Naturschutzgebiete überwacht man jetzt im Flug

 

erstellt am
14. 04. 15
11.00 MEZ

Europas Naturschutzgebiete sollen ökologisch gesund bleiben. Bisher waren die riesengroßen geschützten Gebiete kaum zu überwachen, nun gelingt das mit Lasertechnik, Flugzeugen und Algorithmen der TU Wien.
Wien (tu) - Eine Gegend zum Naturschutzgebiet zu erklären nützt noch nicht viel. Man muss den ökologischen Zustand des Areals auch regelmäßig kontrollieren. Allerdings machen Naturschutzgebiete mittlerweile beinahe ein Fünftel der Fläche der Europäischen Union aus. Eine derart große Fläche kann nicht ständig durch Feldbegehungen inspiziert werden, daher entwickelt man nun Methoden, Europas Naturschutzgebiete vom Flugzeug aus zu untersuchen. Kurze Laserpulse werden punktgenau zu Boden geschickt, aus dem reflektierten Licht lassen sich mit ausgetüftelten Computeralgorithmen der TU Wien Aussagen über den Zustand der Lebensräume berechnen.

Laserscan aus dem Flugzeug
„Zumindest alle sechs Jahre muss nach den Regeln des EU-Naturschutz-Netzwerks Natura 2000 jedes Naturschutzgebiet untersucht werden“, sagt Prof. Norbert Pfeifer vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien. „Das lässt sich nur mit Hilfe von luftgestützter Datenaufnahme erreichen.“ In 500 bis 2000 Metern Höhe überfliegen Flugzeuge das Gelände und scannen mit Infrarot-Laserstrahlen einen 300 bis 800 Meter breiten Streifen ab. Ungefähr zehn Punkte pro Quadratmeter werden von den Laserpulsen abgetastet, jeder Puls dauert nur einige Nanosekunden (Milliardstelsekunden).

Eine halbe Million dieser Pulse sendet das Flugzeug jede Sekunde zu Boden, sie werden reflektiert und kehren zum Flugzeug zurück. Aus der Laufzeit der einzelnen Laserpulse kann man Punkt für Punkt den Abstand zwischen Flugzeug und Boden berechnen und eine detaillierte 3D-Karte der Landschaft erstellen.

Spezial-Software erkennt Strukturen
„Unser Team entwickelte eine Klassifikations-Software, die aus diesen Daten errechnen kann, um welche Art von Vegetation es sich handelt“, erklärt Norbert Pfeifer. Auch störende Faktoren wie Feldwege können dabei erkannt werden.

Die 3D-Karte, die durch die Laserpulse erstellt wird, liefert weitaus mehr Information als man aus einem simplen Luft-Foto bekommen könnte. Scannt man etwa einen Wald, dann werden nicht alle Strahlen von den obersten Baumkronen reflektiert, auch die darunterliegenden Schichten des Waldes werden sichtbar. Ein ökologisch intakter Wald besteht nicht nur aus Bäumen, sondern auch aus Strauch- und Krautschicht. Ob der Wald dieses Schichtsystem aufweist, kann automatisch aus den Daten berechnet werden.

„Wenn man bisher versuchte, aus Fernerkundungs-Daten ökologische Aussagen über ein Gebiet abzuleiten, hat man dabei nur einige ganz bestimmte Variablen erhoben, die mit den Sensordaten auf einfache Weise gemessen werden können“, sagt Norbert Pfeifer. „Unser Ansatz ist ein ganz anderer: Wir errechnen aus unseren Daten Parameter, die auch von Menschen bei einer Feldbegehung erhoben werden.“ Damit erfüllt das Ergebnis des Laser-Scans die Vorgaben des EU-Naturschutzgebiet-Netzwerks und lässt sich direkt mit von Menschen erhobenen früheren Daten vergleichen. Doch angesichts der neuen Datenerhebungsmethoden könnte man auch noch einen Schritt weitergehen: „Wir glauben, dass man eine noch viel bessere Beschreibung der Biodiversität erhalten kann, wenn man nicht die menschlichen Feldbegehungsparameter mit luftgestützten Methoden nachempfindet, sondern neue Parameter definiert, die aus der Luft noch besser bestimmt werden können“, meint Pfeifer.

Übereinstimmung zwischen Mensch und Computer
Getestet wurden die neuen Computeralgorithmen im Naturschutzgebiet Ágota-puszta, Püspökladány (Ungarn), das ein sehr feines Mosaik von Salzwiesen, Lössgrasländern und Feuchtwiesen aufweist. Ein Teil der Daten wurde verwendet um die Algorithmen anzupassen, der andere Teil um die Algorithmen zu validieren. „Zwischen unseren Daten und von Menschen erhobenen Parametern erreichten wir eine Übereinstimmung von 80 bis 90%“, sagt Norbert Pfeifer. „Das ist ein großer Erfolg. Es entspricht etwa dem Grad an Übereinstimmung, der auch zu erwarten ist, wenn dieselbe Region von unterschiedlichen Personen untersucht wird.“

„Die Studie ist ein wichtiger Schritt nach vorne, der die Lücke zwischen der Fernerkundungs-Community und der Ökologie-Community schließt“, sagt András Zlinszky (Centre for Ecological Research, Ungarn). Die Möglichkeiten der Fernerkundung mit Laserpulsen sind so vielfältig, dass die Daten auch für unterschiedliche regionale Anforderungen genutzt werden können.

Die Forschungsergebnisse wurden im Rahmen des EU-geförderten Projektes ChangeHabitats2, http://www.changehabitats.eu gewonnen.

Die Studie über die neue Fernerkundungsmethode wurde nun im Fachjournal „Remote Sensing“ publiziert.

 

 

 

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