Freier Warenverkehr im Binnenmarkt wird in Frage gestellt
Linz (lk-oö) - Unter dem Begriff „opting-out“ hat die EU-Kommission Rechtstexte vorgeschlagen, welche
den einzelnen Staaten auch bei Lebens- und Futtermitteln mehr Selbstbestimmung in Gentechnikfragen einräumen
sollen. „Als Landwirtschafts-kammer sehen wir das kritisch, denn wie immer bei solchen Regelungen liegen die Probleme
in Details, die erst bei genauem Hinsehen sichtbar werden. Massive wirtschaftliche Wettbewerbsverzerrungen wären
die Folge“, mahnt Präsident ÖR Ing. Franz Reisecker zu einer differenzierten Betrachtung.
Opting-out für den Anbau
Die Mitgliedstaaten sollen künftig darüber entscheiden, ob sie den Anbau von gentechnisch veränderten
Sorten (GVO-Sorten) auf ihrem Hoheitsgebiet zulassen wollen oder nicht. Die Landwirtschaftskammer OÖ begrüßt
das grundsätzlich. Die Vorbehalte der österreichischen Bevölkerung gegenüber diesen Sorten
sind bekannt und auch unsere Bäuerinnen und Bauern lehnen den Anbau von GVO-Sorten deutlich ab. An der aktuellen
Situation würde sich nichts ändern, denn auch bis jetzt gab es keinen Anbau von GVO-Sorten in Oberösterreich
oder Österreich. Insgesamt werden in der EU derzeit ca. 150.000 Hektar mit GVO-Sorten angebaut und dies fast
ausschließlich in Spanien und Portugal. Weltweit sind es über 170 Millionen Hektar.
Opting-out für GVO-Lebens- und Futtermittel
Nach dem heute beschlossenen Kommissionsvorschlag sollen auch hier künftig die Mitgliedstaaten entscheiden
können, ob sie Verarbeitungsprodukte von gentechnisch veränderten Ausgangsprodukten (wie Mais oder Sojabohne)
auf ihrem Hoheitsgebiet erlauben wollen oder nicht. Solche Produkte sind heute schon in großer Zahl am EU-Binnenmarkt.
Vordergründig wird sich dieser Vorschlag gegen den Import von gentechnisch veränderten Futtermitteln
wie Sojaschrot richten. Allerdings wäre dies nur ein Teilaspekt, denn es geht auch um Verarbeitungsprodukte
in Lebensmitteln wie Sojalecithin oder auch Pflanzenöle aus GVO-Grundstoffen.
Es ist ein Faktum, dass in einer arbeitsteiligen Wirtschaft – auch die Landwirtschaft ist davon betroffen – heute
Futtermittel importiert werden. Gerade die Fleischproduktion braucht Eiweißfuttermittel. Es wurden große
Anstrengungen zur verbesserten Eigenversorgung getroffen – Stichwort mehr Sojaanbau in Österreich. Ohne Importe
geht es – wie in vielen anderen Branchen – aber nicht. „Das Futtermittel Sojaschrot würde bei einem GVO-Importverbot
dramatisch teurer werden. Als Produzenten würden wir diese Mehrkosten niemals erlösen. Die Fleischproduktion
als zentraler Wertschöpfungsbereich der OÖ Landwirtschaft würde wirtschaftlich nachhaltig ruiniert“,
warnt LK-Präsident ÖR Ing. Franz Reisecker.
Gentechnik ist weit verbreitet
Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen: Wir leben in einer globalisierten Welt mit vielerlei Warenströmen.
Am meisten sind wir heute bei der Kleidung mit Gentechnik konfrontiert, denn wir haben in Europa faktisch keine
Baumwollproduktion und die großen Baumwollländer und somit auch Baumwollexporteure setzen voll auf den
Einsatz von GVO-Sorten. Der Anteil an GVO-Sorten in den vier größten Baumwolle erzeugenden Ländern
(USA, China, Indien und Pakistan) liegt bei über 90 Prozent. Wer also Kleidung aus Baumwolle trägt –
das tut wohl jeder – kann sich ziemlich sicher sein, ein Produkt mit GVO-Ausgangsmaterial zu verwenden. Darüber
hinaus findet Gentechnik in der Medizin, Pharmazie und Biotechnologie immer mehr Verwendung. „Würde man all
die Produkte mit ‚GVO-Hintergrund‘ verbieten, stünden wir gerade bei Lebensmitteln wohl bald vor leeren Regalen“,
so Reisecker.
Der vorliegende Vorschlag zur Selbstbestimmung der Länder in Gentechnikfragen mag vordergründig vielen
positiv erscheinen. Es ist aber verwunderlich, dass die EU-Kommission, die sonst so strikt für die Einhaltung
des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt eintritt, hier faktisch ein Grenzüberwachungs- und Kontrollsystem
vorschlägt, welches das Prinzip des Binnenmarktes nachhaltig untergräbt. „Denn eines soll oder muss klar
sein: Ein Importverbot für GVO-Verarbeitungsprodukte bedarf – wenn man es ernst meint – einer strikten Überwachung.
Alles andere wäre blanker Populismus. Und klar muss auch sein: Ein solches Verbot dürfte nicht bei Lebens-
und Futtermitteln enden, sondern müsste alles erfassen – ganz besonders auch Baumwollprodukte, Medikamente
und vieles andere mehr“, zeigt Kammerpräsident Reisecker auf.
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