An der TU Wien wurde ein Gerät entwickelt, das Fallschirmsprünge simuliert – und
ganz nebenbei durch 200 Jahre TU-Geschichte führt.
Wien (tu) - 15.000 Meter über Wien steht man an der Luke einer Hercules Transportmaschine. Durch dünne
Wolkenschwaden kann man auf die inneren Stadtbezirke blicken. Mit einem kräftigen Sprung stößt
man sich ab, breitet die Arme aus und genießt den Fall, der Wind bläst ins Gesicht und rasend schnell
nähert man sich dem Boden. Das Herzklopfen dabei ist echt – doch der Sprung ist virtuell. An der TU Wien wurde
ein Gerät entwickelt, mit dem man aufgehängt an einem ausgeklügelten Seilsystem mit 3D-Brille einen
„virtuellen Fallschirmsprung“ absolvieren kann. Gleichzeitig reist man dabei durch 200 Jahre Geschichte der TU
Wien.
In Seilen hängend, mit Brille
„Auf die Idee kam ich, weil ich schon lange mal einen Fallschirmsprung machen wollte, für einen echten aber
dann doch zu wenig mutig war“, sagt Prof. Horst Eidenberger, der Initiator des Projekts. „Nachdem wir uns in unserer
Forschung viel mit Virtual Reality beschäftigen, dachten wir darüber nach, wie man das mit Computerunterstützung
simulieren könnte.“
Eine 3D-Brille alleine reicht dafür natürlich nicht. Um das Gefühl des Schwebens zu simulieren,
konstruierte das Team mit Unterstützung der Firmen Waagner Biro und Eckermann Design einen Kubus mit einem
ausgeklügelten Seilsystem, von dem man nach dem Absprung aufgefangen und schwebend festgehalten wird. Eine
große Herausforderung war es, die Aufhängung so zu konstruieren, dass sie unabhängig vom Körpergewicht
funktioniert und ganz unterschiedlich gebaute Testpersonen in der richtigen Schwebehöhe hält.
Während man im Kubus hängt trägt man einen Kopfhörer und eine 3D-Brille, die hochauflösende
Bilder der Stadt Wien anzeigt, der man sich über drei Minuten lang rasend schnell zu nähern scheint.
Hunderte Gigabyte an Daten mussten dafür aufbereitet werden. „Glücklicherweise versorgte uns die Stadtvermessung
Wien mit ausgezeichnetem Datenmaterial, damit konnten wir die ganze Stadt am Computer nachbilden“, sagt Horst Eidenberger.
Je nachdem, in welche Richtung man gerade blickt und wo man sich befindet, muss die 3D-Brille das richtige Bild
anzeigen – das erfordert viel Rechenpower. Man braucht effiziente Algorithmen und erstklassige Hardware, um das
zu bewältigen.
Das Fallen als Zeitreise
Weil die TU Wien in diesem Jahr ihren 200. Geburtstag feiert, wurde der Fallschirmsprung als Reise durch die Geschichte
des Hauses gestaltet. Man fällt durch ein Zeittor ins Jahr 1815 und fliegt an Portraits wichtiger Alumni und
Professoren vorbei, über die Kopfhörer erfährt man Wissenswertes über große Meilensteine
der TU-Geschichte, und am Ende – nachdem sich der virtuelle Fallschirm geöffnet hat – schwebt man sanft über
den Stephansdom zum Karlsplatz, wo man dann im Kuppelsaal der TU Wien landet und vom virtuellen Abbild der Rektorin
Sabine Seidler begrüßt wird.
Um den Sprung so realistisch wie möglich zu machen, steuert der Computer auch Ventilatoren an, die den Gegenwind
simulieren. Sogar die Nässe beim Fall durch Wolken wird fühlbar, indem Wasser in den Wind gesprüht
wird. „Der Jumpcube ist bereits sehr vielseitig, und wir wollen noch weitere Möglichkeiten hinzufügen
– zum Beispiel könnte man auch noch Geruchseffekte einbauen“, sagt Horst Eidenberger.
Weitere Partner gesucht
Die Reise durch die Geschichte der TU Wien ist nur ein mögliches Anwendungsbeispiel, Ideen gibt es viele.
Aus dem Fallen soll ein Fliegen werden, das man selbst steuern kann. Das Team denkt bereits über virtuelle
Flüge durch den Weltraum nach. Firmen könnten sich in der virtuellen Flugmaschine auf originelle Weise
präsentieren, oder man könnte sie einfach als Unterhaltungsgerät verwenden. „Wir haben viel Zeit
und Energie in die Entwicklung des Prototyps investiert – nun sind wir bereit, mit neuen Sponsoren und Projektpartnern
einen Schritt weiter zu gehen“, sagt Horst Eidenberger.
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