Biotech-Forschungszentrum entwickelt eine Methode, teures Grapefruit-Aroma
Nootkaton mit einer „Turbohefe“ aus billigem Zucker herzustellen. Die vielfältige, gesunde Substanz kommt
in Erfrischungsgetränken, Pharmaprodukten oder als Insektenschutzmitteln zum Einsatz.
Graz (acib) - Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) nutzt die positiven Seiten der synthetischen
Biologie. Die Biotechnologen Tamara Wriessnegger und Harald Pichler waren in Graz vor die Herausforderung gestellt,
Nootkaton in großen Mengen herzustellen. Die Substanz ist teuer (mehr als 4000 Euro pro Kilo) und kommt nur
in winzigen Mengen in Grapefruits vor. Gleichzeitig ist der Bedarf groß, denn Nootkaton wird als hochwertiger,
natürlicher Aromastoff in Millionen Litern Erfrischungs- und Lifestyle-Drinks ebenso eingesetzt wie als Biopharmazeutikum
oder als natürliches Insektenschutzmittel.
„Wir haben neue Geninformationen in die Hefe Pichia pastoris eingebaut, damit sie Nootkaton aus Zucker herstellen
kann“, erklärt acib-Forscherin Tamara Wriessnegger. Das Erbgut der Produktionshefe wurde um vier Fremdgene
erweitert, die aus der Schotenkresse Arabidopsis thaliana, dem Ägyptischen Bilsenkraut Hyoscyamus muticus,
der Nootka-Scheinzypresse Xanthocyparis nootkatensis und aus der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae stammen.
Letztendlich führt das Aroma einer Grapefruit zu Millionen Litern an Saft.
Denn mit Hilfe der neuen Gene ist die Hefe in der Lage, den hochwertigen, natürlichen Aromastoff (mehr als
4000 Euro pro Kilo) günstig und in brauchbaren Mengen aus Zucker (ein Euro pro Kilo) herzustellen. Wichtig
ist die Substanz für die Lebensmittel-, Pharma- und chemische Industrie, weiß Harald Pichler. Als Insektizid
wirke es gegen Zecken, Moskitos oder Wanzen. Im medizinischen Umfeld habe sie Aktivität gegen Krebszelllinien
gezeigt. In Kosmetika schätze man den guten Geruch, in Erfrischungsgetränken den Geschmack. Weil die
natürlichen Quellen den Bedarf nicht decken können, ersetzt die acib-Methode die chemische Synthese –
einen energieaufwändigen, alles andere als umweltfreundlichen Prozess. Auch die gängige Biotech-Variante
mit Valencen als Ausgangsstoff ist unterlegen, weil Valencen teurer als Zucker ist und chemisch synthetisiert werden
muss. Pichler: „Mit unserem Verfahren lässt sich das teure und wichtige Terpenoid Nootkaton erstmals industriell
in brauchbaren Mengen umweltfreundlich und ressourcenschonend produzieren.“ Derzeit wird mit einem internationalen
Unternehmen an der industriellen Umsetzung getüftelt.
Die synthetische Biologie kann für die Menschheit überlebenswichtig sein, wie das Beispiel Artemisinin
zeigt. Dank dieser Substanz ist Malaria heilbar. Leider kommt sie nur in winzigen Mengen im Einjährigen Beifuß
vor – bis der US-Forscher Jay Keasling den entsprechenden Produktionsweg aus der Pflanze in Bakterien übertragen
hat. Mit diesen „synthetischen“ Organismen wird der Wirkstoff seither günstig hergestellt.
Die acib-Forschungsergebnisse wurden im Journal „Metabolic Engineering“ veröffentlicht: http://goo.gl/xu2s0h
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere
Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild
und Werkzeuge der Natur als Hilfsmittel. Mit Standorten in Graz, Wien, Innsbruck, Tulln, Hamburg, Heidelberg und
Bielefeld (D), Pavia (I) und Barcelona (E) ist das acib ein Netzwerk von 120+ internationalen Projektpartnern,
darunter BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, voestalpine, VTU Technology oder Clariant.
Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur
Wien sowie Joanneum Research.
Beim acib forschen und arbeiten rund 200 Beschäftigt mit bis zu 30 Jahren Erfahrung in industrieller Biotechnologie
an 50+ Forschungsprojekten. Öffentliche Fördermittel (53 % des Budgets) bekommt das acib über die
nationale Forschungsförderung.
Das Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence
Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich
und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.
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