Anfragebesprechung im Nationalrat über Aussagen von Minister Kurz zum Thema Bildung und
Migration
Wien (pk) - "Der durchschnittliche Zuwanderer von heute ist gebildeter als der durchschnittliche Österreicher".
Diese in den Medien zitierte Aussage von Sebastian Kurz sorgte für heftige Irritation bei der FPÖ und
war am 23.04. Anlass für eine parlamentarische Anfrage, in der Bildungssprecher Walter Rosenkranz den Integrationsminister
um Klarstellung ersuchte. Mit dem Verweis des Ressortleiters in seiner Beantwortung auf die Daten der Statistik
Austria und eine entsprechende Studie von Professor Rainer Münz wollten sich die Freiheitlichen nicht zufrieden
geben und warfen Kurz in der heutigen Nationalratssitzung einen selektiven Umgang mit den Zahlen der Statistik
vor. Der Minister hingegen erklärte das höhere Bildungsniveau mit dem vermehrten Zuzug von Studierenden
aus dem EU-Raum und meinte, die Daten sollten eigentlich Anlass zu Freude geben.
FPÖ wirft Kurz Schönfärben der Statistik vor
Durch Schönfärben der Statistik werde das Bild verzerrt, kritisierte Walter Rosenkranz (F). So würden
ausländische Studierende aus EU-Staaten, die ja nicht gerade klassische ZuwanderInnen sind, ebenso mitgezählt
wie Österreicher, die nach einem Auslandsaufenthalt wieder in ihre Heimat zurückkehren. Allein dies sei
der Grund für das von Kurz behauptete höhere Qualifikationsniveau der ZuwanderInnen, gab er zu bedenken
und erinnerte überdies an den Umstand, dass bei den typischen MigrantInnen aus Ex-Jugoslawien und der Türkei
die Akademikerquote mit rund 5 % weit unter dem Durchschnitt liegt. Dagmar Belakowitsch-Jenewein pflichtete ihrem
Fraktionskollegen bei und sprach vor allem das niedrige Bildungsniveau in der zweiten Generation der GastarbeiterInnen
an. Kurz rechne Bildungsprobleme unter den Migranten mit Studierenden aus EU-Staaten auf, konstatierte sie. Dabei
zeige doch schon ein Blick auf die Arbeitslosenrate unter den AusländerInnen, dass die Zahlen der Statistik
nicht zusammenpassen. 60 % der MigrantInnen verfügen jedenfalls nur über einen Pflichtschulabschluss.
Warum müssen denn so viele Alphabetisierungskurse für ZuwanderInnen abgehalten werden, wenn, wie Kurz
behauptet, alle MigrantInnen in Österreich so gut qualifiziert sind, fragte Belakowitsch-Jenewein in den Raum.
Kurz: Gutes Ausbildungsniveau Grund zur Freude
Die Zuwanderungsdebatte brauche weder linke Träumereien auf der einen noch rechte Hetze auf der anderen Seite,
sondern Sachlichkeit, schickte Integrationsminister Sebastian Kurz voraus. Faktum sei, dass sich die Zuwanderung
in den letzten Jahrzehnten sehr stark verändert hat. Während früher zahlreiche GastarbeiterInnen
mit niedrigem Bildungsniveau nach Österreich kamen, stammt heute der Großteil der ZuwanderInnen aus
EU-Staaten und hat ein wesentlich höheres Bildungsniveau. Dass sich der Qualifikationsgrad der Migranten deutlich
verbessert hat, sollte uns nicht traurig stimmen, sondern vielmehr Anlass zur Freude sein, bemerkte Kurz an die
Adresse der FPÖ gerichtet.
Wenig Sympathie für Bedenken der FPÖ bei SPÖ, ÖVP und Grünen
Nicht Österreich habe ein Problem mit überdurchschnittlich hoch gebildeter Zuwanderung, sondern die FPÖ,
knüpfte SPÖ-Mandatarin Nurten Yilmaz an den Minister an. Dies vor allem auch, zumal die Daten dem von
den Freiheitlichen propagierten Bild der ungebildeten Zuwanderung, die unser soziales Netz ausbeuten will, widersprechen.
Als kritikwürdig empfand es Yilmaz vielmehr, dass die gute Qualifikation vieler ZuwanderInnen in Österreich
nicht anerkannt wird und ausländische MedizinerInnen deshalb als TaxifahrerInnen arbeiten müssen.
Auch ÖVP-Abgeordneter Asdin El Habbassi warf den Freiheitlichen vor, die Datenlage nicht zur Kenntnis zu nehmen,
meinte aber, trotz der festgestellten guten Qualifikation dürfe man nicht verschweigen, dass bei der Zuwanderung
"nicht alles palletti ist". So habe es gerade im Bildungsbereich jahrelange Versäumnisse bei Migranten
gegeben. Daher sei es jetzt umso wichtiger, etwa mit sprachlicher Frühförderung auf die bestehenden Probleme
zu reagieren.
Grünen-Bildungssprecher Harald Walser spielte den Ball an die FPÖ zurück, der er ein Bildungsproblem
diagnostizierte. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an Wahlplakate der Freiheitlichen mit dem Wortlaut "Wir
setzen sich ein, das der Kindergarten in Breiteneich erhalten bleibt" oder "Keine Sozialwohnung ohne
Deutschkenntnise". Deutsche Sprache, schwere Sprache, folgerte Walser und empfahl der FPÖ, etwas gnädiger
mit den ZuwanderInnen zu sein.
Team Stronach sieht Handlungsbedarf im Bildungssystem, NEOS wollen Österreich für Hochqualifizierte
attraktiv machen
"Sehr zu denken" gab die Aussage von Minister Kurz der Team Stronach-Abgeordneten Waltraud Dietrich.
Wenn die Einheimischen im Durchschnitt schlechter ausgebildet sind als die ZuwanderInnen, dann zeige dies einmal
mehr, dass Österreich eine verfehlte Bildungspolitik betreibt, warnte sie. Was die Zuwanderung betrifft plädierte
Dietrich für eine verantwortungsvolle Politik und sprach sich mit Nachdruck gegen Einwanderung in das soziale
Netz aus.
Österreich muss ein attraktives Land für gut qualifizierte Zuwanderung werden, mahnte namens der NEOS
Gerald Loacker und kritisierte insbesondere bürokratische Schranken auf dem Weg zur Rot-Weiß-Rot-Card.
Scharf ging er aber auch mit der SPÖ ins Gericht, der er vorwarf, mit ihrer mitunter restriktiven Haltung
Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Es gehe jedenfalls nicht an, immer so zu tun, als würden die
heimischen Bauarbeiter durch den Zuzug von ausländischen Schlüsselkräften ihre Jobs verlieren.
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