Nationalrat spricht sich einhellig gegen EU-Förderungen für Atomprojekte aus
Wien (pk) - Österreichs Klage gegen staatliche Förderungen für die Erweiterung von Hinkley
Point sei so gut wie fertig und werde fristgerecht bis Anfang Juli beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht,
gab Umweltminister Andrä Rupprechter sich am 21.05. im Nationalrat zuversichtlich, dass die österreichische
Anti-Atompolitik auf europäischer Ebene Erfolg zeigt. Luxemburg habe bereits zugesichert, sich der österreichischen
Nichtigkeitsklage wegen Verletzung des Beihilferechts bei einem Ausbau des britischen Atomkraftwerks anzuschließen
und bei den kommenden EU-Umweltministertreffen werde er gegen eine mögliche Finanzierung dieses Projekts im
Rahmen des EU-Investitionspakets auftreten. "Das Ziel ist ein gesamteuropäischer Ausstieg aus der Atomkraft",
betonte Rupprechter und fand darin Übereinstimmung mit allen sechs Parlamentsparteien.
Die Abgeordneten unterstützten das Vorgehen der Bundesregierung nicht nur in ihren generell positiven Wortmeldungen,
sondern auch in einer einstimmig angenommenen Entschließung. Darin werden eine Finanzierung von Nuklearprojekten
mit dem geplanten Europäischen Investitionspaket (EFSI) und jedwede Bevorzugung der Kernenergie in der Europäischen
Union dezidiert abgelehnt.
Zudem drängt das Nationalratsplenum die Regierung in dem Entschließungsantrag, alle rechtlich und politisch
möglichen Schritte zu setzen, um einen Ausbau der tschechischen Atomkraftwerke Temelín und Dukovany
zu unterbinden, und weiter eine Neuausrichtung des EURATOM-Vertrags voranzutreiben. Die Europäische Atomgemeinschaft
soll sich ausschließlich auf Sicherheitsaspekte konzentrieren und die Mitgliedstaaten bei einem geordneten
Ausstieg aus der Atomkraft unterstützen, so das Ziel der Abgeordneten. Weiters seien mehr Mittel in Forschung
im Bereich erneuerbare Energie zu investieren.
Basis dieser einstimmig angenommenen Forderungen bildete ein SPÖ-ÖVP-Vorstoß, der zuvor im Umweltausschuss
auf Initiative aller sechs Fraktionen noch ergänzt worden war, und ein miterledigter FPÖ-Antrag zum AKW
Temelín und zum EURATOM-Vertrag. Einhellig befürwortet wurde außerdem ein während der Debatte
eingebrachter Aufruf der Freiheitlichen an die Regierung, entschlossen gegen Aus- und Neubau aller grenznahen Nuklearkraftwerke
aufzutreten. Die Forderung der Grünen, die Europäische Kommission den Ausbau des ungarischen Atommeilers
Pécs ebenfalls beihilfenrechtlich prüfen zu lassen, wurde dagegen mehrheitlich abgelehnt. ÖVP-Mandatar
Johannes Rauch erklärte dies mit dem Bedarf an gesicherten Informationen über das Projekt im östlichen
Nachbarland, die noch einzuholen seien.
Österreichischer Konsens gegen Atomkraft vom Plenum mitgetragen
"In Österreich besteht eine breite Allianz gegen Atomkraft" brachte Abgeordneter Johann Höfinger
(V) die allgemeine Haltung in Politik und Zivilgesellschaft auf den Punkt. Der zweite Initiator des Antrags, in
dem anlässlich der Jahrestage der Atomkatastrophen Tschernobyl und Fukushima die österreichische Anti-Atompolitik
bekräftigt wird, betonte ebenfalls, das geeinte Bekenntnis der sechs Fraktionen unterstreiche den nationalen
Konsens, die Energiewende in Europa ohne Atomstrom voranzutreiben. Beide Mandatare sind einig, die Zukunft der
Energieversorgung liege in alternativen Energieformen, worin Österreich laut Höfinger mit seiner nachhaltigen
Nutzung der Energieträger Sonne, Wind, Wasserkraft und mit nachwachsenden Rohstoffen Vorreiter sei. Johann
Rädler (V) fügte an, die 32% an erneuerbarer Energie bildeten ein gutes Fundament für die Republik,
ihre umweltfreundlichen Energieformen auszuweiten.
Wenn NEOS auch wie die anderen Fraktionen klar gegen die Nutzung, EU-Finanzierung und Förderung von Atomenergie
auftrete, vermisse seine Partei doch eine evidenzbasierte Bewertung neuer Technologien zur Stromgewinnung, meinte
Abgeordneter Michael Pock (N). Zudem forderte er im Einklang mit Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner,
andere Mitgliedsländer der Europäischen Union beim Ausstieg aus der Atomkraft zu unterstützen, anstatt
nur das "Abdrehen" der Reaktoren zu verlangen. Ländern wie Ungarn seien Alternativen zur Abdeckung
des Energiebedarfs anzubieten, etwa mittels Windkraft wie im Burgenland, regte Brunner an und Pock nannte konkret
Kooperationen in der Forschung, gerade im Bereich Akw-Sicherheit.
Entscheidend ist für ihn bei einer derartigen grenzübergreifenden Zusammenarbeit allerdings, Österreichs
Mitgliedschaft in der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) nicht aufzugeben, wie dies das Team Stronach
will. Ulrike Weigerstorfer (T) hatte nämlich für einen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag plädiert,
weil Österreich dadurch trotz hoher Beitragszahlungen kaum Mitspracherechte bei Sicherheitsfragen zu ausländischen
"Schrottreaktoren" habe.
Eingedenk des Auftrags der Bevölkerung, "Österreich atomstromfrei zu halten", müsse die
Regierung gegen Erweiterungen vor allem grenznaher Atomkraftwerke mobil machen, drängte Werner Neubauer (F)
namens seiner Fraktion. Klarzustellen ist aus Sicht der FPÖ auf internationaler Ebene, dass Langzeitverlängerungen
oder AKW -Neubauten – Stichwort Hinkley Point – keinen Ersatz für Alternativenergien bieten. Matthias Köchl
(G) präzisierte das Anliegen mit der Warnung vor einem möglichen Ausbau des Nuklearkraftwerks in Pécs,
den die ungarische Regierung mit russischer Hilfe plane. Unglücklicherweise erfolge die Projektplanung sehr
intransparent, kritisierte Köchl, wie überhaupt Atomkonzerne Veröffentlichungen über Betrieb
und Endlagerung von Atommüll bei ihren Kraftwerken meiden. In puncto Entsorgung von Brennstäben bekräftigte
Pock: "Ohne Endlagerungsstätte darf es keine Atomenergie geben!"
Rudolf Plessl (S) wies in diesem Zusammenhang auf den beträchtlichen Finanzaufwand bei Errichtung und Betrieb
eines Atomkraftwerks hin. Hinkley Point etwa werde Analysen zufolge 34 Mrd. € an Baukosten erfordern, sei somit
das "teuerste Atomkraftwerk der Welt", das wiederum von den britischen SteuerzahlerInnen finanziert werden
müsse. Gewinnträchtig sei dieses Unterfangen ohne Preisstützen nicht, folgerte der SPÖ-Mandatar,
der deswegen in der Klage gegen einen neuen Reaktor des Atommeilers in Großbritannien die richtige Entscheidung
sieht.
Beihilfen für den geplanten Reaktor Hinkley Point C widersprächen klar dem EU-Recht, bestätigte
Umweltminister Rupprecher. Derzeit befinde sich die diesbezügliche Nichtigkeitsklage Österreichs gegen
die positive Beihilfenentscheidung der Europäischen Kommission im "Feinschliff", Ende Juni oder
Anfang Juli gehe man damit beim Europäischen Gerichtshof in die Offensive. Konkret handelt es sich um einen
gesicherten Abnahmepreis für den vom AKW Hinkley Point produzierten Strom, eine Finanzierungsgarantie und
Beihilfen im Falle einer vorzeitigen Schließung des Kernkraftwerks. Rückendeckung signalisiere zwar
bereits die luxemburgische Regierung, problematisch ist in Rupprechters Augen aber die derzeitige Neuformation
der Atomlobby, nachdem die öffentliche Erinnerung an die letzten Nuklearkatastrophen mehr und mehr verblasse.
"Es darf keine Sonderstellung oder außerordentliche Unterstützung für Atomenergie geben",
appellierte er dafür, wachsam zu sein, vor allem hinsichtlich möglicher Gelder für Nuklearprojekte
aus dem EU-Investitionsprogramm.
Zum geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Temelín drückte der Bundesminister sein Bedauern über
die bereits erfolgte Genehmigung der neuen Reaktorblöcke durch Tschechien aus. Von seinem tschechischen Amtskollegen
habe er jedoch erfahren, dass ein tatsächlicher Bau der Erweiterungen unsicher sei, zumal angesichts der erwarteten
Nichtigkeitsklage gegen Hinkley Point Beihilfen für Temelín fraglich sind. Unbenommen dessen habe man
zu bedenken, so Rupprechter, rechtliche Schritte zur Verhinderung von Atomkraftwerken in anderen Ländern gingen
ins Leere, wenn alle Kriterien einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt sind.
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