Österreichweite Studie ermittelte Toleranz gegenüber Homosexualität, Religionen,
ethnischer Herkunft und Hautfarbe, Behinderung. – 1.000 Befragte
Wien (skills) - Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Befreiung vom nationalsozialistischen
Regime hat das Mauthausen Komitee Österreich erhoben, wie es heute um die Toleranz in unserem Land bestellt
ist. "Toleranz ist ein Gradmesser dafür, wie entwickelt eine Gesellschaft ist. Je toleranter Menschen
sind, desto weniger sind sie empfänglich für autoritäre Handlungsmuster – und umgekehrt“, so der
Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, Willi Mernyi, zum Hintergrund der Studie.
Das Meinungsforschungsinstitut meinungsraum.at hat dazu 1.000 Österreicherinnen und Österreicher zu
heiklen Toleranzthemen befragt – gegliedert in die Bereiche Sexualität, ethnische Herkunft und Hautfarbe,
Religion, Geschlecht und Behinderung.
Insgesamt stellt die Studie den Österreicherinnen und Österreichern bei Toleranz ein gutes Zeugnis aus:
Die Österreicher/innen sind toleranter, als viele Menschen glauben. So hätten beispielsweise drei von
vier Landsleuten (72 %) kein Problem damit, wenn eine Frau aus der eigenen Familie einen Schwarzafrikaner heiratet.
Ebenso sind Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehe von drei Viertel der Bevölkerung akzeptiert
– auch im eigenen Familienkreis. Nur rund ein Viertel der Bevölkerung ist bei vielen dieser Themen eindeutig
auf der Seite der Intoleranz.
Einzig beim Thema Religion zeigt sich eine deutliche Mehrheit intolerant – insbesondere gegenüber Muslimen:
So hätten etwa zwei Drittel der Österreicher/innen (65 %) ein Problem damit, wenn jemand aus der Familie
zum Islam übertreten will.
Eine große Kluft besteht zwischen Selbstbild und Fremdbild: Die Österreicher/innen schätzen sich
selbst als sehr tolerant ein (72 %), bewerten die Mehrheit ihrer Landsleute aber als intolerant (60 %).
"Österreich wird toleranter, und das ist eine gute Nachricht. Die Studie zeigt dass die unermüdliche
Aufklärungsarbeit vieler Menschen und Institutionen Früchte getragen hat, etwa bei Toleranz gegenüber
Homosexualität oder Menschen mit Migrationshintergrund. Aufholbedarf gibt es dagegen noch bei der Toleranz
gegenüber den Religionen. In diesem Bereich müssen wir dafür sorgen, dass radikale Strömungen
und Diskriminierung keine Chance haben", so Mernyi.
Die Ergebnisse im Detail: Homosexualität wird in Österreich in der Regel tolerier
Die Studienergebnisse zeigen, dass nur 22 Prozent der Österreicher/innen ein Problem damit haben, wenn jemand
aus der eigenen Familie sich zur Homosexualität bekennt. Sogar die Ehe von Homosexuellen im eigenen Familienkreis
ist gesellschaftlich akzeptiert: Drei von vier Österreicher/innen (77 %) würden sich nicht daran stoßen,
wenn eine Frau aus der eigenen Familie eine andere Frau heiratet, 71 Prozent hätten kein Problem damit, wenn
ein Mann aus dem eigenen Familienkreis einen anderen Mann heiratet. Auch die Adoption von Kindern durch Homosexuelle
ist schon innerhalb der Toleranzgrenze: Eine deutliche Mehrheit (59 %) stört das nicht. Aus aktuellem Anlass
wurde auch abgefragt, was die Österreicherinnen und Österreicher darüber denken, wenn sich zwei
lesbische Frauen im Lokal küssen: Auch das gehört für rund drei Viertel (72 %) der Österreicher/innen
bereits zur Normalität.
Ethnische Herkunft und Hautfarbe in vielen Situationen keine Thema
82 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben kein Problem damit, wenn der Zahnarzt, der sie
behandeln soll, Schwarzafrikaner wäre. Ebenso sehen es etwa mehr als drei Viertel der heimischen Bevölkerung
(79 %) gelassen, wenn sie im Spital von einem Arzt türkischer Herkunft operiert würden. Studienleiterin
von meinungsraum.at Christina Matzka: "Ein interessanter Aspekt ist, dass hier auch über 80 Prozent der
Generation 60 plus kein Problem damit haben, von einem Zahnarzt mit schwarzafrikanischen Wurzeln (83 %) oder Arzt
mit türkischer Herkunft (82 %) behandelt zu werden."
Knapp drei Viertel der Befragten in Österreich (73 %) haben auch kein Problem damit, von einem Araber ein
Gebrauchtauto zu kaufen und mehr als die Hälfte (58 %) stört es nicht, wenn die Verkäuferin im Geschäft
ein Kopftuch trägt.
Österreichs Toleranzgrenze verläuft beim Thema Religion
Die größten Probleme haben die Österreicher/innen mit der Religionsausübung anderer Menschen:
So finden es mehr als die Hälfte (65 %) problematisch, wenn jemand aus der Familie zum Islam übertreten
will, ebenso würde es 64 Prozent stören, wenn in der Nachbarschaft eine Moschee gebaut würde. "Hier
fließen natürlich die aktuellen Konflikte um radikale Islamisten ein", erklärt Studienleiterin
Christina Matzka von meinungsraum.at. Intoleranz ist aber auch gegenüber anderen Religionen vorhanden: So
hätten 4 von 10 Österreicher/innen (42 %) ein Problem mit der Errichtung eines Buddhistischen Zentrums
in der Nachbarschaft. Dazu der MKÖ-Vorsitzende Willi Mernyi: "Wir orten in Österreich eine massiv
negative Stimmung gegenüber einzelnen Religionen. Das ist eine sehr besorgniserregende Entwicklung, der man
mit Maßnahmen entgegentreten muss. Hier hat Österreich definitiv Aufholbedarf."
Geschlecht und Behinderung in Toleranz-Fragen nicht (mehr) relevant
Absolut eindeutig fielen die Antworten zu den Themen Geschlecht und Behinderung aus: 94 Prozent in Österreich
stört es nicht, wenn sie in der Schule oder in der Arbeit eine Kollegin oder einen Kollegen im Rollstuhl bekommen
würden. Und 90 Prozent sowohl der Frauen als auch der Männer in Österreich haben kein Problem damit,
eine Frau als Chefin zu bekommen. Dazu Christina Matzka: "Bei diesem Thema sieht man, dass viele Aufklärungskampagnen
und gute Vorbilder gegriffen haben und – zumindest in den Köpfen der Menschen – die volle Akzeptanz von Menschen
mit Beeinträchtigungen sowie Gleichstellung der Frauen immer mehr zur Selbstverständlichkeit geworden
sind."
Junge und Frauen sind toleranter als Männer mittleren Alters
Frauen sind signifikant toleranter als Männer bei allen abgefragten Themen, auch beim Kopftuch. Besonders
junge Menschen (14 bis 29 Jahre) und Pensionist/innen (60 plus) zeichnen sich in einigen Bereichen durch hohe Toleranz
aus. Eine Ausnahme bei den älteren Menschen ist die Homosexualität: Hier sind ältere Menschen intoleranter
als der Durchschnitt.
Berufstätige Männer sind deutlich intoleranter als der Durchschnitt. Christina Matzka führt dieses
Denken auf die Lebensumstände, in denen sich die Menschen befinden, zurück: "Wer im Berufsleben
gestresst ist, Angst vor Arbeitsplatzverlust hat und unter Druck steht, der ist häufig intoleranter. Junge
dagegen sind aufgeschlossener und unbekümmerter, Pensionisten bereits entspannter und gelassener."
Studie "Toleranz in Österreich – eine Bestandsaufnahme"
Zur Ermittlung der Toleranzgrenze wurden mehrere gesellschaftliche Bereiche untersucht, in denen Toleranz ein Thema
ist: Homosexualität, Hautfarbe und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion sowie Behinderung. 1.000 Österreicherinnen
und Österreicher wurden repräsentativ für die Gesamtbevölkerung befragt. Die Umfrage wurde
von meinungsraum.at im Auftrag des Mauthausen Komitees im April 2015 durchgeführt.
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