Österreich fällt zurück – Wachstum in Deutschland unterstützt Aufschwung
in CE – Rückschläge in Russland nicht nur wegen Konflikt in der Ukraine – ATX-Ziel: 2.650 Punkte bis
Ende Juni
Wien (rzb) - „Der Ausblick für die österreichische Wirtschaft bleibt enttäuschend”, sagt
Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen RESEARCH, einem Tochterunternehmen der Raiffeisen Bank International
AG (RBI), in der „Strategie Österreich & CEE” für das zweite Quartal 2015. „Wir haben die Prognose
für 2015 unverändert bei 0,7 Prozent belassen, was rund einen Prozentpunkt unter unserer Wachstumsprognose
für Deutschland mit 1,6 Prozent und auch deutlich unter der für die Eurozone mit 1,2 Prozent liegt. Der
Hauptgrund, warum Österreich zurückfällt, ist der Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit bedingt
durch die steigenden Lohnstückkosten, hohe Bürokratie und Überregulierung sowie die auch nach der
Reform im internationalen Vergleich anhaltend hohe Steuerbelastung.“
Ein Blick auf die Leitindikatoren unterstützt Brezinscheks Ausblick. Sowohl der Einkaufsmanagerindex als auch
das von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsvertrauen bleiben niedrig, was impliziert, dass die konjunkturelle
Dynamik im kommenden Quartal nicht zunehmen wird. Aufgrund des enttäuschenden privaten Konsums und fehlender
Investitionstätigkeiten konnten keine Wachstumsimpulse gesetzt werden. Allerdings unterstützen der niedrige
Ölpreis und der sinkende Außenwert des Euro die Annahme, dass es zu einer moderaten Erholung kommen
könnte. Dennoch hinkt Österreich den meisten Ländern der Eurozone hinterher. Gleichzeitig hatte
Österreich 2014 mit 1,5 Prozent eine der höchsten Inflationsraten (Eurozone: 0,4 Prozent) und erwartet
auch 2015 eine hohe Teuerungsrate von 0,9 Prozent (Eurozone: 0,1 Prozent). Daher sind die Reallöhne unter
Druck, obwohl der niedrige Ölpreis die Inflation dämpft.
„Die kürzlich angekündigte Steuerreform kann nur der erste von vielen notwendigen Schritten sein, um
die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu verbessern. Die Senkungen bei der Einkommensteuer
werden zwar ab ihrer Einführung im Jahr 2016 den privaten Konsum beleben, aber ohne Strukturreformen werden
die Auswirkungen begrenzt bleiben“, schließt Brezinschek seinen Überblick über die österreichische
Wirtschaft ab.
Wachstum in Deutschland unterstützt Aufschwung in CE
Die Unterregionen in Zentral- und Osteuropa (CEE)1 werden sich 2015 weiterhin sehr unterschiedlich entwickeln.
Während CE wahrscheinlich mit durchschnittlich 3 Prozent wachsen wird, hinkt die SEE-Region mit einem BIP-Wachstum
von voraussichtlich 1,9 Prozent hinterher. Das liegt vorwiegend an der Stagnation in Kroatien und Serbien, wodurch
das herausragende Wachstum von 3,0 Prozent in Rumänien überschattet wird. Alle drei Länder der EE-Region,
konkret Belarus, Russland und die Ukraine, sehen sich mit einer Rezession konfrontiert.
Neben dem sehr starken Binnenwachstum (privater Konsum und Investitionen) sind für die stabile Performance
der CE-Region aber auch die wirtschaftlich engen Verbindungen mit Deutschland verantwortlich. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit
der CE-Länder unterstützt ihre robusten Leistungsbilanzen, was bedeutet, dass diese Länder nicht
von ausländischem Kapital abhängig sind. Tatsächlich haben seit Jahresbeginn die Kapitalströme
die Währungen dieser Länder aufgewertet.
Zentraleuropa profitiert von der lockeren Geldpolitik der EZB
Wie schon in den vergangenen Quartalen hat sowohl die fehlende Teuerung als auch die expansive EZB-Politik einigen
Notenbanken in Zentraleuropa mehr Zinssenkungsspielraum eröffnet. So hat Polen mit 1,5 Prozent ein neues Leitzinstief
erreicht, in Rumänien wird noch ein Rutsch an die 2 Prozent-Marke und in Ungarn näher an 1,5 Prozent
erwartet. Damit sollte der Zinssenkungszyklus abgeschlossen sein, weshalb auch kurzzeitig die jeweiligen Währungen
etwas von ihren Kursgewinnen zum Euro im ersten Quartal abgeben sollten. Die jüngste Erholung des Rubels wird
die russische Notenbank nutzen, um vom deutlich zweistelligen Leitzinsniveau herunterzukommen. Die Analysten von
Raiffeisen RESEARCH bleiben jedoch hinsichtlich der Relation Rubel zu US-Dollar mittelfristig skeptisch.
Rückschläge in Russland nicht nur wegen Konflikt in der Ukraine
Wenngleich die negativen Meldungen vom Konflikt zwischen Russland und der Ukraine Ende des ersten Quartals deutlich
abgenommen haben, bleibt die militärische Lage in der Ostukraine labil. Beiden Ländern droht 2015 eine
Rezession mit einem BIP-Rückgang im Jahresvergleich von rund minus 4 Prozent in Russland und bis zu minus
7 Prozent in der Ukraine.
Laut Brezinschek ist der aktuelle Konflikt mit der Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen der EU und
des Westens aber nicht der einzige Grund für die Rückschläge der russischen Wirtschaft. Die Abwertung
des flexiblen Rubels höhlt die Kaufkraft der auf Importe angewiesenen Konsumenten aus und wird zu langfristigen
Vermögensverlusten führen. Auch ist die Fiskalpolitik weniger antizyklisch als beispielsweise während
der Finanzkrise 2009. Damals hatte Russland die öffentlichen Ausgaben um mehr als 6 Prozent des BIP erhöht,
während für 2015 eine Kürzung der Ausgaben von 2 Prozent des BIP geplant ist. Generell ist die russische
Wirtschaft noch immer zu stark von Öl- und Gasexporten abhängig, während staatseigene Strukturen
das System weniger transparent machen und Innovationen aus dem privaten Sektor verlangsamen. Schon vor dem Beginn
des Ukrainekonflikts herrschte ein starker Mangel an Investitionen. Anders als in den meisten anderen Gastgeberländern
konnten selbst die Olympischen Winterspiele 2014 der russischen Wirtschaft keine Wachstumsimpulse geben.
„In der Ukraine wird das aktuelle Unterstützungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) helfen,
die makrofinanzielle Stabilität zu erhalten. Die Implementierungsrisiken sind jedoch sehr hoch, und die zur
Stabilisierung und zum Wiederaufbau des Landes benötigte Gesamtsumme wird wahrscheinlich viel höher sein,
als der vom IWF zur Verfügung gestellte Betrag. Wir erwarten, dass in den kommenden Jahren bis zu EUR 100
Milliarden an Investitionen aus dem öffentlichen und privaten Sektor notwendig sein werden“, so Brezinschek.
ATX-Ziel: 2.650 Punkte bis Ende Juni
Die Aktienmärkte in Österreich und CEE zeigten einen starken Jahresbeginn. Der österreichische ATX
konnte sich im Zeitraum Januar bis März um 16 Prozent auf über 2.500 Indexpunkte verbessern. Auch der
ungarische Leitindex BUX und der russische MICEX-Index legten um über 15 Prozent zu. Für das zweite Quartal
bleiben die Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) vor allem aufgrund der positiven Effekte der expansiven Geldpolitik
der EZB und einer leichten Verbesserungen der Konjunkturerwartungen optimistisch, rechnen aber durchaus mit einer
Verlangsamung der Dynamik. „Bis Ende Juni erwarten wir uns einen Anstieg des ATX auf rund 2.650 Punkte und zum
Jahresende auf bis zu 2.700 Punkte“, führt RCB-Chefanalyst Stefan Maxian aus. Aktuell ist der ATX-Index mit
einem KGV von rund 15 auf Basis der Gewinnschätzungen für 2015 und rund 12 auf Basis der Gewinnschätzungen
für 2016 bewertet.
Das zweite Quartal ist traditionell der Zeitraum, in dem die meisten Unternehmen ihre Dividende ausschütten.
Aufgrund des nochmals merklich gesunkenen Zinsniveaus infolge der quantitativen Lockerungsmaßnahmen der EZB
sehen die RCB-Analysten Aktien mit hoher Dividendenrendite im Vergleich attraktiv und rechnen grundsätzlich
mit einer rascheren Aufholung des Dividendenabschlags. Zusätzlich wird seitens der RCB-Analyse auf Aktien
gesetzt, deren Ergebnisentwicklung von der Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro profitiert. Bei den
Unternehmen überwiegen deutlich die positiven Effekte steigender Exportumsätze gegenüber den negativen
Folgen der US-Dollar-basierten Inputkostensteigerung. „Nach den starken Anstiegen zu Jahresbeginn bewerten wir
im zweiten Quartal auch Industriewerte mit defensiven Eigenschaften als interessant“, so Maxian. Im Bankensektor
könnten nach der Outperformance der österreichischen und ungarischen Titel im ersten Quartal sowie infolge
einer erwarteten Lösung der Schweizer Franken-Kreditproblematik in Polen polnische Finanzwerte wieder verstärkt
im Fokus stehen.
1 Zentral- und Osteuropa (CEE) setzt sich aus den Regionen Zentraleuropa (CE)
mit der Tschechischen Republik, Polen, der Slowakei, Slowenien und Ungarn, Südosteuropa (SEE) mit Albanien,
Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Serbien sowie der Region Osteuropa (EE) mit Belarus,
Russland und der Ukraine zusammen.
|