Zentraleuropa profitiert von der
 lockeren Geldpolitik der EZB

 

erstellt am
09. 04. 15
11.00 MEZ

Österreich fällt zurück – Wachstum in Deutschland unterstützt Aufschwung in CE – Rückschläge in Russland nicht nur wegen Konflikt in der Ukraine – ATX-Ziel: 2.650 Punkte bis Ende Juni
Wien (rzb) - „Der Ausblick für die österreichische Wirtschaft bleibt enttäuschend”, sagt Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen RESEARCH, einem Tochterunternehmen der Raiffeisen Bank International AG (RBI), in der „Strategie Österreich & CEE” für das zweite Quartal 2015. „Wir haben die Prognose für 2015 unverändert bei 0,7 Prozent belassen, was rund einen Prozentpunkt unter unserer Wachstumsprognose für Deutschland mit 1,6 Prozent und auch deutlich unter der für die Eurozone mit 1,2 Prozent liegt. Der Hauptgrund, warum Österreich zurückfällt, ist der Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit bedingt durch die steigenden Lohnstückkosten, hohe Bürokratie und Überregulierung sowie die auch nach der Reform im internationalen Vergleich anhaltend hohe Steuerbelastung.“

Ein Blick auf die Leitindikatoren unterstützt Brezinscheks Ausblick. Sowohl der Einkaufsmanagerindex als auch das von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsvertrauen bleiben niedrig, was impliziert, dass die konjunkturelle Dynamik im kommenden Quartal nicht zunehmen wird. Aufgrund des enttäuschenden privaten Konsums und fehlender Investitionstätigkeiten konnten keine Wachstumsimpulse gesetzt werden. Allerdings unterstützen der niedrige Ölpreis und der sinkende Außenwert des Euro die Annahme, dass es zu einer moderaten Erholung kommen könnte. Dennoch hinkt Österreich den meisten Ländern der Eurozone hinterher. Gleichzeitig hatte Österreich 2014 mit 1,5 Prozent eine der höchsten Inflationsraten (Eurozone: 0,4 Prozent) und erwartet auch 2015 eine hohe Teuerungsrate von 0,9 Prozent (Eurozone: 0,1 Prozent). Daher sind die Reallöhne unter Druck, obwohl der niedrige Ölpreis die Inflation dämpft.

„Die kürzlich angekündigte Steuerreform kann nur der erste von vielen notwendigen Schritten sein, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu verbessern. Die Senkungen bei der Einkommensteuer werden zwar ab ihrer Einführung im Jahr 2016 den privaten Konsum beleben, aber ohne Strukturreformen werden die Auswirkungen begrenzt bleiben“, schließt Brezinschek seinen Überblick über die österreichische Wirtschaft ab.

Wachstum in Deutschland unterstützt Aufschwung in CE
Die Unterregionen in Zentral- und Osteuropa (CEE)1 werden sich 2015 weiterhin sehr unterschiedlich entwickeln. Während CE wahrscheinlich mit durchschnittlich 3 Prozent wachsen wird, hinkt die SEE-Region mit einem BIP-Wachstum von voraussichtlich 1,9 Prozent hinterher. Das liegt vorwiegend an der Stagnation in Kroatien und Serbien, wodurch das herausragende Wachstum von 3,0 Prozent in Rumänien überschattet wird. Alle drei Länder der EE-Region, konkret Belarus, Russland und die Ukraine, sehen sich mit einer Rezession konfrontiert.

Neben dem sehr starken Binnenwachstum (privater Konsum und Investitionen) sind für die stabile Performance der CE-Region aber auch die wirtschaftlich engen Verbindungen mit Deutschland verantwortlich. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der CE-Länder unterstützt ihre robusten Leistungsbilanzen, was bedeutet, dass diese Länder nicht von ausländischem Kapital abhängig sind. Tatsächlich haben seit Jahresbeginn die Kapitalströme die Währungen dieser Länder aufgewertet.

Zentraleuropa profitiert von der lockeren Geldpolitik der EZB
Wie schon in den vergangenen Quartalen hat sowohl die fehlende Teuerung als auch die expansive EZB-Politik einigen Notenbanken in Zentraleuropa mehr Zinssenkungsspielraum eröffnet. So hat Polen mit 1,5 Prozent ein neues Leitzinstief erreicht, in Rumänien wird noch ein Rutsch an die 2 Prozent-Marke und in Ungarn näher an 1,5 Prozent erwartet. Damit sollte der Zinssenkungszyklus abgeschlossen sein, weshalb auch kurzzeitig die jeweiligen Währungen etwas von ihren Kursgewinnen zum Euro im ersten Quartal abgeben sollten. Die jüngste Erholung des Rubels wird die russische Notenbank nutzen, um vom deutlich zweistelligen Leitzinsniveau herunterzukommen. Die Analysten von Raiffeisen RESEARCH bleiben jedoch hinsichtlich der Relation Rubel zu US-Dollar mittelfristig skeptisch.

Rückschläge in Russland nicht nur wegen Konflikt in der Ukraine
Wenngleich die negativen Meldungen vom Konflikt zwischen Russland und der Ukraine Ende des ersten Quartals deutlich abgenommen haben, bleibt die militärische Lage in der Ostukraine labil. Beiden Ländern droht 2015 eine Rezession mit einem BIP-Rückgang im Jahresvergleich von rund minus 4 Prozent in Russland und bis zu minus 7 Prozent in der Ukraine.

Laut Brezinschek ist der aktuelle Konflikt mit der Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen der EU und des Westens aber nicht der einzige Grund für die Rückschläge der russischen Wirtschaft. Die Abwertung des flexiblen Rubels höhlt die Kaufkraft der auf Importe angewiesenen Konsumenten aus und wird zu langfristigen Vermögensverlusten führen. Auch ist die Fiskalpolitik weniger antizyklisch als beispielsweise während der Finanzkrise 2009. Damals hatte Russland die öffentlichen Ausgaben um mehr als 6 Prozent des BIP erhöht, während für 2015 eine Kürzung der Ausgaben von 2 Prozent des BIP geplant ist. Generell ist die russische Wirtschaft noch immer zu stark von Öl- und Gasexporten abhängig, während staatseigene Strukturen das System weniger transparent machen und Innovationen aus dem privaten Sektor verlangsamen. Schon vor dem Beginn des Ukrainekonflikts herrschte ein starker Mangel an Investitionen. Anders als in den meisten anderen Gastgeberländern konnten selbst die Olympischen Winterspiele 2014 der russischen Wirtschaft keine Wachstumsimpulse geben.

„In der Ukraine wird das aktuelle Unterstützungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) helfen, die makrofinanzielle Stabilität zu erhalten. Die Implementierungsrisiken sind jedoch sehr hoch, und die zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau des Landes benötigte Gesamtsumme wird wahrscheinlich viel höher sein, als der vom IWF zur Verfügung gestellte Betrag. Wir erwarten, dass in den kommenden Jahren bis zu EUR 100 Milliarden an Investitionen aus dem öffentlichen und privaten Sektor notwendig sein werden“, so Brezinschek.

ATX-Ziel: 2.650 Punkte bis Ende Juni
Die Aktienmärkte in Österreich und CEE zeigten einen starken Jahresbeginn. Der österreichische ATX konnte sich im Zeitraum Januar bis März um 16 Prozent auf über 2.500 Indexpunkte verbessern. Auch der ungarische Leitindex BUX und der russische MICEX-Index legten um über 15 Prozent zu. Für das zweite Quartal bleiben die Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) vor allem aufgrund der positiven Effekte der expansiven Geldpolitik der EZB und einer leichten Verbesserungen der Konjunkturerwartungen optimistisch, rechnen aber durchaus mit einer Verlangsamung der Dynamik. „Bis Ende Juni erwarten wir uns einen Anstieg des ATX auf rund 2.650 Punkte und zum Jahresende auf bis zu 2.700 Punkte“, führt RCB-Chefanalyst Stefan Maxian aus. Aktuell ist der ATX-Index mit einem KGV von rund 15 auf Basis der Gewinnschätzungen für 2015 und rund 12 auf Basis der Gewinnschätzungen für 2016 bewertet.

Das zweite Quartal ist traditionell der Zeitraum, in dem die meisten Unternehmen ihre Dividende ausschütten. Aufgrund des nochmals merklich gesunkenen Zinsniveaus infolge der quantitativen Lockerungsmaßnahmen der EZB sehen die RCB-Analysten Aktien mit hoher Dividendenrendite im Vergleich attraktiv und rechnen grundsätzlich mit einer rascheren Aufholung des Dividendenabschlags. Zusätzlich wird seitens der RCB-Analyse auf Aktien gesetzt, deren Ergebnisentwicklung von der Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro profitiert. Bei den Unternehmen überwiegen deutlich die positiven Effekte steigender Exportumsätze gegenüber den negativen Folgen der US-Dollar-basierten Inputkostensteigerung. „Nach den starken Anstiegen zu Jahresbeginn bewerten wir im zweiten Quartal auch Industriewerte mit defensiven Eigenschaften als interessant“, so Maxian. Im Bankensektor könnten nach der Outperformance der österreichischen und ungarischen Titel im ersten Quartal sowie infolge einer erwarteten Lösung der Schweizer Franken-Kreditproblematik in Polen polnische Finanzwerte wieder verstärkt im Fokus stehen.

1 Zentral- und Osteuropa (CEE) setzt sich aus den Regionen Zentraleuropa (CE) mit der Tschechischen Republik, Polen, der Slowakei, Slowenien und Ungarn, Südosteuropa (SEE) mit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Serbien sowie der Region Osteuropa (EE) mit Belarus, Russland und der Ukraine zusammen.

 

 

 

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