"Transit. Die Iraner in Wien."

 

erstellt am
14. 04. 15
11.00 MEZ

Fotografien von Christine de Grancy" – Neue Ausstellung im Jüdischen Museum Wien
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Unternehmen der Wien Holding, zeigt ab 15. April Fotografien von Christine de Grancy in der neuen Ausstellung "Transit. Die Iraner in Wien. Fotografien von Christine de Grancy". Darin dokumentiert die Fotografin die verborgene Welt der iranischen Jüdinnen und Juden in Wien zwischen 1991 und 1993. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet das Prinzip der "Zedaka", der hebräische Begriff für Wohltätigkeit.

Einblick in eine atemberaubende Welt
In den Jahren nach der Islamischen Revolution im Iran 1979, die zu Verfolgung, Vertreibung und Unterdrückung der im Iran lebenden Jüdinnen und Juden führte, wurden diese über geheime Wege aus dem Land geschleust. Wien bildete für viele von ihnen eine Transitstation auf ihrem Weg in die USA oder nach Israel. Als religiöse und soziale Anlaufstelle diente die Synagoge in der Großen Schiffgasse 8 in 1020 Wien, auch bekannt als "Schiffschul". Der dort wirkende Rabbiner Schmuel Ernst Pressburger (1918 - 1993) und sein Sohn Michoel Pressburger nahmen sich des Schicksals der verfolgten und vertriebenen iranischen Jüdinnen und Juden an. Sie gaben ihnen vor ihrer geplanten Weiterreise ein kurzzeitiges Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Die iranischen Juden erlebten die "Schiffschul" als einen Ort der Nächstenliebe und Wohltätigkeit. Die Fotografin Christine de Grancy bekam in den Jahren 1991 bis 1993 Zugang in diese verborgene und atemberaubende Welt und dokumentierte hier das Leben der iranischen Juden in Wien und somit die Arbeit des Rabbiner Pressburger und seines Sohnes. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet ein im Judentum tief verankertes Prinzip: Die Zedaka, der hebräische Begriff für Wohltätigkeit, ist eine der ältesten Grundregeln des Judentums und geprägt von sozialem Engagement und Zivilcourage. Sie gilt als Zeichen der inneren Verbundenheit zwischen Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt.

Im Rahmen der Ausstellung im Jüdischen Museum Wien schwebt ein Großteil der präsentierten Fotografien in der Mitte des Raumes an einem Seil, wie kostbare, zum Trocknen aufgehängte Wäschestücke. Die BesucherInnen sind eingeladen, die Bilder, die zum Teil auch mit Notizen versehen sind, zu berühren, in diesen zu blättern und so in die Geschichte der "Iraner in Wien" einzutauchen.

Jüdische Gemeinden im Iran im Verlauf der Geschichte
Bereits seit der Antike bildeten sich im Iran bedeutende jüdische Diaspora-Gemeinden. Religiöse Toleranz, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Austausch waren nicht selbstverständlich und oft hart erkämpft. Mit der arabisch-islamischen Eroberung des Iran im Jahr 642 wurde die Region in das muslimische Kalifat integriert. Als anerkannte religiöse Minderheit mussten Jüdinnen und Juden zwar spezielle Steuern entrichten und unter einigen Einschränkungen leben, aber sie erhielten im Gegenzug dazu einen gewissen Grad an religiöser und kultureller Autonomie. Das Leben zwischen Muslimen und Juden war lange Zeit von kulturellem Austausch geprägt. Die Zeit der Hochblüte der Jüdinnen und Juden im Iran endete mit der Invasion der Mongolen im 13. Jahrhundert. Unter der Herrschaft der Safawiden im 16. Jahrhundert wurde der schiitische Islam zur Staatsreligion, was sich auf alle religiösen Minderheiten im Land negativ auswirkte und zu massiver religiöser Unterdrückung und Verfolgung führte.

Bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts wurden die jüdischen Gemeinden Opfer von diskriminierenden Gesetzgebungen, die von antisemitischen und gewalttätigen Ausschreitungen begleitet waren. Der Blick der iranisch-jüdischen Gemeinden begann sich Richtung Westen zu wenden. Erst unter persischer Herrschaft ab 1925 florierte das jüdische Leben im Iran wieder. Die Trennung von Politik und Religion führte zu einer Verbesserung der Stellung der Frau und auch der religiösen Minderheiten. Bis zur Revolution 1979 war es den iranischen Jüdinnen und Juden möglich, in einer bis dahin nie da gewesenen Weise religiöse und soziale Freiheiten zu genießen. Oppositionelle Gedanken gewannen jedoch an Überhand und die immer stärker werdende Zuwendung zur islamischen Kultur führte 1979 zur Islamischen Revolution mit fatalen Folgen für die jüdischen Gemeinden des Landes.

Viele wollten sich einer erneuten Unterdrückung nicht beugen und mussten damit ihre Heimat Iran verlassen. Im Westen erhoffte man sich ein besseres Leben, fern von religiösen, sozialen oder wirtschaftlichen Einschränkungen. Mit Hilfe von jüdischen Hilfsorganisation, wie dem Joint (American Jewish Joint Distribution Committee) oder HIAS (Hebrew Immigrant Aid Society) konnten die Flüchtlinge aus dem Iran ausreisen und über Österreich in die USA weiterreisen. Während 1979 etwa 85.000 bis 100.000 Jüdinnen und Juden im Iran lebten, belaufen sich heutige Schätzungen auf nur mehr etwa 10.000 bis 20.000.

Zur Fotografin Christine de Grancy
Christine de Grancy wurde 1942 in Brünn (Tschechien) geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Keramikerin und Grafikerin an der Kunstgewerbeschule in Graz. Sie lebt seit 1963 in Wien und arbeitete über Jahre als Grafikerin und Art-Direktorin in Werbeagenturen. Seit 1965 ist sie als Fotografin tätig. Ihre Fotografien wurden in einer Vielzahl von Journalen, Bildbänden und Ausstellungen veröffentlicht. Hierfür erhielt Christine de Grancy zahlreiche Auszeichnungen im In-und Ausland.

Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog im Metro Verlag (ISBN 978-3-99300-219-0) zum Preis von EUR 22, der ab sofort im Bookshop des Museums und im Buchhandel erhältlich ist.

Die von Dan Fischman kuratierte Ausstellung "Transit. Die Iraner in Wien. Fotografien von Christine de Grancy" ist von 15. April bis 20. September 2015 im Jüdischen Museum Wien, einem Museum der Wien Holding, zu sehen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.jmw.at

 

 

 

 

 

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