GO-Ausschuss ebnet Weg für gemeinsame Initiative von SPÖ, ÖVP, Grünen und
NEOS
Wien (pk) - Österreichische Europaabgeordnete können künftig auch an Debatten im Nationalrat
teilnehmen. Der Geschäftsordnungsausschuss hat am 13.05. den Weg für eine entsprechende Initiative der
Koalitionsparteien, der Grünen und der NEOS geebnet. Das Rederecht wird demnach für Aktuelle Europastunden
und Debatten über EU-Erklärungen der Regierung gelten. Außerdem sollen die EU-ParlamentarierInnen
auch dann im Hohen Haus mitdiskutieren können, wenn es um eine Änderung des EU-Grundlagenvertrags geht
oder wenn hochrangige internationale Gäste vor dem Nationalrat eine Erklärung abgeben. Der Beschluss
im Ausschuss fiel mit breiter Mehrheit, lediglich die FPÖ und das Team Stronach stimmten dagegen.
Voraussetzung für Wortmeldungen von Europaabgeordneten in Plenardebatten ist eine zeitgerechte Nominierung
durch den eigenen Klub, und zwar spätestens 48 Stunden vor der Diskussion. Zudem wird das Rederecht auf je
einen Europaabgeordneten bzw. eine Europaabgeordnete pro Fraktion beschränkt, als Redezeit sind fünf
Minuten vorgesehen. Bei Erklärungen namhafter internationaler Persönlichkeiten entscheidet die Nationalratspräsidentin
nach Beratungen in der Präsidiale über die etwaige Beiziehung von EP-Abgeordneten zur Debatte.
Basis für den Beschluss bildete ein Gesetzesantrag der Koalitionsparteien ( 674/A), der durch einen gemeinsamen
Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS umfassend überarbeitet wurde. Neben einem
Rederecht bei Plenardebatten sieht er auch ein ausgeweitetes Rederecht von Europaabgeordneten in den Ausschüssen
des Nationalrats vor. Die EU-MandatarInnen haben künftig nicht nur die Möglichkeit, an den Beratungen
der EU-Ausschüsse, sondern, im Falle eines entsprechenden Verlangens des eigenen Klubs, auch an den Beratungen
von Fachausschüssen teilzunehmen, etwa wenn diese eine Aktuelle Europa-Aussprache auf der Tagesordnung haben
oder über einen vom zuständigen Regierungsmitglied vorgelegten EU-Vorhabensbericht diskutieren. Neu ist
überdies die Möglichkeit der beiden EU-Ausschüsse des Nationalrats, einen Fachausschuss durch Vorlage
eines Berichts direkt mit einem bestimmten EU-Vorhaben zu befassen.
Schließlich wird mit dem gemeinsamen Antrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS auch ein Rederecht
herausragender Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik im Hohen Haus geschäftsordnungsrechtlich
verankert. Wichtige ausländische PolitikerInnen können demnach vom Nationalratspräsidenten bzw.
von der Nationalratspräsidentin nach Beratung in der Präsidialkonferenz zur Abgabe einer Erklärung
zu einem bestimmten Thema eingeladen werden. Im Gegenzug zu dieser neuen Bestimmung entfallen die geltenden Bestimmungen
über die Abhaltung einer EU-Enquete, sie war bislang als Vehikel für Diskussionen von Abgeordneten mit
internationalen Persönlichkeiten gedacht.
Abseits des Themenkomplexes Rederecht wird normiert, dass nicht nur eine Krankheit, sondern auch andere medizinische
Ursachen ein triftiger Verhinderungsgrund für die Nichtteilnahme von Abgeordneten an Nationalratssitzungen
sind. Das betrifft etwa für weibliche Abgeordnete die Zeit unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes
oder Rehab-Behandlungen nach einem Unfall.
Begründet wird die Gesetzesinitiative von den AntragstellerInnen mit der zunehmenden Bedeutung von EU-Themen
in der politischen Diskussion. Durch die Beiziehung von Europaabgeordneten zu Debatten könne deren Expertise,
Erfahrung und Sichtweise verstärkt in die Beratungen des Nationalrats einfließen, heißt es in
den Erläuterungen.
Mit dem Beschluss des Antrags gelten eigenständige Anträge der Grünen ( 547/A) und der NEOS ( 502/A)
als miterledigt. In Kraft treten soll die Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz am 1. August.
FPÖ gegen Rederecht von Europaabgeordneten im Plenum
Abgeordneter Gernot Darmann begründete die Ablehnung des Antrags durch die FPÖ damit, dass es keine Notwendigkeit
gebe, Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrats ein Rederecht einzuräumen. Es wäre sinnvoller, würden
die EU-ParlamentarierInnen in den Ausschüssen mitdiskutieren und dort ihre Expertise einbringen, sagte er.
Darmann bezweifelte außerdem, dass die Anknüpfung des Rederechts an die Zugehörigkeit zu einem
Parlamentsklub im Hohen Haus EU-Recht entspricht und damit verfassungskonform ist. Europaabgeordnete, die keinem
Klub angehören und damit keine Verbindung zum Nationalrat haben, seien von den Beratungen ausgeschlossen.
Für das Plenum stellte Darmann ein differenziertes Abstimmungsverhalten der FPÖ in Aussicht. Unter anderem
will die FPÖ der stärkeren Einbeziehung von Europaabgeordneten in die Ausschussarbeit und der geänderten
Verhinderungsregelung für Abgeordnete zustimmen.
Ausdrücklich begrüßt wurde die Gesetzesinitiative, die bereits im Geschäftsordnungs-Komitee
des Nationalrats ausführlich vorberaten worden war, von den Abgeordneten Otto Pendl (S), August Wöginger
(V) und Dieter Brosz (G). Die erzielte Kompromissvariante sei eine gute, nicht zuletzt, weil sie auch praktikabel
sei, betonte Brosz. Er sieht auch kein Problem darin, dass Europaabgeordnete, die keinem Parlamentsklub angehören,
vom Rederecht ausgenommen sind, schließlich könnten von den anderen Europaabgeordneten auch nicht alle,
sondern immer nur jeweils einer pro Fraktion sprechen.
Vorab-Prüfung von Staatsverträgen durch den VFGH: FPÖ-Antrag vertagt
Vom Geschäftsordnungsausschuss mit breiter Mehrheit vertagt wurde ein Gesetzesantrag der FPÖ ( 79/A),
der darauf abzielt, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, Staatsverträge schon vor ihrer
Kundmachung im Bundesgesetzblatt auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Derartige Prüfanträge
sollen demnach von 20 Abgeordneten zum Nationalrat, 7 Mitgliedern des Bundesrats oder einer Landesregierung eingebracht
werden können. Stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Staatsvertrag verfassungswidrig ist, wäre
gemäß dem FPÖ-Vorschlag eine Genehmigung durch den Nationalrat unzulässig und der Ratifikationsprozess
umgehend zu stoppen.
SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl begründete die Vertagung damit, dass man noch genauer prüfen müsse,
wie man den Sachverhalt am besten geschäftsordnungsrechtlich regle. Grundsätzlich stehe er dem Anliegen
positiv gegenüber, versicherte er. Auch Grün-Abgeordneter Dieter Brosz und Zweiter Nationalratspräsident
und Ausschussvorsitzender Karlheinz Kopf (V) sehen noch einigen Klärungsbedarf. Man habe sich in der Präsidiale
ohnehin darauf geeinigt, offene Geschäftsordnungsfragen möglichst bald im GO-Komitee zu besprechen, hoben
Brosz und Kopf hervor, dort könnte man dann auch über den Vorschlag der FPÖ beraten.
FPÖ verlangt Ausweitung des Interpellationsrechts
Einstimmig vertagte der Ausschuss schließlich einen Antrag der FPÖ ( 7/A) zur Ausweitung des Interpellationsrechts
von Abgeordneten. Geht es nach Abgeordnetem Harald Stefan und seinen FraktionskollegInnen sollen die Regierungsmitglieder
verpflichtet werden, Abgeordneten und BundesrätInnen auch Auskünfte über Fragen zur Geschäftsführung
staatsnaher Unternehmen zu erteilen. Das Fragerecht der Abgeordneten sei in der Vergangenheit durch die Ausgliederung
von Unternehmen sukzessive eingeschränkt worden, klagt er. Der Vertagungsantrag wurde von der FPÖ selbst
eingebracht, mit dem Argument, dass eine Neuformulierung des Interpellationsrechts ohnehin im Zuge der Beratungen
über das geplante Informationsfreiheitsgesetz in Diskussion stehe.
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