Wien (wifo) - In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik wichtige Schritte zur Verbesserung
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung. Nach wie vor überwiegen
allerdings in Österreich - gemessen an internationalen Vergleichszahlen - die Geldleistungen. Im internationalen
Vergleich unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung als auch das Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich.
Vielfach genießt aber der Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes Priorität, in einigen Ländern gewinnt
auch das Anliegen einer Steigerung der Väterbeteiligung an Bedeutung.
In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik mehrere Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung: die Einführung von nicht übertragbaren
Partnermonaten für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld, die Ergänzung der ursprünglichen Pauschalvarianten
des Kinderbetreuungsgeldes um eine einkommensabhängige Variante mit kurzer Bezugsdauer, die Einführung
einer individuellen Zuverdienstgrenze von 60% der Letzteinkünfte in den Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes,
um eine Teilzeit-Erwerbstätigkeit in der Kleinstkindphase zu ermöglichen, den Ausbau der Betreuungseinrichtungen
vor allem für die unter 3-Jährigen und der schulischen Nachmittagsbetreuung sowie die Einführung
des "Papamonats" im öffentlichen Dienst. Diese Leistungen sollen die Anreize und Rahmenbedingungen
für eine gleichmäßigere Aufteilung der bezahlten wie der unbezahlten Arbeit zwischen Müttern
und Vätern verbessern.
Die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Familien im engeren Sinne stiegen in Österreich seit
Mitte der 2000er-Jahre von 7,9 Mrd. Euro (2006) auf knapp 9,3 Mrd. Euro (2013). Mit 2,9% des BIP entsprachen sie
2013 knapp dem Wert des Jahres 2006 (3%). Bezogen auf die langfristig rückläufige Zahl der Kinder und
Jugendlichen bis 19 Jahre hält seit Mitte der 2000er-Jahre auch die langfristige Tendenz steigender Pro-Kopf-Familienleistungen
an: Von 4.400 Euro pro Kind 2006 stiegen sie bis 2013 auf etwa 5.500 Euro. Dabei wiesen die Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen
pro Kind (unter 6 Jahren) die größte Dynamik auf: Sie verdoppelten sich zwischen 2006 und 2013 fast
auf 3.661 Euro. Dagegen stiegen die gesamten Familienleistungen pro Kind um 25%, die direkten Geldleistungen pro
Kind um 11% und die Steuererleichterungen pro Kind um 17%.
Seit Mitte der 2000er-Jahre verändert sich die Struktur der Familienleistungen merklich. Der Anteil der Ausgaben
für Betreuungseinrichtungen nahm zwischen 2006 und 2013 von 11,2% auf 18,8% der Gesamtausgaben zu. Im Rahmen
der seit 2008 verstärkten Bemühungen zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für
die unter 3-Jährigen werden sich diese Ausgaben mittelfristig weiter erhöhen. Nach der nationalen Erhebungsmethode
waren im letztverfügbaren Jahr 2013 in Österreich laut Statistik Austria 23% der unter 3-Jährigen
in institutioneller Betreuung. Hinzu kommen die knapp 5.100 von Tageseltern zur Verfügung gestellten Betreuungsplätze.
Die gesamte Betreuungsquote betrug daher 25,1%. Damit sind in den letzten Jahren deutliche Fortschritte auf dem
Weg zur Erreichung des Barcelona-Ziels einer Betreuungsquote von 33% für unter 3-Jährige zu verzeichnen.
2007 hatte die Betreuungsquote einschließlich Betreuungsplätzen bei Tageseltern erst 13,9% betragen.
Allerdings überwiegen die monetären Transfers - und hier die direkten Geldleistungen - mit knapp zwei
Dritteln der Gesamtausgaben (2013) immer noch deutlich. Diese Struktur der Familienleistungen unterstützt,
im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen wie etwa den Kinderbetreuungsgeldvarianten mit langer Dauer sowie der
im Durchschnitt deutlich geringeren Entlohnung von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und nicht zuletzt einer ausgeprägten
Skepsis in der Bevölkerung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern,
tendenziell ein Familienmodell, in dem Mütter den größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen
und Väter den größeren Teil der Erwerbsarbeit.
Als ein Element der Steuerreform 2016 wird der 2009 eingeführte Kinderfreibetrag, der zu versteuernde Einkommen
über 11.000 Euro entlastet, von 220 Euro (bzw. 132 Euro pro Elternteil, wenn er von beiden in Anspruch genommen
wird) auf 440 Euro (bzw. 164 Euro pro Elternteil) verdoppelt. Der resultierende Steuerausfall wird auf 100 Mio.
Euro jährlich geschätzt. Die Geldleistungen werden damit - nach der 2014 beschlossenen Erhöhung
der Familienbeihilfe in drei Schritten bis 2018 mit kumulierten budgetären Kosten von 830 Mio. Euro - weiter
ausgeweitet. Gegenüber den zusätzlichen Mitteln von insgesamt 750 Mio. Euro, die zwischen 2014 und 2018
in den Ausbau der Betreuungseinrichtungen sowie die Nachmittagsbetreuung an Schulen fließen sollen, nimmt
sich die Ausweitung der Geldleistungen durch Erhöhung von Familienbeihilfe und Kinderfreibetrag mit insgesamt
kumuliert über 1,1 Mrd. Euro im Zeitraum 2014 bis 2018 relativ umfangreich aus. Eine deutliche Trendwende
der Struktur der Gesamtausgaben für Familienförderung, die in Österreich auch im internationalen
Vergleich insgesamt im oberen Mittelfeld liegen, dabei aber gemessen an wichtigen familienpolitischen Zielen eher
mäßige Ergebnisse erzielen, wird daher mit den jüngsten familienpolitischen Maßnahmen nicht
eingeleitet.
In ausgewählten EU-Ländern, die unterschiedlichen familienpolitischen bzw. wohlfahrtsstaatlichen Modellen
zuzuordnen sind, unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung als auch das Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich:
Deutschland und die Niederlande als Vertreter eines eher konservativen kontinentaleuropäischen Modells, Schweden
und Dänemark als Repräsentanten eines sozialdemokratisch- egalitären Modells und Frankreich mit
einer familialistischen Familienpolitik.
Die traditionell geprägte deutsche Familienpolitik wurde in den letzten Jahren mit dem Ziel der Steigerung
der Frauenerwerbstätigkeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer in einigen
Bereichen grundlegend reformiert. Sie ist jedoch, da die Reformen wesentliche Bereiche aussparten (System der Haushaltsbesteuerung)
bzw. ihre Umsetzung nur mittelfristig möglich ist (Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen versus Betreuungsgeld),
derzeit in sich wohl am wenigsten konsistent. Allerdings werden weiterhin Schritte zur Stärkung der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und zur Erhöhung der Väterbeteiligung (ElterngeldPlus und Flexibilisierung ab Mitte
2015) gesetzt.
Die pronatalistische Familienpolitik Frankreichs zielt auf eine gleichzeitige Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit
und der Fertilität ab. In den Niederlanden setzt die Familienpolitik einerseits stark auf an die Erwerbstätigkeit
gekoppelte monetäre Transfers, andererseits auf sowohl hinsichtlich der Arbeits- als auch der Betreuungszeit
teilzeitorientierte Arbeitsfreistellungsregelungen zur Kinderbetreuung und fördert somit ein Zuverdienermodell.
In Schweden liegt der familienpolitische Fokus auf der Unterstützung der Frauenerwerbstätigkeit durch
Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch auf der Sicherstellung einer gewissen Väterbeteiligung sowie auf
Armutsverringerung durch großzügige monetäre Transfers. Die dänische Familienpolitik forciert
durch kurze Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld bei einer hohen Einkommensersatzrate und gesetzlichem Anspruch
auf institutionelle Kinderbetreuung schon für sehr junge Kinder den schnellen Wiedereinstieg von Eltern in
die Berufstätigkeit; dies ist ein zentrales Charakteristikum des nordischen familienpolitischen Modells. Die
eher schwachen expliziten Anreize zur Erhöhung der Väterbeteiligung teilt Dänemark dagegen mit Frankreich
und den Niederlanden.
In jüngeren Reformen insbesondere der Freistellungsregelungen schlägt sich in einigen Ländern zunehmend
das Anliegen einer Steigerung der Väterbeteiligung nieder: etwa in Frankreich (Einführung nicht übertragbarer
Partnermonate ab dem zweiten Kind), Schweden (Gleichstellungsbonus) oder Deutschland (Partnerschaftsbonus). In
Deutschland und Österreich sind bereits seit einigen Jahren mehrere Monate der Freistellung für den zweiten
Partner reserviert und verfallen, wenn sie nicht in Anspruch genommen werden. Auch die Einführung von einkommensabhängigen
Ersatzleistungen während der Freistellung zur Kinderbetreuung in Deutschland und Österreich, wie es sie
in Dänemark und Schweden schon länger gibt, setzt Anreize für eine intensivere Väterbeteiligung
in der Kleinstkindphase. Nicht zuletzt stehen im Zuge der krisenbedingten Konsolidierungsprogramme, die in den
meisten EU-Ländern seit Anfang der 2010er-Jahre umgesetzt werden, auch die Familienleistungen unter Druck.
Sowohl in Dänemark (seit 2014) als auch in Frankreich (seit 2015) wurde das vormals universelle, einkommensunabhängige
Kindergeld für Eltern mit hohem Einkommen eingeschränkt. Beide Länder gehören damit - wie aktuell
auch Großbritannien - zur kleinen Gruppe von Ländern, die keine universelle einkommensunabhängige
Kindergeldleistung (mehr) gewähren. In den Niederlanden wurden in den vergangenen Jahren Geldleistungen verstärkt
einkommensabhängig gemacht und im Rahmen der jüngsten Reformen 2015 durch die Zusammenlegung von Geldleistungen
vereinfacht und fokussiert. Lediglich in Deutschland werden wie in Österreich neben den Betreuungseinrichtungen
auch die Geldleistungen tendenziell eher ausgebaut, während das mit hohen öffentlichen Kosten verbundene
Ehegattensplitting auch in der jüngsten Budgetkonsolidierungsphase nie zur Diskussion stand. Gleichzeitig
wird in allen hier betrachteten Ländern - die die damit repräsentativ für die große Mehrheit
der EU- bzw. OECD-Länder sein dürften - der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen forciert.
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