8. Mai bis 1. November 2015 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruck (tlm) - Mit dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 wird auch Tirol Schauplatz des seit Sommer
1914 tobenden Ersten Weltkriegs. An der Ostfront haben zu diesem Zeitpunkt bereits Tausende Tiroler ihr Leben gelassen.
Im Mittelpunkt der Ausstellung „Front – Heimat“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum steht das Alltagsleben während
des Ersten Weltkriegs in Tirol. Die Besucherinnen und Besucher werden sowohl in die Welt der Soldaten an der Front
als auch der Zivilbevölkerung im Hinterland versetzt. Die Schau beleuchtet sozialhistorische, wirtschaftliche
und kulturelle Aspekte. Alltags- und Ausrüstungsgegenstände, Fotos, Briefe, Plakate, Flugblätter
sowie Bilder von Künstlern wie Albin Egger-Lienz, Oskar Kokoschka und Alfons Walde vermitteln ein differenziertes
Bild der Geschehnisse vor 100 Jahren.
„In dieser kulturgeschichtlichen Ausstellung möchten wir aufzeigen, welche Aspekte des Ersten Weltkriegs speziell
für Tirol prägend sind. Zu nennen sind hier vor allem die Nähe zwischen Kriegsgebiet und Heimat,
die Entstehung des ersten realen Hochgebirgskriegs mit seinen Auswirkungen auf die Soldaten sowie die Teilung Tirols.
Sie schlagen tiefe Wunden in die Gesellschaft. Deren Spuren sind zum Teil noch heute sichtbar“, hält PD Dr.
Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, fest.
„Neben Objekten aus den Sammlungen der Tiroler Landesmuseen und dem Tiroler Kaiserschützenmuseum sowie hochkarätigen
Leihgaben aus Museen in Wien, Trient, Bozen und Lienz sind für die Ausstellung die vielen privaten Exponate,
die die Tirolerinnen und Tiroler zur Verfügung gestellt haben, von großer Bedeutung“, hebt Dr. Claudia
Sporer-Heis, Kustodin der Historischen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen und Kuratorin der Ausstellung, hervor.
„In einer Sammelaktion haben wir Alltagsgegenstände, Spielzeug, Fotos, Dokumente und Briefe, die mit einem
persönlichen Schicksal aus der Zeit des Ersten Weltkriegs verbunden sind, zusammengetragen. Durch sie werden
die Geschehnisse vor 100 Jahren leichter fassbar. Zudem zeugen sie von einer lebendigen Erinnerungskultur“, so
Sporer-Heis.
Kronland Tirol
Im Eingangsbereich der Ausstellung werden die Besucherinnen und Besucher auf den Alltag der Tiroler Bevölkerung
vor Kriegsbeginn in der österreichisch-ungarischen Monarchie eingestimmt. Tirol befindet sich in einem wirtschaftlichen
Aufschwung. Versatzstücke wie zum Beispiel ein damals sehr verbreitetes Porträt von Kaiser Franz Josef
I. und eine Beamtenuniform verdeutlichen die positive Haltung gegenüber dem Kaiserhaus und das allgegenwärtige
Militärwesen. Mit der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgerpaares am 28. Juni 1914 und
der Kriegserklärung Kaiser Franz Josefs am 28. Juli 1914 an Serbien treten in der Folge die bestehenden Bündnisverträge
unter den europäischen Großmächten in Kraft. Innerhalb kürzester Zeit befindet sich beinahe
der gesamte Kontinent im Krieg. Das Ultimatum Österreich-Ungarns führt zu einem Medienhype in der gesamten
Monarchie. Die Ausstellung liefert Beispiele für die Stimmung in Innsbruck, wo am 26. Juli 1914 wohl das erste
„Public viewing“ in der Geschichte der Stadt stattfindet: Die Innsbrucker Nachrichten berichten mithilfe einer
Projektion auf das Haus der Redaktion in der Erlerstraße laufend über aktuelle Ereignisse und operieren
mit dem gängigen Feindbild der Serben.
Front und Heimat
Italien erklärt am 23. Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg. Standschützen, die nicht an die Ostfront
abgezogen wurden, verteidigen, unterstützt vom bayerischen Alpenkorps, zunächst die 350 km lange Tiroler
Südfront. Ab Herbst 1915 kommen die speziell für den Gebirgskrieg ausgebildeten Tiroler Regimenter von
der Ostfront an die Südfront. Der Stellungskrieg ist durch schwere körperliche Arbeit, raues Klima und
nervenaufreibendes Warten geprägt. Die Ausstellung zeigt Ausrüstungsgegenstände, aber auch persönliche
Dinge der Soldaten wie einen Rosenkranz aus Patronenhülsen und Tagebücher. Fotos, Gemälde und Zeichnungen
spiegeln den Alltag an der Front wider. Unterhaltung finden die Krieger durch Gesellschaftsspiele und sogenannte
„Schützengrabenarbeiten“: Erhalten sind von Soldaten gefertigte Aschenbecher, Armreifen und Schnitzereien.
Verschiedene Instrumente, darunter eine Gitarre mit Unterschriften von Kriegskameraden, zeugen vom gemeinsamen
Musizieren an der Front.
Nicht nur die Soldaten an der Front, sondern auch die Zivilbevölkerung leiden durch den Krieg. Rohstoffe und
Lebensmittel sind knapp. Die Ausstellung zeigt, wie die Tirolerinnen und Tiroler versuchen, den Alltag so gut als
möglich aufrechtzuerhalten. Kriegskochbüchern ist u. a. zu entnehmen, wie vielseitig Kartoffelschalen
in Rezepten Verwendung finden. Kleider nähen die Menschen aus Wolllumpen oder mitunter aus Papierstoffen.
Die Frauen verrichten „klassische Männerarbeit“ und versorgen die Verwundeten in den Lazaretten.
Propaganda und Kommunikation
Weitere Themen in der Ausstellung sind Propaganda und Kommunikation. Die Funktion der Feldpost als Verbindung zur
Heimat und die massive Zensur, mit der Nachrichten belegt werden, werden beleuchtet. Zahlreiche Karten und Briefe
von Soldaten nach Hause sind ausgestellt. In der Ausstellung zu sehen sind sowohl Bilder, denen angesichts der
allgemeinen Kriegsbegeisterung eine kritische Haltung fehlt, als auch Arbeiten, in denen erschütternde Erlebnisse
dargestellt werden. Das „Finale“ von Egger-Lienz verdeutlicht, wie es dem Künstler gelingt, sich von den Erfordernissen
der k.u.k. Propagandamaschinerie loszulösen, und er zu expressiven Bildern findet, in denen das Grauen und
Leid des Kriegs stecken. Das Gemälde wurde für die Ausstellung als Leihgabe vom Leopold Museum, Wien
zur Verfügung gestellt.
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