Neurobiologen der Universität Salzburg weisen den Einfluss weiblicher Geschlechtshormone
auf die Aufmerksamkeit nach
Salzburg (universität) - Aufmerksamkeit ist die Grundlage für unser Gedächtnis. Menschen,
die sich schlecht konzentrieren können, haben ein schlechtes Gedächtnis. Der Neurobiologe Universitätsprofessor
Hubert Kerschbaum vom Fachbereich Zellbiologie und vom Zentrum für neurokognitve Forschung der Universiät
Salzburg hat nun zusammen mit seiner Doktorandin Dr. Christina Brötzner die biologischen Grundlagen individueller
Aufmerksamkeitsunter- schiede bei Frauen untersucht. Die Arbeit fand in Kooperation mit dem physiologischen Psychologen
Univ.Prof. Wolfgang Klimesch von der Universität Salzburg statt.
Die Forschungsfrage lautete: Wie hängen weibliche Geschlechtshormone, Hirnaktiviät und Aufmerksamkeit
zusammen. Zur Korrelation dieser drei Bereiche gibt es bisher keine Untersuchungen. Die Salzburger Forscher haben
bei 20 jungen Frauen mit einem natürlichen Menstruationszyklus drei Mal während des Zyklus den Hormonstatus,
die elektrophysiologische Aktivität (EEG) und die Aufmerksamkeit gemessen.
Die Studie hat ergeben, dass das Sexualhormon Progesteron die Aufmerksamkeit deutlich beeinflusst. Je höher
der Progesteronspiegel, desto größer die Aufmerksamkeit, desto kürzer die Reaktionszeit, desto
geringer die Fehlerzahl. Zyklische Hormonschwankungen induzieren zyklische Schwankungen bei kognitiven Prozessen.
Bei Frauen steigt das Progesteron in der zweiten Phase des Menstruationszyklus stark an. Frauen, die generell einen
hohen Progesteronspiegel haben, schnitten bei den Aufmerksamkeits- und Reaktionstests laufend besser ab als Frauen
mit einem generell niedrigen Progesteronspiegel.
Die Forscher konnten parallel dazu auch zeigen, dass Progesteron die elektrische Aktivität in der Großhirnrinde
moduliert. Das Sexualhormon verstärkt die Aktivität von hemmenden Netzwerken (Alphaschwingungen). Das
könnte dazu führen, dass irrelvante Informationen stärker unterdrückt werden und die Aufmerksamkeit
vermehrt auf relevante gerichtet wird, sagt Professor Hubert Kerschbaum. Mit dem EEG haben die Wissenschaftler
gesehen, dass Frauen mit erhöhten Progesteronwerten stärkere Potentialänderungen im Gehirn aufweisen.
Diese Frauen haben höhere Amplituden bei der Alphaschwingung und im ERP (ERP= event relaled potential) als
Frauen mit geringer Aufmerksamkeit.
Das Steroidhormon Progesteron ist der wichtigste Vertreter der Gelbkörperhormone (Gestagene). Bei Frauen wird
es hauptsächlich in den Eierstöcken im sogenannten Gelbkörper gebildet, während der Schwangerschaft
wird es in wesentlich höheren Mengen in der Plazenta produziert, zu einem geringen Teil entsteht Progesteron
auch in der Nebennierenrinde. In den Wechseljahren sinkt der Progesteronspiegel.
Allfälligen Überlegungen, die Aufmerksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit durch künstliche Progesteron-Gaben
zu erhöhen, steht Prof. Hubert Kerschbaum skeptisch gegenüber. Bei Menschen mit Progesteronmangel könnten
nicht genügend entsprechende Hormon- Andockstellen (Rezeptoren) vorhanden sein. Damit würde die erhoffte
Wirkung des Hormonersatzes ausbleiben.
Frauen, die sich in der Salzburger Studie bei einfachen Aufmerksamkeitsaufgaben mehr Zeit ließen, wiesen
eine ähnlich geringe Fehlerhäufigkeit auf wie Frauen, die rascher reagierten. Sich Zeit lassen bei Aufgaben
scheint eine erfogreiche Fehlervermeidungsstragie zu sein, meint Erstautorin Christina Brötzner. Ob die Strategie
auch bei schwierigen Aufgaben hilft, ist fraglich. Die Forscher wollen es überprüfen.
Zusammenhänge zwischen dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen und Aufmerksamkeit haben die Wissenschaftler
nicht gefunden.
Die Studie wurde im November 2014 im renommierten Wissenschaftsjournal „Brain Research“ veröffentlicht ( „Progesterone-associated
increase in ERP amplitude correlates with an improvement in performance in a spatial attention paradigm“)
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