Klein-Pöchlarn (nöwpd) - Rasiermesser für 178 bis 2.000 Euro liefert der 27jährige gelernte
Goldschmied Ulrik Beyer bis nach Amerika. Der gebürtige Wiener hat das ehemalige Tonlager seines Urgroßvaters,
eines Hafnermeisters, in Klein-Pöchlarn zur Werkstatt umgebaut. Zuerst galt sein Interesse Küchen- und
Jagdmessern. „Eher durch Zufall habe ich mich einmal an einem Rasiermesser versucht und bin dann über Kunden,
die sich mit dem Messer rasieren, auf die große Nassrasur-Szene aufmerksam gemacht worden“, berichtet Beyer
dem NÖ Wirtschaftspressedienst. „Mit der Zeit ist der Anteil an Rasiermessern in meiner Produktion immer höher
geworden, bis ich schließlich komplett auf Rasiermesser umgesattelt habe.“
Im Jahr 2014 hat der sympathische Messermacher an die 150 Messer und 100 Klingen verkauft. „Denn viele Kunden wollen
die Heftschalen selber basteln. Heuer werden es aber mit Sicherheit schon zwischen 300 und 400 Messer und rund
150 Klingen sein, die ich fertige.“ Es spricht sich eben herum, dass im Waldviertel Rasiermesser hergestellt werden.
Ihr Durchschnittspreis liegt bei etwa 350 Euro.
„Es kommt immer auf die Wünsche des Kunden an“, sagt Beyer. Den Großteil seiner Messer exportiert er.
„An die 50 bis 60 Prozent gehen nach Deutschland. Viele sende ich auch nach Holland und Belgien. Vereinzelt welche
nach Kanada, nach England, Spanien, Frankreich, die Schweiz und nach Italien.“ Neuester Coup des Klein-Pöchlarners:
„Da ich demnächst über eine Händlerin größere Stückzahlen in die USA liefern werde,
wird dieser Markt sicher noch stark wachsen.“
Da man ein Rasiermesser bei guter Pflege bis zu 200 Jahren in der Familie weiterreichen kann, ist es vor allem
die Nachhaltigkeit, die Ulrik Beyer fasziniert. „Zum anderen ist es auch die Kombination aus Design und Funktion“,
sagt er. „Bei anderen Messern muss man sich zumeist entscheiden, ob man ein funktionelles Messer oder ein Showmesser
herstellen möchte. Beim Rasiermesser kann man beides vereinen, und es bleibt immer noch ein funktionsfähiger
Gebrauchsgegenstand.“
Für die Klingen verwendet Beyer Silberstahl, Kugellagerstahl sowie Damaststahl. Für die Heftschalen bevorzugt
der Wahl-Waldviertler diverse Edelhölzer, wie Ebenholz, Olive oder Wüsteneisenholz, aber auch Büffelknochen
und Mammutelfenbein oder Perlmutt. „Für die Nieten und andere Kleinteile verarbeite ich größtenteils
präzisionsgedrehte Messing- und Neusilber-Teile sowie Sterlingsilber.“
Die einfachsten Messer fertigt Beyer in sechs bis sieben Stunden, aufwändige Arbeiten können aber bis
zu 50 Stunden dauern. Schließlich sind bis zu 70 Arbeitsschritte vom Entwurf des Modells bis zur Verpackung
nötig. Geschmiedet werden die Modelle in großer Stückzahl in einer Gesenkschmiede im deutschen
Solingen.
„Diese geschmiedeten Rohlinge sind dann die Basis für die Messer“, erklärt Ulrik Beyer. „Da ich nicht
ständig neue Designs benötige, mache ich das nur maximal einmal im Jahr.“ In Klein-Pöchlarn werden
dann dem Rohling durch mehrere Schleifvorgänge die Konturen verliehen und die Klinge auf über 800 Grad
erhitzt, um sie zu härten. Danach werden alle Schleifvorgänge nochmals wiederholt, da die Klinge beim
Härten verzundert und eine unansehnliche schwarze Oxidschicht gebildet hat.
Danach folgen die Herstellung der Heftschalen und die Vernietung. „Abschließend wird das Messer noch auf
Wassersteinen geschärft und auf Leder abgezogen, bis es so scharf ist, dass es ein freihängendes Haar
mühelos kappt. Dann wird es verpackt und geht an den Kunden. Diese sind hauptsächlich Liebhaber, die
bereits Erfahrung mit der Messerrasur haben, teilweise Rasiermesser auch sammeln und im Alter zwischen 40 und 60
Jahren sind.“
Aber auch jüngere Altersklassen, zwischen 18 und 40 Jahren, sind interessiert. „Sie suchen nach Alternativen
zu den handelsüblichen Trocken- bzw. Systemrasierern. Dabei geht es den meisten um die Nachhaltigkeit, auch
stark um den Stil bei der Rasur, um aus einer lästigen Pflicht ein angenehmes Ritual zu machen.“ Auch Frauen
zählen zu Beyers Kundschaft, die ihre Männer mit einem besonderen Geschenk überraschen möchten.
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