Abstraktion in Österreich. 1960 bis heute. 

 

erstellt am
05. 06. 15
11.00 MEZ

Von 10. Juni bis 6. September 2015 in der Albertina
Wien (albertina) - Anlässlich der Schenkung der Sammlung Ploner zeigt die Albertina eine Ausstellung zur Entwicklung der abstrakten Malerei und Zeichnung in Österreich seit 1960. Dabei wird eine Auswahl der neu erhaltenen Werke mit hochkarätigen Zeichnungen und Gemälden aus den auf diesem Gebiet äußerst umfangreichen Beständen der Albertina in Bezug gesetzt.

Der reiche Bestand der Albertina an österreichischer Kunst nach 1945 verdankt sich der kontinuierlichen Ankaufspolitik der vergangenen Jahrzehnte sowie großzügigen Schenkungen und Dauerleihgaben, insbesondere unter den Direktionen von Konrad Oberhuber (1987 bis 1999) und Klaus Albrecht Schröder (seit 2000).

Das Sammeln aktueller Kunst war bereits ein wesentliches Anliegen für den Albertina-Gründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen (1738-1822), der sich vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens auf den Ankauf zeitgenössischer Künstler und die Förderung junger Talente konzentrierte. Die sogenannten Maîtres Modernes nahmen schließlich rund ein Drittel seiner Zeichnungssammlung ein. Dass dieses lebendige Fortwachsen der Sammlung bis in die Gegenwart mit der großzügigen Schenkung der Sammlung Ploner weiteren Antrieb erfährt, ist eine überaus erfreuliche und glückliche Fügung.

Die Sammlung Ploner wurde ab 1997 aufgebaut, mit einem Schwerpunkt auf abstrakter Kunst aus Österreich. Nach dem Tod des Sammlungsgründers Dr. Heinz Ploner im Jahr 2011 entschloss sich seine Gemahlin Regina Ploner 2014 dazu, große Teile der Sammlung an die Albertina und das Belvedere in Wien sowie das Joanneum in Graz zu schenken, um sie dauerhaft zu erhalten und einem möglichst großen BetrachterInnenkreis zugänglich zu machen. Die Schenkung vertieft die Sammlungsbestände der Albertina mit hervorragenden Arbeiten von Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Josef Mikl, Hubert Scheibl und anderen. Eine von der Albertina gemeinsam mit dem Belvedere und dem Joanneum herausgegebene Begleitpublikation ermöglicht es, die Sammlung Ploner auch nach der Aufteilung noch in ihrer Gesamtheit zu erleben.

Malerei und Grafik nahmen für Heinz Ploner stets denselben Stellenwert ein, sind doch die oft „bildmäßig“ ausgeführten Zeichnungen, die seit den 1980er-Jahren auch in monumentalen Formaten auftreten, keineswegs unfertige Skizzen, vorbereitende Studien oder Entwürfe für Gemälde, sondern mit diesen gleichwertig, wechselseitig Impuls gebend und in bestem Sinne ambivalent.

Dementsprechend enthält die Sammlung von ein und denselben Künstlern wie beispielsweise Erwin Bohatsch, Gunter Damisch oder Hubert Scheibl sowohl Gemälde als auch hochkarätige Arbeiten auf Papier. Ihnen gemein – sowie ein wesentliches Interesse des Sammlers Heinz Ploner – ist das Ausloten der Möglichkeiten von Zeichnung und Malerei lange nach deren viel beschworenem Ende.

Die Auswahl der Ausstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern folgt den in der Sammlung Ploner vertretenen Künstlern. Dieser Auswahl bewusst hinzugefügt wurden ausgewählte Werke von Franz Grabmayr, Wolfgang Hollegha und Markus Prachensky.

Mit rund 125 Werken präsentiert die Schau die wichtigsten Facetten der Entwicklung der abstrakten Kunst in Österreich seit 1960 bis hin zu neuesten Positionen.

Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und dem weitgehenden Fehlen abstrakter Tendenzen in der österreichischen Kunst der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts – der Wiener Kinetismus bleibt eine Randerscheinung – steht die sukzessive Abstraktion der menschlichen Figur am Anfang jener radikalen Entwicklung, die von Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky, Arnulf Rainer und Josef Mikl mit der 1956 gegründeten Gruppe Galerie St. Stephan – benannt nach der Galerie Monsignore Otto Mauers (1907–1973), dem entscheidenden Förderer der neuen Kunst – eingeleitet wird. Josef Mikl untersucht in seinen Aktzeichnungen Form und Aufbau des menschlichen Körpers sowie das Verhältnis von Gewicht und Lasten, Körper und Raum. Die Übersetzung und Transformation des naturalistischen Abbilds ist ebenfalls Inhalt der Arbeit von Jürgen Messensee, der die Figur fragmentiert und dabei einprägsame Chiffren und Abbreviaturen findet. Markus Prachensky kommt hingegen schon früh mit dem französischen Informel sowie mit der Malerei von Pierre Soulage in Kontakt und schafft gestische, expressive Werke. Hans Staudacher untersucht mit seiner spontan-kritzelnden Handschrift das Spannungsfeld zwischen Formwerdung und Formauflösung.

Mit seiner pastosen, bewegten Malweise nimmt der erst kürzlich verstorbene Künstler Franz Grabmayr eine Sonderposition in der Ausstellung ein und gilt zugleich in den Achtzigerjahren als Vorbild der Malerei der so genannten Neuen Wilden Gunter Damisch, Erwin Bohatsch, Hubert Scheibl und Herbert Brandl. Mit ihren intensiven Farb- und Materialexperimenten thematisieren sie sowohl den Wechsel von Fläche und Bildtiefe als auch den gestischen Akt und das Prozesshafte des Zeichnens und Malens selbst.

Die „Gründerväter“ der Abstraktion: Mikl, Hollegha, Staudacher
1956 gründen Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky, Arnulf Rainer und Josef Mikl die Gruppe Galerie St. Stephan. Der Leiter der gleichnamigen Galerie, Monsignore Otto Mauer (1907–1973), ist ein leidenschaftlicher Verfechter und Förderer der neuen abstrakten Kunst und bietet den jungen Künstlern ein ideales Forum für ihre erfolgreiche Entwicklung, die mit einer sukzessiven Abstraktion der menschlichen Figur einhergeht.

So radikal sich Josef Mikl (1929–2008) auch von der Gegenständlichkeit entfernt, sein Ausgangspunkt bleibt stets der Mensch. Mikls Aktzeichnungen sind blockhaft abstrahiert, sein Thema sind nicht Oberflächen und Details, sondern Form und Aufbau des Körpers, Gewicht und Lasten, Verhältnis und Bewegung der Gliedmaßen sowie die Spannung zwischen Fläche und Raum. Mikls Interesse für Struktur und Tektonik gleicht dem eines Bildhauers, in seiner kubischen Formensprache mit Fritz Wotruba oder Andreas Urteil vergleichbar.

Die farbintensive Malerei Wolfgang Holleghas (*1929) geht zwar ebenfalls vom realen Gegenstand aus, doch löst sich dieser zugunsten der Abstraktion vollkommen auf. Frei schwebende transparente Farbflecken umtanzen einander in gleichsam musikalischer Bewegung. Sie werden von Hollegha nicht mit dem Pinsel gemalt, sondern die Farbe wird geschüttet und verwischt, was seinen Arbeiten ihren dynamischen Gestus verleiht.

Hans Staudacher (*1923) kommt in den 1950er-Jahren in Paris mit der écriture automatique der Surrealisten sowie mit dem Tachismus und Informel von Georges Mathieu und Wols – der europäischen Entsprechung von Jackson Pollocks action painting – in Berührung. Tuschzeichnungen aus jener Zeit zeigen die für Staudacher typische expressive, kritzelnde Handschrift. Neben dem Eruptiv-Prozesshaften interessiert Staudacher das Spannungsfeld zwischen Formwerdung und Formauflösung: Seine locker skizzierten Akte sind in der Bildfläche verspannt, doch die Linien lösen sich von der Formbeschreibung, rahmen und umtanzen die Modelle…

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.albertina.at

 

 

 

 

 

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