BP Fischer und LH Kaiser bei Eröffnung der ersten europäischen Toleranzgespräche
– Begriff Toleranz im Mittelpunkt zeitgenössischer Überlegungen
VIllach/Klagenfurt (lpd) - Bei einem Empfang in Villach wurden am 21.05. die Europäischen Toleranzgespräche
2015 von Bundespräsident Heinz Fischer eröffnet. Landeshauptmann Peter Kaiser und Villachs Bürgermeister
Günther Albel konnten 20 Denker, Philosophen und Wissenschaftler begrüßen. Die Gespräche selbst
finden ab heute, Freitag, unter der Patronanz des P.E.N.-Club Austria und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
in Fresach statt. Gastgeber der dreitägigen Veranstaltung ist der Denk.Raum.Fresach, ein unabhängiger
Verein für Toleranz und Integration in Europa. Im Rahmen der international besetzten Veranstaltung unter dem
Motto „Wie weit geht Toleranz? Aufgaben für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“ werden zentrale Themen der
aktuellen sozialen und politischen Krise beleuchtet. Hierzu kommen Sozialwissenschaftler ebenso wie Schriftsteller,
Theologen und Ökonomen zu Wort.
Bei der heutigen Eröffnung in Fresach machte Bundespräsident Fischer einen Exkurs zur Entwicklung des
Begriffs Toleranz. Schon Sokrates sei für das Gute und Gerechte eingetreten, so Fischer. „Man braucht Kraft
zur Selbstkritik und muss sich selbst in Frage stellen, die Meinung des Gegenübers ernst nehmen und sich damit
auseinandersetzen.“ Sokrates habe damit eine eindeutige Gegenposition zum Despotismus formuliert. „Die Akzeptanz
des Prinzips weltanschaulicher Toleranz ist ohne Demokratie und pluralistischer Gesellschaft nicht möglich.“
Toleranz sei ein Lebensprinzip, eine Haltung, eine Lebensweisheit. Andere Lebensentwürfe müssten akzeptiert
werden. „Das Zusammenleben wird erleichtert mit Rücksicht auf den Nächsten, den Übernächsten
und den noch weiter weg Befindlichen“, so der Bundespräsident. Fischer dankte den Organisatoren und wünschte
nicht nur der Premiere in Fresach ein gutes Gelingen, sondern vor allem eine erfolgreiche Fortsetzung in den kommenden
Jahren.
„Der Denk.Raum.Fresach ist ein mutiges Zeichen und dass die Toleranzgespräche in unserem Bundesland stattfinden,
lässt Kärnten zukunftsorientiert im Gespräch sein“, sagte der Landeshauptmann. Im Laufe der Geschichte
habe es einen Wandel des Begriffs Toleranz gegeben. „Toleranz ist Akzeptanz des Anderen. Es muss ein Verstehen,
eine rationelle Akzeptanz dessen sein, dass etwas anders sein darf, sein kann und sein muss.“ Toleranz sei untrennbar
mit dem Begriff Freiheit verbunden, denn Intoleranz sei Unfreiheit. Intoleranz habe weltweite Auswirkungen, wie
beispielsweise der Bürgerkrieg in Syrien auch auf Kärnten. Toleranz sei auch unmittelbar verbunden mit
der Staatsform Demokratie. Kaiser zitierte Bruno Kreisky, der gesagt hat, dass sich die Qualität einer Gesellschaft
in der Behandlung ihrer Minderheiten zeige. „Sind wir nicht alle Minderheit und glücklich, wenn Toleranz eine
aktive Haltung ist.“ Den Toleranzgesprächen in Fresach wünschte der Landeshauptmann gutes Gelingen und
eine Fortsetzung im Sinne der Menschen dieses Landes, von Europa und überall auf der Welt.
„Toleranz ist Menschlichkeit überhaupt“, sagte Superintendent Manfred Sauer in seiner Begrüßungsrede.
Der Denk.Raum.Fresach wolle Toleranz in den Mittelpunkt zeitgenössischer Überlegungen stellen und habe
die ersten europäischen Toleranzgespräche auf den Weg gebracht. „Die Anwesenheit so vieler Ehrengäste
gibt Anerkennung, Motivation und Ermutigung, dieses faszinierende Projekt weiterzubetreiben.“
Hannes Swoboda, Präsident des Kuratoriums Denk.Raum.Fresach, verwies auf zwei inhaltliche Punkte von großer
Aktualität: „Ideen und Religionen darf man nie an jenen messen, die diese missbrauchen, sondern man muss immer
auf den Kern schauen.“ Und in Bezug auf das aktuelle Flüchtlingsproblem sagte er, dass illegale Migration
zurückgehen würde, wenn legale Wege geöffnet werden würden. In diesem Sinne habe man die Fresacher
Erklärung verfasst.
Das neue Dialogforum Denk.Raum.Fresach ist eine Initiative für Europa und für die Alpen-Adria-Region.
Toleranz braucht Mut, Entschlossenheit und das öffentliche Eintreten für jene, die am Rand stehen – In
diesem Sinne will der Denk.Raum.Fresach einen Beitrag leisten, um der Intoleranz entgegenzutreten. Das neugegründete
Forum soll Fresach als Ort für den europäischen Dialog über Toleranz, Integration und Menschenrechte
etablieren.
Für die Toleranzgespräche wurde eine 50-prozentige Frauenquote festgelegt. Zu Wort kommen unter anderen
die Sozialanthropologin Christa Markom, die Sozialwissenschaftlerin Claudia Brunner, die Nahost-Expertin Karin
Kneissl, die Wernberger Ordensschwester Maria-Andreas Weißbacher, die Bürgerrechtlerin Philo Ikonya
aus Kenia, die algerische Sprachwissenschaftlerin Zora Bouchentouf-Siagh, Danica Purg von der Bled School of Management,
der Schriftsteller Alois Brandstetter, der deutsch-indische Autor Pravu Mazumdar oder der iranisch-stämmige
Sama Maani. Höhepunkt der Gespräche wird die Verabschiedung der „Fresacher Erklärung zur Toleranz
2015“ sein.
Unter den vielen Anwesenden waren unter anderen Landtagspräsident Reinhart Rohr, Bischof Alois Schwarz, Michael
Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich, und Superintendentialkuratorin Helli Thelesklaf,
weiters EU-Abgeordneter Eugen Freund und Hubert Stotter, Rektor der Diakonie de LaTour. Aus Anlass einer anderen
Verpflichtung wurde die Rede von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Form einer Videobotschaft zugespielt.
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