Mikl-Leitner für offene Diskussion über Vorratsdatenspeicherung
Wien (pk) - Für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in grundrechtskonformer Fassung,
für den verstärkten Kampf gegen Terrorismus und Dschihadismus auf der Grundlage eines neuen Staatsschutzgesetzes
und für eine humanitäre Antwort Europas auf das Sterben im Mittelmeer sprach sich Innenministerin Johanna
Mikl-Leitner am 23.04. in der Fragestunde des Nationalrats aus. Nicht ohne Stolz präsentierte die Ministerin
Zahlen, die erfreuliche Erfolge beim Kampf gegen das Verbrechen in Österreich belegen.
Mikl-Leitner für grundrechtskonformen Kampf gegen den Terror
Von einem Staatsschutzgesetz, das derzeit in Begutachtung stehe, erwarte sie sich einen besseren Schutz für
die Menschen beim Kampf gegen Terrorismus und Dschihadismus, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner SPÖ-Sicherheitssprecher
Otto Pendl. Dieses Gesetz soll die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wahren und der Polizei mehr Befugnisse
einräumen. Personenbezogene Daten sollen zwei Jahre lang, unter bestimmten Voraussetzungen auch maximal sechs
Jahre lang gespeichert werden können. Die bereits enge Zusammenarbeit mit den Strafvollzugsbehörden der
anderen EU-Länder soll beim Kampf gegen den Terror weiter verbessert werden. Dasselbe gelte für die Kooperation
zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesbehörden, um die Analyse gemeinsamer Daten zu
verbessern.
"Ich will offen über eine grundrechtskonforme Lösung für die Vorratsdatenspeicherung diskutieren",
sagte die Innenministerin zum Thema Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Nikolaus Alm (N) versicherte
die Innenministerin, sich an höchstgerichtliche Erkenntnisse zu halten, auch wenn dies polizeiliche Ermittlungsarbeit
nicht erleichtere. Auch bei richterlichem Auftrag stehen derzeit keine Daten für Ermittlungen zur Verfügung.
Es sei nicht möglich, Täter dingfest zu machen und Kriminalfälle aufzuklären, klagte Mikl-Leitner.
Ihr Vorbild sei Deutschland, wo Leitlinien für eine Nachfolgeregelung vereinbart wurden, die ExpertInnen der
Justiz und der Polizei für sinnvoll halten. Es gelte hohe Datenschutzstandards festzulegen und die Vorratsdatenspeicherung
auf die Aufklärung von Terrorismus und organisierte Kriminalität zu beschränken. Sie hoffe auf einen
Konsens, der die höchstgerichtlichen Erkenntnisse berücksichtigt, sagte die Innenministerin. Dabei seien
Ausnahmen für Journalisten und Rechtsanwälte notwendig, sagte die Ministerin.
Beim Thema Kampf dem Terror erfuhren Werner Amon, Eva-Maria Himmelbauer (beide V) und Hannes Weninger (S) von der
Innenministerin zudem von Maßnahmen zur Verbesserung der Cyber-Sicherheit und für den besseren Schutz
"kritischer" Infrastruktur. Die diesbezügliche Strategie der Bundesregierung ziele auf ein "Cybersicherheitsgesetz"
ab, bei dem die Legisten aber noch vor großen Herausforderungen stünden. Zuletzt konnte die Cyberkriminalität
um 11% gesenkt werden, weil die Menschen immer sensibler werden und Unternehmen ihr Daten- und EDV-Systeme besser
schützen, teilte Mikl-Leitner mit.
Eine Antwort Europas auf die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer
"Wir brauchen eine humanitäre Antwort Europas auf die Katastrophen beim Schleppen von Flüchtlingen
im Mittelmeer", sagte die Innenministerin. Albert Steinhauser (G), der die Einstellung des italienischen Flüchtlings-Hilfsprogramms
"Mare Nostrum" kritisierte, erfuhr von Innenministerin Mikl-Leitner, dass sie sich auf EU-Ebene gegen
die Einstellung dieses Rettungsprogramms ausgesprochen habe. Aktuell trete Österreich für die Verdoppelung
der Rettungskapazitäten im Mittelmeer und darüber hinaus für eine nachthaltige europäische
Strategie ein, um das Leben von Flüchtlingen zu retten. Sie hoffe auf entsprechende Entscheidungen der Europäischen
Staats- und Regierungschefs, sagte Johanna Mikl-Leitner. Der Kampf gegen die Schlepper sei zu intensivieren, denn
diese tragen die Verantwortung für das Sterben im Mittelmeer. Außerdem gehe es darum, ein Zehnpunkteprogramm
für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen in Europa rasch umzusetzen, sagte Mikl-Leitner auf eine
Frage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Die Initiative "Leben retten" soll vorangetrieben
werden. Dabei gehe es darum, in Nordafrika Anlaufstellen für Flüchtlinge zu schaffen und das UNHCR dort
prüfen zu lassen, ob Flüchtlinge eine Chance auf Asyl in Europa haben. Die Verhandlungen darüber
soll die EU-Kommission führen. Der Weg zu einer Lösung sei aber noch weit, sagte die Innenministerin.
Hinsichtlich der Unterbringung von AsylwerberInnen in Österreich informierte die Bundesministerin über
die Verhandlungen, die derzeit mit den Bundesländern über die Einrichtung von sieben Verteilquartieren
geführt werden. Gernot Darmann (F) erfuhr von der Ressortleiterin, dass Italien kein Massenflüchtlingszentrum
an der Grenze zu Österreich plane.
Gegenüber Mario Kunasek (F), der sich nach Polizeieinsätzen in steirischen Asylheimen im Jahr 2014 erkundigte,
bekannte sich die Innenministerin zu einer sensiblen Vorgangsweise und zur Rücksichtnahme auf kulturelle Unterschiede
sowie Traumata der Flüchtlinge. Ihr gehe es um ein gemeinsames Miteinander mit den Kriegsflüchtlingen.
Die Zahl der Polizeieinsätze bezifferte Mikl-Leitner mit 61, wobei in 13 Fällen Asylunterkünfte
betroffen waren. Beim Schubhaftzentrum Vordernberg erwarte sie ein Ansteigen der Zahl der Schubhäftlinge im
Juli 2015, teilte die Innenministerin mit.
Die Frage Christoph Hagens (T) nach einer Möglichkeit, zwischen AsylantInnen zu unterscheiden, bei denen die
Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie das Land bald wieder verlassen und denjenigen, die mit größerer
Wahrscheinlichkeit dauerhaft bleiben werden, verneinte die Innenministerin. Am Beginn des Asylverfahrens könne
niemand wissen, wie es ausgehen werde. Die Zusammenarbeit ihres Ressorts mit Hilfsorganisationen, die sich für
Flüchtlinge einsetzen, bezeichnete Mikl-Leitner als sehr gut und dankte den NGOs für deren engagierte
Arbeit.
Kriminalität geht zurück, Aufklärungsquote steigt
Nach der Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre fragte Wolfgang Gerstl (V) und erfuhr von der Innenministerin,
dass sich die Kriminalität mit der gesellschaftlichen Entwicklung verändere. Vor allem sei der Kampf
gegen die Kriminalität grenzüberschreitend zu führen und die Zusammenarbeit in Europa und mit den
Nachbarländern zu verstärken. Dabei sei Österreich gut unterwegs, führte Mikl-Leitner aus.
In einem globalen Sicherheitsranking liege Österreich auf dem dritten Platz in Europa und global auf dem vierten
Platz. Die Anzeigen von Delikten nahmen in letzten zehn Jahren um 76.000 ab, während die Aufklärungsquote
um 3,6% gesteigert werden konnte. Gewaltdelikte, Kfz-Diebstähle, Cyberkriminalität und Wirtschaftsdelikte
nahmen ab, zugenommen, und zwar um 3,4%, haben jedoch die Wohnungseinbrüche, räumte die Ministerin ein.
Daher habe ihr Ressort spezielle Pläne gegen diese Form der Kriminalität wie auch gegen den zunehmenden
Einsatz von Kindern durch die organisierte Kriminalität, etwa für Taschendiebstähle, ausgearbeitet,
teilte Mikl-Leitner mit. Martina Schenk (T), die einen leichteren Zugang zu Waffenpässen für BürgerInnen
verlangte, sagte Mikl-Leitner, es werde an der im Innenausschuss vereinbarten Lösung gearbeitet.
Rudolf Plessl (S) informierte die Innenministerin über zunehmenden Bedarf der Polizei an SpezialistInnen sowie
an moderner Ausrüstung, insbesondere auch an Ermittlungstechnologie. Über Budgetmittel für entsprechende
Investitionen werde bei der Vorbereitung des Budgets 2016 verhandelt, teilte Mikl-Leitner mit. Die Einrichtung
eines bundesweiten digitalen Behördenfunksystems werde Ende 2018 abgeschlossen sein. Die Polizeiarbeit werde
davon profitieren, sagte Mikl-Leitner.
Neue Strategie gegen Drogendealer
Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) drängte auf Maßnahmen gegen den offensiven Drogenhandels im Bereich
öffentlicher Verkehrsmittel in Wien. Die Innenministerin teilte der Abgeordneten mit, dass es auch in Wien
gelungen sei, die Kriminalität um 4,7% zu senken, Mikl-Leitner räumte aber ein, dass der Kampf gegen
Drogendealer die Polizei vor große Herausforderungen stelle. Deren neue Strategie sehe lokale Ermittlungen,
Strukturermittlungen - auch gemeinsam mit ausländischen Behörden - und eigenständige Maßnahmen
sowie verstärkte Polizeipräsenz in U-Bahnstationen vor. Sie bekenne sich zur Substituierungstherapie
bei Drogenkranken, sagte Mikl-Leitner, räumte aber ein, dass Österreich bei der Abgabe drogensubstituierender
Medikamente im europäischen Spitzenfeld liege.
Die Polizei will niemanden aus Jux und Tollerei überwachen
Peter Pilz (G) kritisierte die Anzeige von JournalistInnen bei der Gegendemonstration zur PEGIDA-Demonstration
in Wien am 2.2.2015 wegen "Verhinderung oder Störung einer Versammlung", obwohl sie dort nur ihre
Arbeit taten. Die Innenministerin informierte, die Beamten hätten auf der Grundlage von Lagebildern für
den Schutz der TeilnehmerInnen gesorgt. Sie räumte ein, dass die Rechtslage bei der genannten Demonstration
unklar gewesen sei. Die Identität von sechs Personen mit Presseausweis und von vier weiteren Personen sei
festgestellt worden. Die Staatsanwaltschaft habe aber keinen Auftrag zur Einvernahme erteilt, sagte Mikl-Leitner.
Peter Pilz (G) zeigte sich besorgt werden der Absicht des Innenministeriums, in das neue Staatsschutzgesetz einen
Paragraphen über verfassungsgefährdende Eingriffe einzuführen und warnte vor einer Überwachung
von JournalistInnen. Die Innenministerin bemühte sich, diese Sorge zu zerstreuen. Sie habe keinerlei Absicht,
Menschen aus Jux und Tollerei zu überwachen. Voraussetzung für jede Überwachung sei Einvernehmen
mit dem Rechtsschutzbeauftragten und die Information aller betroffenen Personen über deren Rechtsmittel.
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