Rechnungshofausschuss: Pilotprojekt Freiwilligenmiliz läuft aus
Wien (pk) - Auf der Tagesordnung einer Sitzung des Rechnungshofausschusses, der sich Heeresfragen widmete,
stand am 08.04. auch der Prüfbericht über Personalaspekte der Bundesheerreform (ÖBH 2010). Das Ziel,
den Personalstand von 24.628 Bediensteten (2005) bis 2010 auf 24.400 zu senken und das Verhältnis zwischen
Verwaltung und Truppe von 1,7:1 auf 1:1 zu verbessern, wurde bis 2010 verfehlt, lautete die Kritik des Rechnungshofes
(RH). Obwohl die Streitkräfte halbiert wurden, habe sich das Heeresressort darauf beschränkt, Personal
umzuschichten statt einzusparen, liest man im RH-Bericht. 25.000 Arbeitsplatzwechsel wurden vollzogen und dabei
fast 5 Mio. an Mobilitätszuschüssen geleistet. Die Verwaltung sei dabei nicht gestrafft und die Grundorganisation
nicht verkleinert worden, stellten die Prüfer fest. Im März 2011 zählte das Verteidigungsressort
23.669 Bedienstete, 13.864 statt geplanter 12.200 in der Grundorganisation und 9.805 statt angepeilter 12.200
- bei der Truppe. 2.460 Bedienstete wurden über die Wertigkeit ihres Arbeitsplatzes hinaus entlohnt und 2.059
Bedienstete (8,6 % des Personalstands) waren über Stand beschäftigt, was zusätzliche Personalausgaben
von 66,1 Mio. verursachte. Die Zahl der Offiziere stieg von 2006 bis 2011 um 188 oder 7 %. Bei der Reform von
Zentralstelle und Militärkommanden wurde das Potenzial zur Straffung der Verwaltung nicht ausgeschöpft,
lautete die Kritik der Prüfer aus dem Rechnungshof. Das Zahlenverhältnis Verwaltung:Truppe lag bei 1,4:1
statt wie geplant bei 1:1.
RH-Vorschlag für Soldaten auf Zeit mit Option zum öffentlichen Dienst
Der Rechnungshof empfahl, die Reformen in der Zentralstelle und bei den Militärkommanden zu evaluieren und
Verwaltungspersonal auf Basis von Aufgabenevaluierungen und kritik sowie Personalstandszielen einzusparen. Abläufe
und Schnittstellen zwischen Zentralstelle und nachgeordneten Stellen seien vertieft zu prüfen, die Kosten
von Reformprojekten zu erheben und Projekte an Vorgaben der Regierung anzupassen. Auf nicht systemisierten Arbeitsplätzen
sollte kein Personal aufgenommen werden. Bei Personalaufnahmen sei auf Personal über Stand zurückzugreifen.
Personalüberleitungen sollten verwendungsgruppenkonform erfolgen und Wahrungsbestimmungen restriktiv angewendet
werden. Bei den Abteilungen Personalmarketing und Personal-Provider sollten Synergien genutzt werden. Zu fördern
seien die Mobilität der Bediensteten und ressortübergreifende Transfers sowie die Karrieren weiblicher
Bediensteter. Der Organisationsplan der Militärkommanden sollte korrigiert und die Zahl von Kasernen und Betriebsgebäuden
an die militärischen Erfordernisse anpasst werden. An die geringere Größe der Streitkräfte
anzupassen seien auch die Aufnahmekontingente an beiden Ausbildungsakademien und die Zahl militärischer Führungskräfte.
Einsparen will der Rechnungshof auch bei der Militärmusik und schlägt vor, Personalverwaltung und Personalführung
in eine Sektion zusammenzuführen. Zeitlich befristet aufgenommene Soldaten sollten bei Aufnahmen im öffentlichen
Bereich bevorzugt werden. Schließlich rät der Rechnungshof zu Einsparungen bei den Zulagen. Überstundenleistungen
sollten durch Einsatz von Personal über Stand abgebaut werden.
Abgeordnete für neues Soldaten-Dienstrecht
In der Debatte über den Bericht, dem bei der Abstimmung nur die FPÖ die Zustimmung verweigerte, beklagte
Peter Pilz (G) dass es nicht gelungen sei, eine personelle Umverteilung von der Zentralstelle hin zur Truppe zu
erreichen, wie dies mit der Bundesheerreform 2010 vorgesehen war. Pilz problematisierte insbesondere auch die nach
wie vor große Zahl von Generälen beim Heer. Gravierend sei das fehlende Personalmanagement beim Heer
und die fehlende Überprüfung der Auslastung des Personals, was dazu geführt habe, dass "Leute
zu Hause sitzen und sich weigern, Schulungen zu absolvieren". Hermann Gahr (V) wies demgegenüber auf
Personalumschichtungen sowie auf die Arbeit des Personal-Providers im Ressort hin und interessierte sich für
die aktuellen Entwicklungen. "Das Heer muss seine Struktur an die Budgetlage anpassen", hielt Andrea
Gessl-Ranftl (S) fest und setzte ihre Hoffnungen auf die Umsetzung des Konzepts "Bundesheer 2018". "Fassungslos"
war hingegen Christoph Vavrik (N) angesichts der langen Jahre, in denen die Kritik des Rechnungshofes unbeachtet
blieb, keine Maßnahmen gesetzt und Reformen nicht realisiert wurden. Vavrik drängte, unterstützt
von Georg Vetter (T), auf ein modernes Dienst- und Besoldungsrecht beim Heer. Dieser Forderung schloss sich auch
Reinhard Eugen Bösch (F) vollinhaltlich an. Er übte Kritik an der Arbeit des Personalproviders, verlangte
eine Verjüngung des Heeres und erkundigte sich nach der Erstellung der neuen Organisationspläne. Bösch
registrierte Verunsicherung beim Heer.
Klug sieht Veränderungsbedarf beim Heer
Verteidigungsminister Gerald Klug schickte seinen Ausführungen über die Personalentwicklung beim Bundesheer
voraus, dass sein Ressort im Februar 2009 die Verantwortung für die Sportpolitik übernommen habe, was
zur Eingliederung einer bis dahin im Bundeskanzleramt tätigen Sektion samt Personal geführt habe. Ziel
der Bundesheerreform 2010 sei es nicht gewesen, das Personal des Bundesheeres zu reduzieren, erinnerte Klug, vielmehr
sollte die Einsatzorganisation an die neuen Aufgaben des Heeres angepasst werden. Die budgetären Veränderungen
der letzten Jahre haben ihn im Jahr 2014 veranlasst, das "Konzept 2018" zu erstellen, mit dem Aufgaben
und Ressourcen des Heeres miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Es sieht vor, das personelle Zahlenverhältnis
zwischen Grundorganisation und Truppe, das derzeit 1:1 betrage, in Richtung ein Drittel zu zwei Drittel zu verändern,
die Zentralstelle zu reformieren und die Truppe zu stärken.
Zur Debatte über das Führungspersonal des Heeres das Heer verfügt derzeit über 136 Generäle
warnte Klug vor nicht sachgerechten Vergleichen, problematisierte Unterscheidungen zwischen Grundorganisation
und Truppe, die nicht den Realitäten eines Heeres entsprächen und berichtete zugleich über die Umsetzung
eines Projekts zur Reduzierung der Spitzendienstgrade. Das Ziel für 2018 laute, 700 statt 1000 Personen in
der Zentralstelle zu beschäftigen. Gegenüber dem Jahr 2007 soll die Zahl der Planstellen im gesamten
Ressort von 24.095 auf 21.465 reduziert werden. Zugleich will Klug noch im Jahr 2015 eine Dienstrechtsreform für
ein adäquates Dienstrecht für den Soldatenberuf vorlegen. An dieser Stelle zeigte sich der Ressortleiter
einig mit Abgeordneten, die das bestehende Dienstrecht als unvereinbar mit einer modernen Einsatzorganisation halten.
"Ich sehe Veränderungsbedarf", sagte Klug.
Den Personalprovider im Verteidigungsressort apostrophierte Klug als "AMS im Haus", der gut arbeite und
ein Vorbild geworden sei. 1067 MitarbeiterInnen wurden vermittelt, 632 intern, 435 extern, 901 Personen seien derzeit
noch in Betreuung. "Wir brauchen alle Mitarbeiter", sagte der Minister an dieser Stelle und berichtete
über rasche und optimale Einteilungen von Personen, die im Zuge der Strukturreform für neue Aufgaben
frei werden. Eine gewisse Verunsicherung beim Heer sei durch die öffentliche Diskussion über das Konzept
2018 und den neuen Organisationsplan entstanden, räumte der Minister ein, der auf breite Information der Bediensteten
setzt.
Rechnungshofpräsident Josef Moser wertete die Situation beim Bundesheer als Hinweis darauf, was geschehe,
wenn bei Veränderungsbedarf nicht rechtzeitig reagiert werde. Das sei der Grund für die genannten Verunsicherungen.
Man rede über neue Reformen, bevor noch die Ziele der Reform 2008 umgesetzt wurden. Budgetmittel nehmen ab,
während gleichzeitig verabsäumt werde, notwendige Personalmaßnahmen zu setzen. Die Truppe werde
immer teurer, während die Schlagkraft des Heeres abnehme. Die Entwicklung weiche immer offensichtlicher ab
von Zielsetzungen der Reform und den Zielen der Bundesregierung, so wachse die Verunsicherung weiter. Im Einzelnen
vermisste Moser quantifizierbare Zielsetzungen, Aufgabenkritik und Aufgabenreform, vor allem in der Zentralstelle.
Moser kritisierte zersplitterte Strukturen, die die Steuerung beeinträchtigten, und wies auf die Nichtberücksichtigung
von Vorschlägen des Personalproviders bei Personalaufnahmen hin.
Der Führungsanteil im Landesverteidigungsressort steige weiter und liege doppelt so hoch wie etwa in der Schweiz.
Eine genaue Überprüfung der Umsetzung von Rechnungshofempfehlungen im Heer kündigte Moser in Form
eines Follow-Up-Berichts an. Moser unterstrich seine Empfehlung, ein Zeitmodell auszuarbeiten, um nach italienischem
Vorbild -, zeitverpflichteten Soldaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Heer einen Wechsel in den öffentlichen
Dienst, etwa zur Polizei, zu ermöglichen. Derzeit werden Soldaten in einem großen Ausmaß in die
Grundorganisation des Ressorts übernommen.
Im weiteren Verlauf der Debatte schlug Elmar Mayer (S) vor, das wertvolle Kulturgut Blasmusik nicht nur vom Bundesheer
sondern auch von anderen Ressorts, sowie von Bundesländern fördern zu lassen.
"Wir haben Handlungsbedarf", betonte Klug, erläuterte dem Ausschuss im Detail sein Konzept "ÖBH
2018" und erinnerte daran, dass er mit einem neuen Konzept für die Blasmusik Rechnungshofvorschläge
umgesetzt habe, damit aber auf Widerstand in der Öffentlichkeit stoße. Die Behauptung von Peter Pilz,
beim Bundesheer sei ein "Wasserkopf-Phänomen" zu beobachten, wies Minister Klug ebenso zurück
wie die Behauptung, beim Heer gingen Bedienstete "spazieren". Das Gegenteil sei der Fall, er dränge
mit Erfolg darauf, dass Menschen, die beim Heer neue Aufgaben bekommen, rasch versetzt oder neu eingeteilt werden.
Überdies sei es gelungen, Heeresbedienstete bei der Finanzpolizei im Justiz- und Innenressort, sowie bei Gemeinden,
Ländern und privaten Arbeitgebern zu vermitteln.
Pilotprojekt Freiwilligenmiliz läuft nach Rechnungshofkritik aus
4,4 Mio. betrugen die Personalkosten bei den beiden Pionierkompanien des Bundesheeres, die drei Jahre lang das
Pilotprojekt "Freiwilligenmiliz" durchführten. Der Aufwand war um 4,1 Mio. oder 17mal höher
als bei vergleichbaren Einheiten der herkömmlichen Miliz. Wegen seiner Einschränkung auf Pionierkompanien
ließ das Pilotprojekt nur eingeschränkte Erkenntnisse über Rekrutierungsmöglichkeiten von
Milizsoldaten im Rahmen eines Freiwilligenheeres zu, stellte der Rechnungshof in seinem Bericht ( III-53 d.B.)
fest. Unzureichend seien auch die gesetzlichen Grundlagen des Pilotprojekts gewesen, schreiben die Prüfer.
Als zweckmäßig beurteilte der Rechnungshof das Projektmanagement. Eine Abstimmung mit der Arbeitgeberseite
fehlte allerdings, erfuhren die Abgeordneten.
Der Rechnungshof empfahl, die Finanzierbarkeit des Systems Freiwilligenmiliz unter Berücksichtigung der Mehrausgaben
neuerlich zu beurteilen. Externe Berater sollten nur dort herangezogen werden, wo sie Qualität und Erfolgsaussichten
eines Projekts wesentlich verbessern können. Alle Maßnahmen sollten auf rechtlichen Grundlagen getroffen
werden. Die Zustimmung des Arbeitgebers zur Präsenzdienstleistung von Milizangehörigen wäre im Wehrgesetz
2001 klarer zu regeln. Monatsgeld, Dienstgradzulage, Milizprämie und Pauschalentschädigung für Verdienstentgang
sollten im Heeresgebührengesetz geregelt und der Verwaltungsaufwand mit Tagessätzen reduziert werden.
Dezentrale Eignungsüberprüfungen für die Freiwilligenmiliz sollten den finanziellen und zeitlichen
Aufwand der Interessenten verringern. Die Anerkennungsprämie für Milizsoldaten sollte zeitgerecht ausgezahlt
werden. Die Empfehlung, Frauen die Möglichkeit zur Leistung von Milizübungen zu geben, hat der Nationalrat
zwischenzeitlich realisiert.
An warnende Stimmen vor diesem fehlgeschlagenen Pilotprojekt erinnerte Peter Pilz (G) und fragte, wann das Verteidigungsressort
"endlich davon Abschied nimmt". Auch Reinhard Eugen Bösch (F) sah in dem Pilotprojekt Freiwilligenmiliz
einen kompletten Fehlschlag aus der Zeit des Amtsvorgängers von Bundesminister Klug und drängte seinerseits
auf dessen Beendigung. Böschs Frage lautete, mit welchen Maßnahmen künftig qualifizierte Milizsoldaten
angeworben werden sollen. Andreas Hanger (V) richtete seinen Blick ebenfalls in die Zukunft der Miliz und fragte
nach diesbezüglichen Plänen des Ministers. Mit massiver Kritik an dem vom Rechnungshof dankenswerterweise
sehr detailliert dargestellten Pilotprojekt "ein reines Prestigeprojekt" meldete sich Georg Vetter
(T) zu Wort.
Verteidigungsminister Gerald Klug teilte mit, dass mit dem Projekt keine volle Einsatzbereitschaft bei den beiden
dafür vorgesehenen Pionierkompanien erreicht werden konnten. Die Kosten bezifferte der Ressortleiter mit 1
Mio. jährlich und insgesamt mit 3 Mio. . Das Projekt laufe 2015 aus und werde nicht fortgesetzt, erfuhren
die Abgeordneten. Da sich gezeigt habe, dass Prämienanreize kein Allheilmittel bei der Anwerbung hochqualifizierten
Personals darstellten, sehe das Reformkonzept "Bundesheer 2018" für die Pioniere bessere Ausrüstung,
klarere regionalere Bezüge und Aufgabenzuordnungen sowie eine engere Verschränkung mit der Präsenzorganisation
vor. Die Miliz bleibe integraler Bestandteil des Bundesheeres, versicherte Gerald Klug den Abgeordneten. Der
Bericht wurde einstimmig vertagt.
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