärken einbringen – zum Nutzen aller Beteiligten. Da ist zum Beispiel der schusselige Wissenschaftler,
der zwar brillante Ideen hat, diese aber schnell wieder vergisst. Er benötigt die Hilfe seines gewissenhaften
Kollegen, der emsig alles notiert, um den Wirrkopf später daran erinnern zu können. Ganz ähnlich
ist es in der Welt der Quanten. Dort übernehmen die so genannten Quantendots (abgekürzt: qDots) die Rolle
des vergesslichen Genies. Quantendots sind zwar unschlagbar schnell, wenn es um die Verarbeitung von Quanteninformationen
geht. Leider vergessen sie das Ergebnis dieser Berechnung aber ebenso rasch wieder – zu rasch, um in einem Quantencomputer
wirklich nützlich zu sein.
Geladene Atome, Ionen genannt, haben dagegen ein exzellentes Gedächtnis: Sie können Quanteninformationen
für viele Minuten speichern. In der Quantenwelt ist das eine Ewigkeit. Zum schnellen Rechnen eignen sie sich
bisher allerdings weniger, da die internen Prozesse vergleichsweise langsam ablaufen. Die Physiker aus Bonn und
Cambridge haben daher beide Bausteine, qDots und Ionen, zur Teamarbeit verdonnert. Experten sprechen auch von einem
Hybrid-System, weil es zwei komplett unterschiedliche Quantensysteme miteinander kombiniert.
Schusselige qDots
qDots gelten bei der Entwicklung von Quantencomputern als große Hoffnungsträger. Im Prinzip sind sie
extrem miniaturisierte Elektronenspeicher. qDots lassen sich mit denselben Techniken wie normale Computerchips
herstellen. Dazu muss man die Strukturen auf den Chips nur so verkleinern, bis sie nur noch ein einziges Elektron
fassen (im herkömmlichen PC sind es dagegen 10 bis 100 Elektronen).
Das in einem qDot gespeicherte Elektron kann Zustände annehmen, wie sie durch die Quantentheorie vorhergesagt
werden. Allerdings sind diese sehr kurzlebig: Sie zerfallen binnen weniger Picosekunden (zur Illustration: das
Licht legt in einer Picosekunde lediglich eine Strecke von 0,3 Millimetern zurück). Bei diesem Zerfall entsteht
ein kleiner Lichtblitz: ein Photon. Photonen sind Wellenpakete, die in einer festgelegten Ebene schwingen – der
Polarisationsrichtung. Der Zustand des qDots bestimmt, welche Polarisationsrichtung das Photon hat. „Wir haben
das Photon genutzt, um damit ein Ion anzuregen“, erläutert Prof. Dr. Michael Köhl vom Physikalischen
Institut der Universität Bonn. „Dabei haben wir gespeichert, welche Polarisationsrichtung das Photon hatte.“
Gewissenhafte Ionen
Dazu brachten die Forscher eine dünne Glasfaser an dem qDot an. Über diese Faser transportierten sie
das Photon zum viele Meter entfernten Ion. Ganz ähnlich arbeiten Glasfasernetzwerke, wie sie in der Telekommunikation
eingesetzt werden. Um die Informationsübertragung möglichst effizient zu machen, hatten sie das Ion zwischen
zwei Spiegel gesperrt. Die Spiegel warfen das Photon wie einen Ping-Pong-Ball hin und her, bis es vom Ion absorbiert
wurde. „Durch Beschuss mit einem Laserstrahl konnten wir das so angeregte Ion auslesen“, erklärt Prof. Köhl.
„Wir konnten dabei messen, welche Polarisationsrichtung das zuvor absorbierte Photon hatte.“ Der Zustand des qDots
kann also gewissermaßen im Ion konserviert werden – theoretisch gelingt das für viele Minuten.
Der Erfolg ist ein bedeutender Schritt auf dem noch langen und steinigen Weg zum Quantencomputer. Langfristig erhoffen
sich Forscher rund um den Globus wahre Wunderdinge von diesem neuen Rechnertypus: Bestimmte Aufgaben wie die Zerlegung
großer Zahlen in ihre Faktoren sollte er spielend bewältigen können. Herkömmliche Computer
beißen sich daran dagegen die Zähne aus. Seine Talente entfaltet der Quantencomputer allerdings nur
bei derartigen Spezialaufgaben: Bei den normalen Grundrechenarten ist er erbärmlich langsam.
Publikation: H. M. Meyer, R. Stockill,
M. Steiner, C. Le Gall, C. Matthiesen, E. Clarke, A. Ludwig, J. Reichel, M. Atatüre, M. Köhl: Direct
photonic coupling of a semiconductor quantum dot and a trapped ion; Physical Review Letters
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