Mikl-Leitner für umfassende und rasche Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe
Wien (pk) – Hat der amerikanische Geheimdienst NSA mit Unterstützung des deutschen Bundesnachrichtendienstes
Daten österreichischer Telekom-KundInnen ausgespäht? Und was hat der heimische Verfassungsschutz davon
gewusst? Um diese Fragen drehte sich die Aktuelle Stunde am 20.05. im Nationalrat, die von den Grünen beantragt
wurde. Ihr Sicherheitssprecher, Peter Pilz, warf den zuständigen Regierungsvertretern und vor allem dem Verfassungsschutz
Untätigkeit in dieser Spähaffäre vor. Die Täter seien bekannt und die österreichische
Bevölkerung habe ein Recht darauf, dass ihre Daten geschützt werden. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
konterte mit dem Argument, dass sie bereits eine Anzeige gegen Unbekannt eingebracht habe. Sie versicherte den
Abgeordneten, dass die Ermittlungen auf Hochtouren laufen und alles getan werde, um die Vorwürfe aufzuklären.
Pilz: NSA und BND gegen Österreich – Wie können wir uns schützen?
Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz ging auf die Vorgeschichte der Causa ein, die bereits im Jahr 2004
ihren Ausgang nahm. Seit diesem Zeitpunkt war nämlich dem Bundesnachrichtendienst bekannt, dass der NSA Leitungen
ausspäht. Als man anhand der Selektoren, also der Suchkriterien, feststellte, dass auch deutsche Unternehmen
betroffen sind, wurde am 1. März 2004 der Geschäftsbesorgungsvertrag "Transit" abgeschlossen.
Dessen Ziel war es, speziell jene Telekom-Verbindungen auszuspähen, die ihren Ursprung oder ihr Ende nicht
in Deutschland haben (sogenannte Transitleitungen). Der BND hat für eine Miete von 3.500 € bei der deutschen
Telekom Räumlichkeiten angemietet und die Daten jener Leitungen, die den NSA interessiert haben, in die BND-Zentrale
Pullach und die US-Abhörstation in Bad Aibling übermittelt. Dort wurden dann gemeinsam von BND und NSA
sämtliche Telefongespräche, E-Mails, SMS, Internetaktivitäten etc. ausgewertet, also auch Millionen
Daten von österreichischen Bürgern, Unternehmen und Ämtern. Beweis dafür sei u.a. ein E-Mail
eines Telekom-Mitarbeiters an einen BND-Mann, in dem u.a. von einer Prioritätenliste, die auch die Verbindung
"Luxemburg-Wien" umfasst, die Rede ist. Damit sei eindeutig belegt, dass von Seiten des Bundesnachrichtendienstes
und des NSA Daten aus einer Leitung der Telekom Austria AG gestohlen wurden, unterstrich Pilz. Es seien aber auch
noch andere Leitungen, wie z.B. Amsterdam - Salzburg, Amsterdam - Linz, Wien - Moskau, Wien – Sydney, Wien – Jakarta,
betroffen.
Schon vor einigen Monaten habe er Minister Kurz ein Dokument zur Verfügung gestellt, aus dem hervorgeht, dass
die Selektoren von der CIA im Auftrag der damaligen Außenministerin Hillary Clinton in Wien beschafft wurden.
Darin finden sich etwa alle Telefon- und Kreditkartennummern der UNO-Mitarbeiter und vieles mehr. Außerdem
wies Pilz darauf hin, dass der NSA und der CIA in Wien spezielle Überwachungseinrichtungen installiert haben
– z.B. Antennen auf der amerikanischen Botschaft - die derzeit gerade modernisiert werden. All dies geschehe unter
den Augen des österreichischen Verfassungsschutzes und des Außenministeriums, beklagte der G-Mandatar.
Er forderte die politisch Verantwortlichen sowie auch die Telekom Austria AG auf, endlich zu reagieren und entsprechende
Schritte zu setzen, damit die Daten der österreichischen BürgerInnen wieder geschützt sind. Die
von der Innenministerin eingebrachte Anzeige sei nicht ausreichend, da sie gegen unbekannte Täter gerichtet
ist. Verärgert zeigte sich Pilz zudem über den Verteidigungsminister, der sich noch immer weigere, die
Frage zu beantworten, ob es einen Vertrag zwischen NSA und Heeresnachrichtendienst gibt.
Mikl-Leitner kündigt neues Cyber-Sicherheitsgesetz an
Es sei richtig, dass vor kurzem in Deutschland Vorwürfe laut geworden sind, wonach die NSA in enger Zusammenarbeit
mit dem BND Einrichtungen in Ländern der Europäischen Union, u.a. auch in Österreich, ausspionieren
bzw. ausgespäht haben soll, konstatierte Innenministerin Mikl-Leitner ein. Da dies sehr schwerwiegende Vorwürfe
sind, setze sich Österreich für eine rasche und umfassende Aufklärung ein, und zwar sowohl auf politischer,
justizieller als auch auf diplomatischer Ebene. Dem Abgeordneten Pilz gegenüber stellte die Ministerin klar,
dass der Verfassungsschutz sehr wohl umgehend reagiert und Anzeige gegen Unbekannt gemäß Paragraph 256
StGB ("Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs") erstattet hat. Darüber hinaus
stehen die Beamten des Staatsschutzes in enger Verbindung mit den deutschen Sicherheitsbehörden.
Was den angeblichen Beweis des Abgeordneten Pilz für Spionagetätigkeit des BND betrifft, so handle es
sich dabei um ein zehn Jahre altes Mail, das eine Reihe von technischen Daten und Fakten enthält, die viel
bedeuten können, aber auch nichts, erklärte Mikl-Leitner. Laut Einschätzung der ExpertInnen ihres
Hauses könne man daraus nicht ablesen, wem die angesprochene Leitung gehört und welche Daten damit übermittelt
werden. Auch aus deutschen Sicherheitskreise wurde inzwischen verlautbart, dass sich aus dem veröffentlichten
E-Mail keine Spionagetätigkeiten ableiten lassen. Dennoch werde man alles daran setzen, um die Vorwürfe
restlos aufzuklären, versprach die Ministerin, von Vorverurteilungen sollte jedoch Abstand genommen werden.
Mikl-Leitner nahm die Aktuelle Stunde auch zum Anlass, um sich generell mit der Frage zu befassen, wie sich Österreich
vor Angriffen und Übergriffen im Cyber-Raum schützen könne. Neben einer verstärkten Bewusstseinsbildung
in Sachen Cyber-Sicherheit, müssen von Seiten der Behörden neue Rechte und Pflichten für die virtuelle
Welt definiert werden. Um die Prinzipien Innovation, Technologie, Datenschutz und Recht bestmöglich in Einklang
zu bringen, soll ein Cyber-Sicherheitsgesetz ausgearbeitet werden, kündigte Mikl-Leitner an. Da gerade die
neuen Technologien nicht an nationalen Grenzen halt machen, brauche es natürlich auch einen gemeinsamen europäischen
Ansatz für einen digitalen Binnenmarkt, war die Ressortchefin überzeugt.
Opposition wirft Regierungsvertretern Verharmlosung und Untätigkeit vor
In der darauf folgenden Debatte stimmten alle RednerInnen darin überein, dass die Vorwürfe bezüglich
Ausspähung österreichischer BürgerInnen durch NSA und BND restlos aufgeklärt werden müssen.
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder verwies auf das Grundrecht auf Datenschutz, das mit aller Kraft verteidigt
werden müsse. Auch im Kampf gegen den Terror, der eine fundamentale Bedrohung der Grundrechte darstellt, dürfe
nicht auf die richtige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit vergessen werden. Der Geheimdienstskandal rund
um den BND habe jedoch nichts mit Terrorbekämpfung zu tun. Die drei zuständigen österreichischen
Ressorts (Innen-, Außen- und Verteidigungspolitik) sind bereits tätig geworden, begrüßte
Schieder. Sollte man auf diplomatischen Weg aber nicht ausreichend Informationen erhalten, dann müsse man
sich neue Schritte überlegen. Eine effiziente Bekämpfung solcher Vorkommnisse sei nur dann möglich,
wenn die eigenen Organe auch auf dem neuesten technologischen Stand ausgestattet sind, gab sein Fraktionskollege
Otto Pendl zu bedenken. Gleichzeitig müsse seiner Meinung nach eine starke parlamentarische Kontrolle sichergestellt
sein.
ÖVP-Redner Werner Amon (V) äußerte Bedauern darüber, dass die Grünen aus dieser Causa
politisches Kleingeld schlagen wollen, obwohl die Ministerin detailliert Stellung genommen hat und es im Grunde
allen Fraktionen um eine rasche Aufklärung der Vorwürfe geht. Außerdem solle man die Bevölkerung
nicht noch zusätzlich verunsichern, ergänzte Bernd Schönegger (V). Er hätte sich allerdings
gewünscht, dass heute auch der Verteidigungsminister, der für die Auslandsaufklärung zuständig
ist, den Nationalrat informiert hätte.
Überhaupt nicht nachvollziehen konnte FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch-Jenewein die Ausführungen
der Innenministerin, die bloß die Stellungnahme des deutschen Bundesnachrichtendienstes verlesen habe. Generell
warf sie der Regierung vor, vor der amerikanischen Politik in die Knie zu gehen und die Kernkompetenz des Staates,
nämlich für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, zu vernachlässigen. Auch Gernot Darmann
schloss sich der scharfen Kritik an Mikl-Leitner an, die viele Antworten schuldig geblieben ist. Er erinnerte daran,
dass die FPÖ bereits im Juni 2013 eine Dringliche Anfrage eingebracht hat, die die Enthüllungen von Edward
Snowden zum Inhalt hatte; von rascher Aufklärung könne daher keine Rede sei. Man werde daher wohl um
einen Untersuchungsausschuss nicht herumkommen, mutmaßte Darmann.
Auch Albert Steinhauser von den Grünen hielt es für wenig beruhigend, wenn die Innenministerin heute
sagt, sie stehe mit den deutschen Behörden in Kontakt, da diese wohl eher ein Interesse an der Verschleierung
der Fakten als an der Aufklärung haben. Dies sei eine inakzeptable Verharmlosung, zumal die Fakten auf dem
Tisch liegen, unterstrich Steinhauser. Eine nicht funktionierende Spionageabwehr stelle zudem eine massive Schädigung
des Wirtschaftsstandortes Österreich dar, gab er zu bedenken. Außerdem gehe es um den Schutz der Privatsphäre,
um Datenschutz und um Grundrechte, erklärte Daniela Musiol (G), also um Eckpfeiler der Demokratie. Daher sei
es wenig hilfreich, wenn die Innenministerin versucht, aus einem Elefanten eine Mücke zu machen.
Jessi Lintl vom Team Stronach ortete eine große Unehrlichkeit, was die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten
betrifft. Den europäischen Staaten sei zwar klar, dass ausreichend Informationen notwendig sind, um sich gegen
verbrecherische Organisationen und Terror zu schützen, die notwendigen Ressourcen dafür werden jedoch
nicht bereit gestellt. Aus diesem Grund sei Europa derzeit den USA ausgeliefert, urteilte Lintl. Ihr Fraktionskollege
Georg Vetter wiederum bezeichnete die ganze Debatte als große Ablenkungsaktion. Viel mehr Sorgen bereite
ihm nämlich das geplante Ende des Bankgeheimnisses. Dabei handle es sich nämlich um den größten
Angriff auf die Privatsphäre der ÖsterreicherInnen in der Zweiten Republik.
Der Skandal rund um BND und NSA sei in der Tat empörend, meinte NEOS-Vertreter Nikolaus Alm, aber leider nur
eine Facette in einem System der Massenüberwachung, das immer größere Ausmaße annimmt. Ein
Beispiel dafür sei das neue Staatsschutzgesetz, wo es u.a. zu Erweiterungen von Befugnissen kommt, denen aber
keine Kontrollen gegenüberstehen. Alm befürchtete ebenso wie sein Kollege Nikolaus Scherak, dass die
Privatsphäre der Menschen, die Voraussetzung für ein individuelles, selbstbestimmtes Leben ist, weiter
ausgehöhlt wird. Wenn Grundrechte und Grundfreiheiten mit Füßen getreten werden und die ÖsterreicherInnen
überwacht werden, dann sei Aufregung und nicht Verharmlosung angebracht.
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