Zwei Koryphäen des österreichischen Kulturlebens im Wiener Rathaus ausgezeichnet
Wien (rk) - Zwei Koryphäen des österreichischen Kulturlebens wurden am 06.05. im Wiener Rathaus
ausgezeichnet: Kammerschauspielerin Gertraud Jesserer erhielt die "Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien
in Gold"; Filmkünstler Peter Kubelka das "Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien". Zahlreiche
Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur haben sich als Gratulanten eingestellt, darunter die Kammerschauspieler
Otto Schenk und Helmut Lohner, Peter Matic, Barbara Coudenhove-Kalergi, Werner Schneyder, Klaus Maria Brandauer,
Peter Simonischek, Friedrich Achleitner, Hanno Pöschl, Arnulf Rainer und Gerhard Rühm.
"Gertraud Jesserer hat das ganze Spektrum abgebildet, das die darstellende Kunst zu bieten hat. Peter Kubelka
hat das Medium Film entkleidet und auch das Kochen zur Kunstform erhoben Beiden gemeinsam ist, dass sie das Medium,
für das sie tätig sind, auf das wesentliche reduziert und von Kitsch befreit haben".
Michael Horowitz, Journalist, Fotograf, Autor und Verleger, bezeichnete Gertraud Jesserer in seiner Laudatio als
"Schauspielerin mit magischer Ausstrahlung" und eine der "größten Menschendarstellerinnen
dieser Stadt": "Sie ist eine Frau voller Zauber, die Empfindungen in ihre Rollen zu legen vermag - Angst,
Staunen, Glück".
"Peter Kubelka ist einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts", sagte Alexander Horwath,
Direktor des Filmmuseums Wien in seiner Laudatio auf den "Zeitverdichter und Zeitsprenger" Peter Kubelka.
"Es ging ihm darum, das Medium Film vom Geschichtenerzählen zu befreien - und das ist ihm gelungen."
Er habe 8 Filme, 80 Konzerte, 800 Vorträge und 8000 Speisen geschaffen und alle seien miteinander verbunden.
Biographie Gertraud Jesserer
Gertraud Jesserer wurde 1943 in Wien geboren. Schon als Fünfzehnjährige spielte sie neben Romy Schneider
ihre erste kleine Filmrolle in "Die Halbzarte" (1958). Zwei Jahre später verließ sie vorzeitig
das Reinhardt-Seminar und debütierte in Molnárs "Liliom" am Theater in der Josefstadt, wo
sie bis 1969 blieb. 1973/74 kam sie an das Wiener Burgtheater, wo sie bis heute Ensemblemitglied ist und gelegentlich
als Gast auftritt. Besonders reüssierte Jesserer in Schnitzler-, Nestroy-, Hofmannsthal- und Horváth-Rollen,
aber sie überzeugte auch in Stücken von Wedekind, Shakespeare, Hauptmann, Hochhuth oder Wolfgang Bauer.
Jesserer wirkte auch in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, etwa in "Das Mädl aus der Vorstadt",
"Der veruntreute Himmel", "Der Salzbaron", "Höhenangst" oder "Tödliche
Wahl". Sie hatte Auftritte in zahlreichen Derrick-Folgen und in der TV-Serie "Stockinger" sowie
"SOKO 5113". 1999 war sie in Horváths "Figaro läßt sich scheiden" (TV) zu
sehen, 2006 in "Der lange Weg zurück".
1974 wurde Gertraud Jesserer für ihre Darstellung der Marianne in Horváths "Geschichten aus dem
Wiener Wald" mit der Kainz-Medaille ausgezeichnet. 1986 wurde sie Kammerschauspielerin. 1998 erhielt sie den
Nestroy Ring. Außerdem wurde ihr der goldene Rathausmann, die Goldene Kamera und im Jahr 2003 das Goldene
Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen.
Biographie Peter Kubelka
Kubelka studierte von 1952 bis 1954 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien (heute
Universität für Musik und darstellende Kunst). In dieser Zeit drehte er eine Sportfilmdokumentation,
die ihm ein Stipendium des Landes Oberösterreich einbrachte, mit dem er an der römischen Filmhochschule
"Centro Sperimentale di Cinematografia" von 1954 bis 1956 das Regie-Studium absolvieren konnte.
Kubelkas entwickelte unter anderem die Technik des "metrischen Films"; dessen Prinzip ist das Sich-Wiederholende.
Der erste experimentelle Film "Mosaik im Vertrauen" entstand 1955 gemeinsam mit Ferry Radax. Es folgten
"Adebar" (1957), "Schwechater" (1958) und "Arnulf Rainer" (1960) - heute Klassiker
der Filmgeschichte. 1964 gründete Kubelka gemeinsam mit Peter Konlechner das Österreichische Filmmuseum,
in dem Jahrzehnte später das Konzept des "Unsichtbaren Kinos" verwirklichte: Wände, Sitze,
Boden - alles im Kino ist schwarz, um das optimale Filmerlebnis zu ermöglichen.
Seit Mitte der sechziger Jahre hält Kubelka kulturtheoretische Vorlesungen an zahlreichen europäischen
und amerikanischen Universitäten, in denen das Kochen als kommunikatives Medium analysiert wird. Legendär
waren seine kunsttheoretischen Vorträge und Symposien wie beispielsweise "Ursprung und Zukunft des Designs
am Beispiel Essen und Trinken" in Bremen. Das Kochen ist für Kubelka die älteste schöpferische
Tätigkeit des Menschen. 1980 wurde er Professor für Film und war Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls
für "Film und Kochen als Kunstgattung" an der Kunsthochschule (Städelschule) in Frankfurt am
Main, deren Rektor er für einige Jahre war.
Seit 1995 kuratiert er den Zyklus "Was ist Film" im Österreichischen Filmmuseum. Das Filmmuseum
zeigte 2014 eine Retrospektive des Filmschaffens Kubelkas und organisierte anlässlich seines 80. Geburtstags
einen "Monument"-Filmabend in Anwesenheit des Künstlers.
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