Wiener Erzbischof äußert bei Festgottesdienst zum 70. Jahrestag der ÖVP-Gründung
1945 "ein klares Nein zur Vermischung" von Religion und Politik -Volksvertreter sollen Verantwortung
zur Gestaltung des Landes wahrnehmen
Wien (kap) - Mit einem Gottesdienst und einem Festakt im Wiener Schottenstift feierte die Österreichische
Volkspartei (ÖVP) am 17.04. ihr 70-jähriges Bestehen. Kardinal Christoph Schönborn plädierte
dabei in seiner Festpredigt vor den VP-Spitzen aus Bund und Ländern in der Schottenbasilika für eine
klare Unterscheidung der Sphären Religion und Politik. Gleichzeitig rief er Politiker allgemein dazu auf,
ihre Möglichkeiten zur Gestaltung des Landes zu nutzen und ihre politische Verantwortung wahrzunehmen.
Auch Jesus habe sich der "Urversuchung zum politischen Messianismus" entzogen, erinnerte Schönborn.
"Jeder Versuch einer politischen Religion oder einer religiösen Politik ist gefährlich. Religion
soll Religion bleiben und Politik Politik", betonte der Wiener Erzbischof. Die Unterscheidung von Religion
und Politik sei "das kostbare Ferment, das Jesus und das Christentum in die Welt gebracht haben". Dabei
gehe es nicht um eine "feinsäuberliche Trennung", wohl aber um "ein klares Nein zur Vermischung",
präzisierte der Kardinal.
Grundsätzlich rief Schönborn die Politik auf, ihre Verantwortung für die Gesellschaft anzunehmen.
"Abwarten und sehen - diese Haltung hat vieles für sich und ist manchmal auch richtig", sagte der
Kardinal. "Politik heißt jedoch immer auch Wille zu Gestaltung."
An dem Gottesdienst nahmen neben Bundesparteiobmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner VP-Spitzenpolitiker aus ganz
Österreich teil. Explizit erwähnte Schönborn in seiner Predigt Außenminister Sebastian Kurz.
Ihm dankte der Kardinal für dessen wiederholtes öffentliches Eintreten für verfolgte Christen, u.a.
in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat.
Die ÖVP war am 17. April 1945 in den Räumen des Schottenstifts gegründet worden. Kardinal Schönborn
dankte den Parteiverantwortlichen zu Beginn des Gottesdienstes dafür, dass die Partei den "Mut"
habe, ihr Jubiläum mit einer Messe zu begehen. Die Gründerfiguren der ÖVP seien nach dem "Horror
des NS-Regimes" für "ein demokratisches Österreich, in dem christliche Werte, ein christlich-soziales
Menschen- und Gesellschaftsbild prägend sind" eingetreten, erinnerte Schönborn. Sieben Jahrzehnte
danach sei es "gut und richtig" für "Frieden, Eintracht und Wohlstand" in Österreich
zu danken. Die Messe sei gerade angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage ein Zeichen dafür, "dass
ein gesundes Verhältnis von Kirche und Staat, von Religion und Politik möglich ist".
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