Budgetdienste und Fiskalinstitutionen
 der OECD tagen im Parlament

 

erstellt am
16. 04. 15
11.00 MEZ

Die Krise steigert Nachfrage nach unabhängiger Budgetexpertise
Wien (pk) – Das OECD-Netzwerk der Parlamentarischen Budgetdienste (Parliamentary Budget Offices) und unabhängigen Fiskalinstitutionen (Independent Fiscal Institutions) hält sein 7. Jahrestreffen im Parlament ab. Den Vorsitz der zweitägigen Konferenz, die morgen um 9.00 Uhr im Budgetsaal eröffnet werden wird, führt der Leiter des Parlamentarischen Budgetdienstes in Österreich, Helmut Berger, der die Konferenzteilnehmer aus 35 Staaten am 15.04. im Palais Epstein willkommen hieß. Berger gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass der 2012 eingerichtete, also noch junge österreichische Budgetdienst gemeinsam mit der OECD eine so bedeutende Tagung organisieren könne.

Wie wichtig eigene Analysen und Expertisen als Grundlage für die Budgetpolitik des Parlaments sind und wie sehr sie die Zusammenarbeit der Fraktionen in Zeiten wichtiger Reformen und Entscheidungen zur Konsolidierung des Haushalts unterstützen, betonte der ehemalige Finanzstaatssekretär und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka in seiner Ansprache an die KonferenzteilnehmerInnen. Rechnungshofpräsident Josef Moser sprach auch als Generalsekretär der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) zu den Gästen aus aller Welt. Moser strich die globale Bedeutung der Unabhängigkeit von Rechnungskontrollbehörden, ihrer ausreichenden Ausstattung mit Ressourcen sowie eines einheitlichen Rechnungswesens heraus, wenn es darum gehe, die Transparenz der Staatsfinanzen zu verbessern und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.

Neue globale Herausforderungen für Rechnungskontrolleinrichtungen
Rechnungshofpräsident Josef Moser machte darauf aufmerksam, wie sehr die Finanzkrise die Anforderungen an die Transparenz der Staatsfinanzen, an einen effizienten Einsatz öffentlicher Mittel, an den Kampf gegen Korruption und an die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung, vor allem auch der Staatsfinanzen, erhöht hat. Diese Anforderung haben die Vereinten Nationen in einer Reihe von Dokumenten zum Ausdruck gebracht, unter anderem auch in der globalen Entwicklungsagenda für die Jahre nach 2015, zu der die Stärkung der Kontrollfunktionen in der Gesetzgebung und in der Aufsicht durch oberste Rechnungskontrollbehörden gehören.

Als zentrale Rahmenbedingung für mehr Transparenz in den Staatsfinanzen nannte Josef Moser die Unabhängigkeit oberster Rechnungskontrollbehörden und fiskalischer Aufsichtseinrichtungen. Dazu kommt die Verfügung über notwendige Ressourcen und ein öffentliches Rechnungswesen, das einen Überblick über die tatsächliche finanzielle Situation des Staates bietet. Alle Kontrollorganisationen haben die Verantwortung, Hindernisse auf dem Weg zu größerer Effektivität beim Einsatz öffentlicher Mittel aufzuzeigen, die Rahmenbedingungen der Kontrolle zu verbessern und das Potential ihrer Möglichkeiten auszuschöpfen. Als Schwächen in den Rahmenbedingungen nannte Moser Mängel in der öffentlichen Verwaltung, fehlende Transparenz und Verantwortlichkeiten sowie Mängel im Rechnungswesen. Die Unabhängigkeit der Einrichtungen sei zu stärken, das öffentliche Rechnungswesen durch Harmonisierung der Systeme zu verbessern, die Budgetprozesse zu modernisieren und die finanzielle Situation der Staaten besser darzustellen. Nur so können die obersten Rechnungskontrollbehörden und fiskalischen Aufsichtseinrichtungen die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen und dazu beitragen, durch Aufsicht die Erreichung der Entwicklungsziele und die Aufrechterhaltung finanzieller Nachhaltigkeit sicherzustellen.

Als wichtige Werkzeuge bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit fiskalischer Aufsichtseinrichtungen nannte Präsident Moser das Performance Measurement Framework (PMF), ein Verfahren zur Selbstprüfung der Leistung einer Organisation und das Peer-Review. Bei diesem Bewertungsverfahren durch gleichrangige Einrichtungen gehe es darum, die Einhaltung internationaler Regeln zu prüfen, Stärken und Schwächen sichtbar zu machen, Handlungsbedarf zu orten sowie Lösungsmethoden und Best-practice-Modelle zu erkennen.

Konkret erinnerte Josef Moser an die Ergebnisse des Peer-Reviews beim Österreichischen Rechnungshof, der Handlungsbedarf bei der Information des Parlaments und der Öffentlichkeit ebenso aufgezeigt habe wie Zuständigkeitsgrenzen und rechtliche Hindernisse. Peer Reviews stellen für eine Institution eine bereichernde Erfahrung dar, sie steigern das Verständnis der Mitarbeiter für Reformmaßnahmen, erhöhen die Aufmerksamkeit von Parlament sowie Öffentlichkeit und helfen, die Kapazität der eigenen Organisation zu stärken und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu erhöhen.

Peer-Reviews stärken Rechnungskontrollbehörden
Daher habe er sich als Generalsekretär der INTOSAI dafür eingesetzt, ein weltweites Peer-Review-Projekt zum Thema Unabhängigkeit Oberster Rechnungskontrolleinrichtungen gemeinsam mit der Austrian Development Agency (ADA) zu entwickeln, führte Josef Moser aus. Als Kriterien nannte Moser unter anderem wirkungsvolle rechtliche Grundlagen der Unabhängigkeit, die Unabhängigkeit der Leiter und Mitglieder von Kontrolleinrichtungen, deren ungehinderten Zugang zu Informationen sowie deren Recht und Verpflichtung, über die Arbeit der Regierung zu berichten. Dabei müssen sie frei darin sein, Zeitpunkt und Inhalt ihrer Prüfungen selbst zu bestimmen und deren Ergebnisse zu publizieren. Unabhängige Kontrolleinrichtungen müssen auch über Follow-up-Mechanismen sowie über finanzielle und administrative Selbstständigkeit und ausreichende Ressourcen verfügen, hielt Rechnungshofpräsident Josef Moser fest.

Zahl und Bedeutung von Budgetdiensten und Fiskalräten nimmt zu
Der Vorsitzende der Tagung, der Leiter des Parlamentarischen Budgetdienstes in Österreich, Helmut Berger, wird die für zwei Tage anberaumten Beratungen morgen Donnerstag, um 9.00 Uhr im Budgetsaal eröffnen. Die Eröffnungsansprache hält der ehemalige Finanzstaatssekretär und SPÖ-Abgeordnete Christoph Matznetter. Unter seinem Vorsitz wird die Tagung ihr erstes Thema "Neue Institutionen" diskutieren. Andrus Alber (Estland), Eckhard Janeba (Deutschland), Romain Bausch (Luxembourg) und Susan Rice (Schottland) berichten über die Einrichtung unabhängiger Fiskalinstitutionen in ihren Ländern.

Das zweite Thema morgen Vormittag lautet "Erste Evaluierungen unabhängiger Fiskalinstitutionen". Phil Bowen (Australien), Robert Chote (Großbritannien) und John McHale (Irland) informieren über Form, Zeitablauf, Kosten und Ergebnisse externer Evaluierungen der Budgetdienste Australiens und Großbritanniens und über die derzeit in Irland laufende Überprüfung. Die Beratungen über diesen Themenblock wird Wim Suyker (Niederlande) leiten.

Morgen Nachmittag werden unter dem Vorsitz von Robert Chote (Großbritannien) die Diskussionen der letztjährigen Tagung über die "Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für die Evaluierung der Leistungen unabhängiger Fiskalinstitutionen" fortgesetzt. Inhaltlicher Input kommt von Kevin Page (Kanada).

Wirkungsorientierung – neues Instrument der Budgetpolitik
Danach richten die TagungsteilnehmerInnen ihren Blick unter dem Vorsitz von Friederike Schwarzendorfer (Österreich) auf "Wirkungsorientierung und Parlamentarische Kontrolle". Anhand österreichischer und schottischer Erfahrungen werden die Effekte der Wirkungsorientierung auf die parlamentarische Kontrolle der öffentlichen Finanzen, insbesondere auf die Ausschussarbeit, sowie auf die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative untersucht. Die Referate halten Joachim Wehner (London School of Economics and Political Science), Helmut Berger (Österreich) und Simon Wakefield (Schottland).

Eine weitere Beratung zum Thema "Wirkungsorientierung und Parlamentarische Kontrolle" unter dem Vorsitz von Kristina Fuchs (Österreich) gilt Erfahrungen mit dem Einsatz von Wirkungsinformationen auf Entscheidungen über Konsolidierungsmaßnahmen. Eine Analyse dazu liefert Mostafa Askari (Kanada).

Für Donnerstagabend ist ein Meinungsaustausch der KonferenzteilnehmerInnen mit Mitgliedern des Budgetausschusses des Nationalrates vorgesehen.

Budgetcontrolling - Parlamente brauchen Informationen und Daten
Am zweiten Konferenztag, dem 17. April 2015, wird Robert Chote (Großbritannien) Beratungen über "Beziehungen zu anderen öffentlichen Institutionen" leiten. Dabei geht es um den Zugang zu Informationen und Daten, um Kommunikationsstrategien der Budgetdienste und Fiskalräte mit Finanz- und anderen Ministerien sowie mit Zentralbanken und obersten Rechnungskontrollbehördenen. Expertisen dazu werden José Luis Escriva (Spanien), Ludovit Ódor (Slowakei), Junki Kim (Korea), Pete Fontaine (USA) präsentieren.

Budgetkonsolidierung - guter ökonomischer Rat ist gefragt
Unter dem Titel "Staatsschulden und fiskalpolitische Rahmenbedingungen" wird sich die Konferenz am Freitag auch mit der krisenbedingen Zunahme der Staatsschulden in den meisten OECD-Ländern und mit der Frage befassen, welche Schuldenziele Staaten klugerweise anstreben sollten. Dabei geht es um Anpassungen an konjunkturelle Schwankungen, um die Notwendigkeit, finanzielle Spielräume für Reaktionen auf künftige Schocks zu schaffen sowie um Rücksichtnahme auf Besonderheiten der verschiedenen Länder. Auch die "Konsolidierungsmüdigkeit" vieler Staaten und die Rolle unabhängiger Fiskalinstitutionen bei deren Überwindung kommen zur Sprache. Den Vorsitz über die Beratungen zu diesem Thema führt der Präsident des österreichischen Fiskalrates, Bernhard Felderer. Referieren werden Christian Kastrop (OECD) und Xavier Debrun (IWF).

Mittelfristige Haushaltsplanung und ihre Kontrolle
Dann steht das Thema "Unabhängige Fiskalinstitutionen und mittelfristige Haushalspläne" auf dem Programm. Es soll geprüft werden, welchen Beitrag Parlamentarische Budgetdienste und unabhängige Fiskalinstitutionen leisten können, damit Staaten ihre mittelfristigen Budgetziele besser erreichen, etwa jene, die die EU-Länder miteinander vereinbart haben. In welchem Ausmaß nützt die Politik die Analysen der Budgetdienste? Was können Budgetdienste und unabhängige Fiskalinstitutionen tun, um den politischen Einfluss ihrer Analysen zu verstärken?, lauten konkrete Fragen. Antworten darauf suchen die KonferenzteilnehmerInnen unter dem Vorsitz von Phil Bowen (Australien). Es sprechen Bernhard Felderer (Österreich), Pete Fontaine (USA), Wim Suyker (Niederlande) und John McHale (Irland).

Am Freitagnachmittag befasst sich die OECD-Tagung mit der Entwicklung von "Beurteilungsgrundsätzen für unabhängige Fiskalinstitutionen in der Europäischen Union" und dabei mit gemeinsamen Leitsätze für den Umgang mit mehrdeutigen Regelungen, nationalen Schuldenzielen, erheblichen Abweichungen von Fiskalregeln, Einmalmaßnahmen und mit Eventualverbindlichkeiten. Unter dem Vorsitz von François Monier (Frankreich) werden Carlos Marinheiro (Portugal) und Michal Horvath (Slowakei) referieren.

Abschließend stehen Berichte von Schwester-Netzwerken auf dem Programm der Konferenz. Unter dem Vorsitz von Helmut Berger (Österreich) wird Romulo Emmanuel Jr. Miral (Philippinen) über das globale Netzwerk parlamentarischer Budgetdienste der Weltbank sprechen. Larry Honeysett (Großbritannien) wird das britische Interparlamentarische Finanz-Informationsnetzwerk vorstellen. Aktuelle und künftige OECD-Projekte auf dem Gebiet der Finanz- und Budgetpolitik wird Jón Blondäl (OECD) den KonferenzteilnehmerInnen erläutern.

Im Anschluss an den offiziellen Schluss der Konferenz, der für Freitag um 16 Uhr anberaumt ist, wird unter der Leitung von Michal Horvath (Slowakei) noch ein Treffen Unabhängiger Fiskalinstitutionen in der EU zum Thema "Arbeitsgrundsätze für Unabhängige Fiskalinstitutionen in der Europäischen Union" stattfinden.

 

 

 

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