Hundstorfer schlägt bei ILO in Genf Wertschöpfungsabgabe als erweiterte Basis vor
Genf/Wien (bmask) - Sozialminister Rudolf Hundstorfer schlug am 05.06. in seiner Rede bei der Jahrestagung
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf eine Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung des Sozialstaates
vor. "Da die Zunahme der Produktivität nicht mit Beschäftigungswachstum einhergeht, kann ein Sozialstaat
langfristig nicht mehr durch Steuer- und Beitragssysteme, die vorwiegend am Faktor Vollzeitarbeit anknüpfen,
finanziert werden", so der österreichische Sozialminister. Daher werden sich viele Staaten diese Finanzierungsfrage
zunehmend stellen müssen. Eine Abgabe, die an der Wertschöpfung der Unternehmen, aber auch an den Gewinnen
der Finanzwirtschaft ansetzt, ohne dabei Investitionen zu verhindern, würde die Finanzierungsbasis verbreitern,
ohne innovative Unternehmen zusätzlich zu belasten. Personalintensive Betriebe würden zudem entlastet
werden. "Die große Herausforderung wird sein, Modelle zu entwickeln, die in der globalisierten Welt
funktionieren und die zu einer gerechteren Einkommensverteilung beitragen", unterstrich Hundstorfer.
Auch der aktuelle Bericht der ILO "World Employment and Social Outlook 2015 (WESO)" mit dem Titel: "The
Changing Nature of Jobs", zeige ganz deutlich auf, dass das klassischen Beschäftigungsmodell immer weniger
repräsentativ für die heutige Arbeitswelt ist und somit Handlungsbedarf besteht, fuhr der Minister fort.
Zudem sind weltweit nahezu sechs von zehn Lohn- und Gehaltsempfängern entweder teilzeitbeschäftigt oder
stehen in befristeten Arbeitsverhältnissen. In seiner Rede in Genf machte der Sozialminister deutlich, dass
bei stagnierendem Arbeitskräftebedarf Vollbeschäftigung nur erreicht werden kann, wenn die vorhandene
Arbeit einschließlich der Arbeitszeiten gerechter aufgeteilt werden. Hundstorfer betonte in diesem Zusammenhang:
"Die Auseinanderentwicklung der unteren und oberen Einkommen in den letzten 40 Jahren gefährdet nicht
nur den sozialen Zusammenhalt, sondern auch das Wirtschaftswachstum." So gebe es immer mehr fragmentierte
Erwerbsbiografien und atypische Beschäftigungsformen, die vor allem Frauen treffen. Diese Arbeitsverhältnisse
erfordern zur Absicherung innovative sozialpolitische und arbeitsrechtliche Antworten.
Ein größer werdendes Problem sei der Arbeitnehmerschutz. "Denn die Schutzkonzepte für Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen erreichen einen wachsenden Teil der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr", so der
Minister. Er stellte bei der ILO-Jahreskonferenz daher zur Diskussion, ob die zu schützende arbeitende Person
neu zu definieren sei und dabei allenfalls auch Selbstständige, insbesonders Ein-Personen Unternehmer -erfasst
werden sollen. Die Frage sei, wie weit der Kreis zu ziehen ist. "Es geht darum, den Wandel der Arbeitswelt
aktiv zu gestalten, Teilhabe zu ermöglichen und in der zukünftigen Arbeitswelt soziale Gerechtigkeit
für alle zu sichern. Um am Puls der Zeit zu bleiben, muss die ILO Lösungen zum Schutz aller Arbeitskräfte
in der immer komplexeren Arbeitswelt bieten", schloss Hundstorfer seine Rede in Genf.
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