Vienna Parliamentary Forum on Intelligence-Security am 6. und 7. Mai 2015 in der Wiener Hofburg
Wien (pk) - Hochrangige ParlamentarierInnen aus ganz Europa und den USA widmen sich auf dem "Vienna
Parliamentary Forum on Intelligence-Security" am 06. und 07.05. im Kleinen Redoutensaal der Wiener Hofburg
dem Thema NSA und dem Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und dem Interesse von Staaten an geheimdienstlicher
Information, die dazu dienen soll, Bedrohungen zu erkennen und abzuwehren.
Die Tagung in Wien mit ca. 100 TeilnehmerInnen ist eine Folgeveranstaltung zum Parliamentary Forum on Intelligence-Security,
zu dem die USA im September 2014 nach Washington eingeladen hatte. Ziel ist es, die transatlantische Zusammenarbeit
in Sicherheitsfragen zu stärken. Unter anderem wird an der Veranstaltung Devin Nunes, der Vorsitzende des
Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, teilnehmen. Ein besonderes Anliegen der USA ist die verbesserte
Kommunikation mit ihren Verbündeten über Geheimdienststrategien im Kampf gegen den Terrorismus. Hintergrund
dieser Bemühungen ist die Berichterstattung über die Tätigkeit der amerikanischen Geheimdienstbehörde
NSA, die in den letzten Jahren Zielscheibe der Kritik geworden ist.
Andreas Schieder: Grundrechte sind nicht verhandelbar
Bei der Eröffnung des Kongresses sprach SPÖ-Klubchef Andreas Schieder das Spannungsverhältnis von
Freiheit und Sicherheit an. Es gelte, hier die richtige Balance zu finden, sagte Schieder. Das Bemühen um
Sicherheit dürfe nicht zur Aufgabe der Freiheit führen. Die Grundrechte der BürgerInnen seien nicht
verhandelbar und müssten stets gewahrt werden. Besonders seit den Enthüllungen Edward Snowdens reißt
die Debatte über die Tätigkeit von Geheimdiensten und ihre Kontrolle nicht ab. Angesichts der rasanten
Entwicklung der Informationstechnologie und neuer Bedrohungsszenarien stehen Politik und Gesetzgeber vor großen
Herausforderungen. Das Forum diene dazu, Vertrauen aufzubauen und offene Fragen zu debattieren, sagte Schieder.
Schieder ist Leiter der Delegation der österreichischen ParlamentarierInnen, der auch die Abgeordneten Werner
Amon und Bernd Schönegger von der ÖVP, Andreas Karlsböck seitens der FPÖ, Peter Pilz von den
Grünen, Jessi Lintl für das Team Stronach und Christoph Vavrik von den NEOS angehören.
Unterschiedliche Zugänge der USA und Europas zu Datenschutz und Terrorismusbekämpfung
Auf dem Programm des Forums standen an diesem Mittwochnachmittag Vorträge zum Thema Datensammlung und Datensicherheit.
Grundsätzlicher Tenor war die Aussage, dass die Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit
aller Maßnahmen gewahrt bleiben muss. Der Gesetzgebung und der Justiz fallen wichtige Aufgabe zu, wenn es
gilt zwischen den Interessen nationaler Sicherheit einerseits und Menschen- und Bürgerrechten andererseits
die Balance zu wahren.
Den amerikanischen Zugang zu diesen Fragen stellte David Medine vom U.S. Privacy and Civil Liberties Oversight
Board dar, einer weisungsunabhängigen Behörde, die seit der Snowden-Affäre eine aktive Rolle in
der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit und Gesetzeskonformität von Geheimdienstprogrammen
hat. Sie hat in einer Reihe von Fällen auf bedenkliche Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes hingewiesen,
sagte Medine und konnte etwa aufzeigen, welche Programme zur Datensammlung bedenkliche Eingriffe in die Privatsphäre
darstellten, gleichzeitig aber wenig effektiv waren. Das Board konnte damit eine Reihe von Anregungen für
die Gesetzgebung der USA geben, die auf Fehlentwicklungen reagiert hat.
Medines Kollegin Rachel Brand stellte fest, dass in den USA die Fragen der Balance zwischen Sicherheitsinteressen
und der Wahrung der Privatsphäre sehr ernst genommen und breit diskutiert werden. Geheimdienste unterliegen
einer strengen Kontrolle ihrer Arbeit und ihre Angestellten müssen im Fall von Verstößen mit strikten
Konsequenzen rechnen, betonte sie. Sie unterstrich auch, dass amerikanische Behörden und Nachrichtendienste
sehr konkrete Nachweise der Notwendigkeit einer Maßnahme erbringen müssen, damit sie Informationen über
Personen sammeln dürfen. Je massiver der Eingriff in die Privatsphäre ist, umso strengere Regeln seien
einzuhalten. Es gebe auch viele Vorschriften, um Datenmissbrauch zu verhindern, wie etwa die Anonymisierung von
Namen Unbeteiligter, die Befristung der Datenspeicherung oder Einschränkungen beim Datenaustausch zwischen
Behörden. Brand war es ein Anliegen, Mythen und Gerüchte über den Umfang der geheimdienstlichen
Überwachung entgegenzutreten.
Gerhart Holzinger: Kontrolle von Datenerhebung und -verwendung ist zentral für Wahrung der Grundrechte
Der Präsident des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Gerhart Holzinger sprach über
rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Aspekte geheimdienstlicher Tätigkeit. Dem Prinzip des Rechtsstaats
entspreche es, dass jede nachrichtendienstliche Tätigkeit auf klaren gesetzlichen Grundlagen beruhen muss.
Nachrichtendienstliche Tätigkeiten greifen potenziell vor allem in zwei Grundrechte ein, nämlich das
Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Datenschutz.
Die europäische Rechtsprechung zu diesen Fragen gehe davon aus, dass jede staatliche Erhebung und Verwendung
von Daten über das Privatleben in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens eingreift, gleichgültig,
wie die Daten gewonnen wurden. Bereits 1991 hat der VfGH in dieser Frage ein Erkenntnis gefasst, wonach in einer
von Freiheit geprägten Gesellschaft niemand ohne triftigen Grund einen Einblick in die Privatsphäre gewähren
muss. Allen BürgerInnen steht das Recht zu, Einblick darüber zu erhalten, wer ihre Daten erhebt, verarbeitet
und weitergibt, und sie können die Richtigstellung und Löschung von Daten verlangen.
Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen können diese Rechte eingeschränkt werden. Diese Eingriffe müssen
gesetzlich fundiert sein sowie genau definierten Zielen dienen, die im öffentlichen Interessen liegen. Dabei
gilt jedoch nicht jedes Mittel als gerechtfertigt. Als Beispiel nannte Holzinger die Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung,
die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als unzulässig erklärt wurde, da sie eine generelle, undifferenzierte
Überwachung der gesamten Bevölkerung und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff in
die Grundrechte darstellt. Dieselben Überlegungen gelten auch für die geheimdienstliche Tätigkeit,
hielt Holzinger fest. Ein wichtiger Punkt ist, dass diese Aktivitäten der Kontrolle durch ein unabhängiges
Organ unterliegen müssen, etwa einem parlamentarischen Gremium. Bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen
betreffend polizeiliche und nachrichtendienstliche Befugnisse muss die Rechtsstaatlichkeit sowie die Balance zwischen
Freiheit und Sicherheit gewahrt bleiben, betonte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs.
Giovanni Buttarelli: Effektivität von Datenspeicherungen ist zu hinterfragen
Der europäische Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli erläuterte kurz den Auftrag und die Arbeitsweise
seiner Behörde. Im Mittelpunkt seines Beitrags stellte er die Herausarbeitung der Unterschiede, die in der
Auffassung betreffend Datenerhebung und –speicherung zwischen den USA und den EU-Ländern bestehen.
Ein wesentlicher Unterschied besteht für Buttarelli darin, dass die beiden Rechtssysteme unterschiedlich an
Datenschutzfragen herangehen. In den USA werden Datensammlung und extensive Datenspeicherung als rechtlich weit
weniger bedenklich angesehen, als es in Europa der Fall ist. Im Gegenzug werde in den USA sehr viel stärkeres
Gewicht auf die Kontrolle des Zugangs zu gespeicherten Daten gelegt, stellte Buttarelli fest. Europa habe durchaus
Nachholbedarf in Fragen der Datensicherheit.
Aktuelle Themen, in denen die unterschiedlichen Auffassungen der Rechtssysteme zum Tragen kommen und es Klärungsbedarf
in der Zusammenarbeit gibt, sind die Speicherung von Fluggastdaten und die Erhebung von Bankdaten zur Bekämpfung
der Terrorismusfinanzierung. Buttarelli zeigte sich dabei skeptisch in der Verhältnismäßigkeit
und Effektivität umfangreicher Datensammlungen. Der Fokus müsse weniger auf der Erhebung großer
Datenmengen als vielmehr auf relevanten Daten liegen, was einen hohen Level an Professionalität voraussetze,
meinte er.
Buttarelli geht grundsätzlich davon aus, dass es keinen Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit gibt.
Die Einschränkung von Grundrechten führe erstens nicht automatisch zur Erhöhung der Sicherheit.
Zweitens seien Begriffe wie "nationale Sicherheit" schwer eindeutig zu fassen. Man müsse immer mit
der staatlichen Tendenz rechnen, bestimmte Bereiche zu einer Sicherheitsfrage zu erklären und damit Grundrechtseingriffe
zu rechtfertigen. Das Pendel der öffentlichen Meinung schwinge in der Frage, welcher Aspekt, die Sicherheit
oder die Grundrechte, den Vorrang habe, je nach Anlass heftig hin und her. Den gesetzgebenden Körperschaften
komme damit eine besondere Verantwortung zu, maßvoll und verhältnismäßig zu reagieren und
die Konsequenzen zu bedenken, sagt Buttarelli.
Am Donnerstag wird die Tagung mit Fragen der Terrorismusabwehr fortgesetzt. Die Eröffnung übernimmt Werner
Amon, Vorsitzender des Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses. Weitere Vortragende des Tages sind
Iain Cameron von der Universität Uppsala, Robert Pittenger, Vorsitzender der "Task Force on Terrorism
and Unconventional Warfare" im US-Kongress, Devin Nunes als Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus
sowie Adam Schiff als hochrangiges Mitglied dieses Ausschusses. Letzter Sprecher des Tages wird Manuel Marion,
OSCE Deputy Head on Anti-Terrorism Issues, sein. Zum Abschluss lädt Nationalratspräsidentin Doris Bures
die TeilnehmerInnen des Forums zu einem Empfang ins Parlament.
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