Graz (acib) - Im Pflanzenschutz gibt es viel umweltfreundlichere Möglichkeiten, als die Äcker mit
Spritzmitteln zu belasten. ForscherInnen des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der TU Graz
verwenden natürliche Bakterien als Beschützer von Nutzpflanzen – die umweltfreundlichste Art des Pflanzenschutzes.
Sie verhindern den Schädlingsbefall, fördern das Wachstum und erhöhen die Widerstandsfähigkeit
der Pflanzen.
Das Übel kommt heimlich und ist erst kurz vor der Ernte sichtbar: Bei der späten Rübenfäule
befallen Pilze Rüben oder Mais im Wurzelbereich unter der Erde. Die Fäulnis arbeitet sich von unten und
innen vor, bis sie im Herbst sichtbar wird. Die Ernte ist dahin. Jahr für Jahr berichten Medien über
Ernteausfälle, weil Nutzpflanzen trotz des Einsatzes vom Spritzmitteln von Schädlingen befallen werden.
Oder weil Nützlinge wegen der Spritzmitteln sterben wie Bienen durch Neonicotinoide. „Dazu kommen immer extreme
Umweltbedingungen wie Hitzeperioden, Trockenheit oder Überschwemmungskatastrophen“, weiß acib-Forscherin
Christin Zachow.
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ist am besten Weg, Schutzmaßnahmen ohne „chemische
Keule“ zu perfektionieren. Genau genommen geht es um einen biologischen Pflanzenschutz, bei dem Mikroorganismen
(Bakterien) zu Leibwächtern für Nutzpflanzen wie Mais, Raps, Tomate, Hirse oder eben die Zuckerrübe
werden. Die Idee ist, dass besondere Bakterien zusammen mit der Pflanzensaat am Acker ausgebracht werden. Das acib
nutzt die wachstumsfördernden Eigenschaften der Mikroorganismen: Während die Saat keimt, entwickeln sich
gleichzeitig die Mikroorganismen, versorgen die Pflanze mit Nährstoffen, fördern das Wachstum, wehren
Schädlinge ab, verringern den Stress für die Nutzpflanze und erhöhen deren Widerstandsfähigkeit.
„Die Nutzpflanzen sind durch den Klimawandel gefordert, durch Trockenheit und übersalzte Böden. Dazu
kommen Nährstoffmängel durch den Einsatz von Monokulturen“, weiß Christin Zachow. Zusammen mit
Prof. Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz betreut sie das Projekt seit 2011. Es
gilt also, Bakterien zu finden, die an extreme Umweltbedingungen angepasst sind. Jede Pflanze und jeder Boden braucht
spezielle Bakterien. Fündig werden die ForscherInnen zum Beispiel im Umfeld von Moosen und Flechten. Erstere
vertragen saure Böden und Nährstoffmängel, während letzte UV-Licht oder Trockenheit aushalten.
Jene Bakterien, die wachstumsfördernd wirken, werden identifiziert, charakterisiert und auf ihre Stressresistenz
getestet. Hat man eine Erfolg versprechende Bakterienpopulation gefunden, wird diese gezielt verbessert, damit
sie mit den Umweltbedingungen noch besser umgehen kann. Erfolge zeigten sich bei den Bakterienarten Pseudomonas
poae und Stenotrophomonas rhizophila. „Wir wollen wissen, welche Gene wann aktiv sind, sodass die Bakterien unter
den vorgefundenen Bedingungen ideal mit den Nutzpflanzen zusammenwirken“, erklärt Zachow. Während Stenotrophomonas
in der salzigen Steppe von Usbekistan einen gewaltigen Wachstumsschub von Nutzpflanzen bewirken konnte, machte
Pseudomonas gleiches am Zuckerrüben-Testacker vom acib-Industriepartner KWS Saat AG in Südbayern. Fünf
Industriebetriebe sind aktuell am Forschungsprojekt beteiligt, eines davon aus Russland.
Sind die Voruntersuchungen abgeschlossen, kommen Fangpflanzen zum Einsatz. Zachow: „Sie suchen genau jene Bakterienarten
aus, die sie für ein perfektes Wachstum brauchen.“ Das funktioniere letztendlich wie der menschliche Darm,
dessen Mikroflora die Gesundheit der Menschen unterstütze. Am Ende der Entwicklung hin zu einem kommerziellen
Produkt steht ein Samen, der von einer „Bakterienhülle“ umschlossen ist. Im feuchten Boden wachsen die Bakterien
mit dem keimenden Samen mit und schützen ihn.
Das Ziel: „Wir wollen gesunde Pflanzen und letztendlich eine gesunde Nahrung haben“, sagt die Wissenschafterin,
„ein funktionierendes System im biologischen Pflanzenschutz ist eine echte Alternative zu Spritzmitteln.“ Auf jeden
Fall ist der biologische Pflanzenschutz ein großer Schritt für die biologische Landwirtschaft und zu
gesunden Nahrungsmitteln.
Letztendlich steht die acib-Methode in Konkurrenz zu herkömmlichen „Pflanzenschutzmitteln“. Rund 40 Milliarden
Euro setzt die chemische Industrie mit derartigen Produkten pro Jahr weltweit um, ein Drittel dieser Chemieprodukte
landet auf den Äckern in der EU.
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) ist ein internationales Kompetenzzentrum für industrielle
Biotechnologie mit Standorten in Wien, Graz, Innsbruck, Tulln, Hamburg und Bielefeld (D), Pavia (I) und Barcelona
(E). Das acib ist ein Netzwerk von 80+ Projektpartnern, darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer
Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, Evonik, VTU Technology oder 3M. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck
und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research.
Beim acib forschen und arbeiten 200+ Beschäftigte an mehr als 70 Forschungsprojekten, bei denen es darum geht,
herkömmliche Prozesse und Produkte durch umweltfreundlichere und wirtschaftlichere Zugänge zu ersetzen.
Öffentliche Fördermittel bekommt das acib von der Forschungsförderungsgesellschaft der Republik
Österreich (FFG), der Standortagentur Tirol, der Steirischen Wirtschaftsförderung (SFG), dem Land Niederösterreich
und der Technologieagentur der Stadt Wien (ZIT).
Das Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence
Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFJ sowie die Länder Steiermark, Wien und Tirol gefördert.
Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.
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