Salzburger Wissenschaftler untersuchen rätselhafte Materialien als mögliche Relikte
eines Meteoriteneinschlags in der Inn-Salzach-Region.
Salzburg (universität) - Hat im Chiemgau in der Keltenzeit ein kometenähnlicher Körper eingeschlagen,
der nach dem Eindringen in die Erdatmosphäre explodiert ist und dessen Trümmer über Südbayern
niedergingen? Der „Chiemgau Impakt“ ist eine wissenschaftlich umstrittene Hypothese, die auf rätselhaften
Funden von Amateurarchäologen beruht. Salzburger Wissenschaftler wollen nun mit der Charakterisierung der
ungewöhnlichen Materialien aus der Inn-Salzach Region einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Frage
liefern.
„An der Universität Salzburg gibt es eine sehr gute Methodik zur Untersuchung der Fragestellung. Was uns
hier auszeichnet, ist die Kombination von Mineralogie und Materialwissenschaft. Wir brauchen dringend mineralogische
und chemische Analysen, um seriös über die Hypothese diskutieren zu können“, sagt Fritz Finger,
Professor für Geologie und Petrologie am Fachbereich Materialforschung und Physik. Den Großteil der
Untersuchungen führt der aus München stammende Diplomgeologe Andreas Neumair im Rahmen seiner Dissertation
durch. „Ich bin sehr gespannt, was da herauskommt. Wie kann man sich zum Beispiel die glatten Glasschichten erklären,
mit der viele Gneis-Brocken überzogen sind, die ich gefunden habe? Ist das Glas geschmolzener Stein? Das wollen
wir unter anderem herausfinden“.
Vor 15 Jahren führte eine Gruppe von Heimatforschern mit Billigung der Behörden im Raum zwischen Altötting
und Traunstein archäologische Sondierungen durch und stieß dabei auf metallische Bodenfunde, die bis
dahin in der Region völlig unbekannt waren und den Hobbywissenschaftlern Rätsel aufgaben, zumal die Funde
meist in Verbindung mit kraterähnlichen Strukturen standen. Das führte zu der Hypothese, dass es sich
um Überreste eines Meteoriteneinschlags handeln könnte. Über 100 Krater sind bis heute in der knapp
60 km langen und 30 km breiten Region dokumentiert.
Bei den ungewöhnlichen Materialien geht es vor allem um verglaste Gesteinsstücke und um exotische Verbindungen
wie Eisensilizide. Verglastes Gestein kann bei Blitz- oder Meteoriteneinschlägen entstehen. Ob die Funde von
seltenen Eisensiliziden extraterrestrisches Material darstellen oder aus industriellen Prozessen stammen, ist
die zweite offene Frage. Andreas Neumair wird die eigenartigen Materialien in den nächsten drei Jahren vor
allem mit Rasterelektronenmikroskopie, sowie mit den Methoden der Röntgenfluoreszenzanalyse und Röntgendiffraktometrie
untersuchen, um mehr Licht in die Entstehung und Zusammensetzung der Bodenfunde zu bringen. Erste Tests wurden
bereits durchgeführt.
Mit der Veröffentlichung eines Artikels in der amerikanischen Zeitschrift „Astronomy“ über den „Chiemgau-Kometen“
im Jahr 2004 und der gleichzeitigen Publikation eines online Artikels der Forschergruppe CIRT (Chiemgau Impact
Research Group) setzte unter dem Schlagwort „Big Bang of Bavaria“ ein enormes Medieninteresse ein. 2004 hatte
die Gruppe der Hobbyarchäologen eine neue Zusammenarbeit gewählt, die in der Gründung der Forschergruppe
CIRT mündete. Sie umfasst Mitglieder der ursprünglichen Entdeckergruppe, zusammen mit Geowissenschaftlern,
Astronomen, Archäologen, Impaktforschern und Historikern. Auch Mag. Kurt Zeller, der 2009 verstorbene Direktor
des Keltenmuseums in Hallein, war mit der Gruppe assoziiert. Sichere Nachweise zur Bestätigung der Hypothese
sind noch ausständig. Fakt ist, dass bis heute an manchen Stellen eine sehr kritische Haltung bis zu völliger
Ablehnung der Hypothese besteht. Salzburg will mit der Charakterisierung der ungewöhnlichen Materialien zu
einer Versachlichung der Diskussion beitragen, sagen Fritz Finger und Andreas Neumair.
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