Dem realen Abgasverhalten auf der Spur

 

erstellt am
08. 05. 15
11.00 MEZ

Wie Grenzwerte künftig im echten Fahrbetrieb gemessen werden – Das 36. Internationale Wiener Motorensymposium beschäftigt sich mit der neuen EU-Emissionsgesetzgebung „Real-Driving Emissions“
Wien (oevk) - Die Bewertung des Abgasverhaltens von Fahrzeugen für Typengenehmigung und Registrierung wird sich aufgrund neuer EU-Vorschriften in absehbarer Zeit grundlegend ändern. Wird derzeit die Einhaltung der Grenzwerte nach Euro 5 und Euro 6 mittels eines standardisierten Labortests lediglich am Prüfstand nach einem Kaltstart direkt am Auspuff gemessen, müssen Fahrzeuge künftig im realen Fahrbetrieb auf der Straße nachweisen, dass sie die Normen auch bei einer weit umfangreicheren Testfahrt tatsächlich erfüllen. Experten sprachen Donnerstag beim 36. Internationalen Wiener Motorensymposium von einer Herausforderung für die europäische Emissionsgesetzgebung, aber auch für die Fahrzeughersteller. Denn der Entwicklungsaufwand wird sich deutlich erhöhen und das Zulassungsverfahren komplizierter.

EU-Experte Dr. Theodoros G. Vlachos vom Joint Research Center der Europäischen Kommission, Institut für Energy and Transport, erläuterte in einem Vortrag den Hintergrund der geplanten legistischen Maßnahmen. Da das derzeitige Labortestverfahren für den Typengenehmigungstest nur eine schmale Bandbreite an Umweltaspekten, Fahrverhalten und Motorbetriebspunkten abdeckt, führt die Europäische Kommission das RDE-Verfahren (Real-Driving Emissions) als Ergänzung ein. Portable Messeinrichtungen an Bord (PEMS) ermitteln dabei den Schadstoffausstoß unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr, bei denen verschiedene Faktoren wie Fahrdynamik, Straßenzustand, Windstärke, Umgebungstemperatur oder Seehöhe unterschiedliche Einflüsse auf die jeweiligen Emissionen haben können. Portable Messgeräte ermöglichen, so Dr. Vlachos, die Emissionen über einen weiten Bereich des normalen Fahrbetriebs zu überwachen und genau zu quantifizieren. Das mobile Labor misst gasförmige Emissionen und Partikel im Abgas und zeichnet die Betriebsparameter, die Position mittels GPS und Umweltbedingungen auf. Der Test diene laut Dr. Vlachos auch dazu, die Wirksamkeit der Normen über den gesamten Lebenszyklus von Motoren und Fahrzeugen sicherzustellen.

Wie der Vortragende erklärte, werde die Europäische Kommission bis Ende 2015 das Testverfahren noch verfeinern und dann verabschieden. Die RDE-Erfordernisse sollen schrittweise bis zur Einführung von Euro 6c im September 2017 eingeführt werden.

RDE-fähige Antriebe erfordern erhöhten Aufwand für die Entwicklung Wie sich Motorenentwickler auf die sich durch RDE ändernden Anforderungen einstellen müssen, zeigte Dipl.-Ing. Christian Lensch-Franzen, Leiter Engineering der APL Automobil-Prüftechnik Landau GmbH aus Deutschland, in seinem anschließenden Vortrag auf. Die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im realen Fahrbetrieb nachzuweisen und über eine definierte Laufzeit sicherzustellen, bedeute für den Entwicklungsprozess des Antriebssystems neue Herausforderungen. Neben dem Fokus auf Lastverschiebung und Dynamiksteigerung müssten die vorgenommenen Optimierungsmaßnahmen auch bezüglich System- und Laufzeitrobustheit abgesichert werden. Dass dies möglich ist, wies der Experte am Beispiel eines Benzindirekteinspritzers nach, der von APL mittels einer "komplexen Methodenkette", so der Vortragende, fit für das RDE-Verfahren gemacht wurde.

Benziner schneiden besser ab als Dieselmotoren
Über umfangreiche Forschungen der Technischen Universität Posen (Polen) zur Thematik der RDE-Prüfung berichtete Prof. Dr. Jerzy Merkisz in seinem Vortrag. Im Gegensatz zu den üblichen Zulassungsuntersuchungen am Prüfstand, deren Aussagekraft begrenzt sei, könnten bei Versuchen mit portablen Messanlagen auf der Straße zusätzliche Informationen gewonnen werden, betonte Prof. Merkisz. Damit lasse sich die Abhängigkeit der Schadstoffemissionen von den Fahrzeug- und Motorbetriebsparametern untersuchen.
Die durchgeführte Analyse zeige, so Prof. Merkisz, dass Fahrzeuge mit Ottomotor unter realen Fahrbedingungen die Grenzwerte einhalten, Dieselfahrzeuge hingegen diese in Bezug auf Stickstoffemissionen überschreiten. Was den Partikelausstoß betreffe, der ebenfalls erforscht werde, liege das Hauptproblem bei Fahrzeugen mit einer hohen Laufleistung. Bei diesen steige die Partikelzahl und Partikelmasse, ebenso nehme die Emission des Gasanteils von Abgasen zu.

RDE-Tests werden zu besserer Luftqualität führen
Die Einführung der RDE-Gesetzgebung werde nach Ansicht von Dr.-Ing. Christoph Menne von der FEV GmbH Aachen, einem führenden Dienstleistungsunternehmen in der Konstruktion und Entwicklung konventioneller und alternativer Antriebe, hocheffiziente DeNOx-Systeme (für die Rauchgasentstickung) im gesamten Betriebsbereich des Fahrzeugs erfordern. Der Experte präsentierte die Ergebnisse einer Studie mit einem Fahrzeug, das mit einem SCR-beschichteten Dieselpartikelfilter (SDPF) ausgerüstet war. Bei höheren Motorlasten in den gefahrenen Realzyklen kam es, mit einem portablen Messsystem gemessen, zu einem signifikanten Anstieg der NOx-Rohemission. Durch gezielte Anpassungen der Abgasrückführung konnte jedoch eine deutliche Reduktion erreicht werden. Bei den Versuchen zeigte sich auch, dass die auf öffentlichen Straßen durchgeführten RDE-Tests trotz gleichen Fahrers und gleicher Route je nach Verkehrssituation zu stark unterschiedlichen Emissionsergebnissen führen können.

Die Fahrzeugüberprüfung werde durch RDE-Tests zwar erheblich anspruchsvoller werden, aber die Verbesserung der Emissionen und deren Effekt auf die Luftqualität werde dazu beitragen, die öffentliche Akzeptanz von Dieselmotoren zu erhalten, zeigte sich Dr. Menne optimistisch.

 

 

 

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