Wie Grenzwerte künftig im echten Fahrbetrieb gemessen werden – Das 36. Internationale
Wiener Motorensymposium beschäftigt sich mit der neuen EU-Emissionsgesetzgebung „Real-Driving Emissions“
Wien (oevk) - Die Bewertung des Abgasverhaltens von Fahrzeugen für Typengenehmigung und Registrierung
wird sich aufgrund neuer EU-Vorschriften in absehbarer Zeit grundlegend ändern. Wird derzeit die Einhaltung
der Grenzwerte nach Euro 5 und Euro 6 mittels eines standardisierten Labortests lediglich am Prüfstand nach
einem Kaltstart direkt am Auspuff gemessen, müssen Fahrzeuge künftig im realen Fahrbetrieb auf der Straße
nachweisen, dass sie die Normen auch bei einer weit umfangreicheren Testfahrt tatsächlich erfüllen. Experten
sprachen Donnerstag beim 36. Internationalen Wiener Motorensymposium von einer Herausforderung für die europäische
Emissionsgesetzgebung, aber auch für die Fahrzeughersteller. Denn der Entwicklungsaufwand wird sich deutlich
erhöhen und das Zulassungsverfahren komplizierter.
EU-Experte Dr. Theodoros G. Vlachos vom Joint Research Center der Europäischen Kommission, Institut für
Energy and Transport, erläuterte in einem Vortrag den Hintergrund der geplanten legistischen Maßnahmen.
Da das derzeitige Labortestverfahren für den Typengenehmigungstest nur eine schmale Bandbreite an Umweltaspekten,
Fahrverhalten und Motorbetriebspunkten abdeckt, führt die Europäische Kommission das RDE-Verfahren (Real-Driving
Emissions) als Ergänzung ein. Portable Messeinrichtungen an Bord (PEMS) ermitteln dabei den Schadstoffausstoß
unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr, bei denen verschiedene Faktoren wie Fahrdynamik, Straßenzustand,
Windstärke, Umgebungstemperatur oder Seehöhe unterschiedliche Einflüsse auf die jeweiligen Emissionen
haben können. Portable Messgeräte ermöglichen, so Dr. Vlachos, die Emissionen über einen weiten
Bereich des normalen Fahrbetriebs zu überwachen und genau zu quantifizieren. Das mobile Labor misst gasförmige
Emissionen und Partikel im Abgas und zeichnet die Betriebsparameter, die Position mittels GPS und Umweltbedingungen
auf. Der Test diene laut Dr. Vlachos auch dazu, die Wirksamkeit der Normen über den gesamten Lebenszyklus
von Motoren und Fahrzeugen sicherzustellen.
Wie der Vortragende erklärte, werde die Europäische Kommission bis Ende 2015 das Testverfahren noch verfeinern
und dann verabschieden. Die RDE-Erfordernisse sollen schrittweise bis zur Einführung von Euro 6c im September
2017 eingeführt werden.
RDE-fähige Antriebe erfordern erhöhten Aufwand für die Entwicklung Wie sich Motorenentwickler auf
die sich durch RDE ändernden Anforderungen einstellen müssen, zeigte Dipl.-Ing. Christian Lensch-Franzen,
Leiter Engineering der APL Automobil-Prüftechnik Landau GmbH aus Deutschland, in seinem anschließenden
Vortrag auf. Die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im realen Fahrbetrieb nachzuweisen und über eine definierte
Laufzeit sicherzustellen, bedeute für den Entwicklungsprozess des Antriebssystems neue Herausforderungen.
Neben dem Fokus auf Lastverschiebung und Dynamiksteigerung müssten die vorgenommenen Optimierungsmaßnahmen
auch bezüglich System- und Laufzeitrobustheit abgesichert werden. Dass dies möglich ist, wies der Experte
am Beispiel eines Benzindirekteinspritzers nach, der von APL mittels einer "komplexen Methodenkette",
so der Vortragende, fit für das RDE-Verfahren gemacht wurde.
Benziner schneiden besser ab als Dieselmotoren
Über umfangreiche Forschungen der Technischen Universität Posen (Polen) zur Thematik der RDE-Prüfung
berichtete Prof. Dr. Jerzy Merkisz in seinem Vortrag. Im Gegensatz zu den üblichen Zulassungsuntersuchungen
am Prüfstand, deren Aussagekraft begrenzt sei, könnten bei Versuchen mit portablen Messanlagen auf der
Straße zusätzliche Informationen gewonnen werden, betonte Prof. Merkisz. Damit lasse sich die Abhängigkeit
der Schadstoffemissionen von den Fahrzeug- und Motorbetriebsparametern untersuchen.
Die durchgeführte Analyse zeige, so Prof. Merkisz, dass Fahrzeuge mit Ottomotor unter realen Fahrbedingungen
die Grenzwerte einhalten, Dieselfahrzeuge hingegen diese in Bezug auf Stickstoffemissionen überschreiten.
Was den Partikelausstoß betreffe, der ebenfalls erforscht werde, liege das Hauptproblem bei Fahrzeugen mit
einer hohen Laufleistung. Bei diesen steige die Partikelzahl und Partikelmasse, ebenso nehme die Emission des Gasanteils
von Abgasen zu.
RDE-Tests werden zu besserer Luftqualität führen
Die Einführung der RDE-Gesetzgebung werde nach Ansicht von Dr.-Ing. Christoph Menne von der FEV GmbH Aachen,
einem führenden Dienstleistungsunternehmen in der Konstruktion und Entwicklung konventioneller und alternativer
Antriebe, hocheffiziente DeNOx-Systeme (für die Rauchgasentstickung) im gesamten Betriebsbereich des Fahrzeugs
erfordern. Der Experte präsentierte die Ergebnisse einer Studie mit einem Fahrzeug, das mit einem SCR-beschichteten
Dieselpartikelfilter (SDPF) ausgerüstet war. Bei höheren Motorlasten in den gefahrenen Realzyklen kam
es, mit einem portablen Messsystem gemessen, zu einem signifikanten Anstieg der NOx-Rohemission. Durch gezielte
Anpassungen der Abgasrückführung konnte jedoch eine deutliche Reduktion erreicht werden. Bei den Versuchen
zeigte sich auch, dass die auf öffentlichen Straßen durchgeführten RDE-Tests trotz gleichen Fahrers
und gleicher Route je nach Verkehrssituation zu stark unterschiedlichen Emissionsergebnissen führen können.
Die Fahrzeugüberprüfung werde durch RDE-Tests zwar erheblich anspruchsvoller werden, aber die Verbesserung
der Emissionen und deren Effekt auf die Luftqualität werde dazu beitragen, die öffentliche Akzeptanz
von Dieselmotoren zu erhalten, zeigte sich Dr. Menne optimistisch.
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