Tagung des Landesarchivs in Bozen mit Landeshauptmann Kompatscher
Bozen (lpa) - Das Landesarchiv hat am 12.06. in Zusammenarbeit mit dem Kreisky-Archiv aus Wien anlässlich
seines 25. Todesjahres eine Tagung in Bozen veranstaltet. Die Bedeutung des ehemaligen österreichischen Außenministers
in seiner Rolle als Wegbereiter der Südtirol-Autonomie und seine zwiespältige Beziehung zum Land wurde
dabei von Historikern von dies- und jenseits des Brenners beleuchtet.
In jahrelanger gemeinsamer Arbeit hatte das Kreisky-Archiv gemeinsam mit dem Landesarchiv Südtirol-relevante
Dokumente aufgearbeitet und digitalisiert. Dieses Projekt war von der damaligen Landesrätin Sabina Kasslatter
Mur angestoßen worden. Dessen Abschluss und der Todestag von Bruno Kreisky, der sich heuer zum 25. Mal jährt,
waren der Anlass des internationalen Kolloquiums "Bruno Kreisky und die Südtirofrage".
Die zwiespältigen Beziehungen zwischen Südtirol und dem damaligen österreichischen Außenminister
Bruno Kreisky (1911-1990) und die unterschiedlichen Sichtweisen auf seine Motivation, die Südtirolfrage zum
Thema Nummer eins seiner Außenpolitik zu machen, waren wichtigstes Thema der Diskussion. Landesrat Florian
Mussner sagte, Südtirol sei für den Außenminister eine Herzensangelegenheit gewesen und erinnerte
daran, dass ohne seinen Einsatz für die Minderheiten auch die Ladiner heute nicht mehr in der Lage wären,
ihre Sprache und Kultur zu pflegen. Dass er als Außenminister weiter als jeder andere Amtskollege aus Österreich
ging, um sich für Südtiroler Belange einzusetzen, darin waren sich die Teilnehmer einig.
Historiker Hans Heiss wies darauf hin, dass Bruno Kreisky es war, der durch den Gang vor die UNO im Jahr 1959 die
Südtirolfrage von einer lokalen zu einer Angelegenheit von internationalem Rang machte. "Ich bin froh,
dass dieses Engagement, das in Südtirol oft zu wenig geschätzt wurde, nun durch die Zusammenarbeit und
dieses wissenschaftliche Kolloquium entsprechend gewürdigt wird", sagte er.
Landeshauptmann Arno Kompatscher bestätigte in seinen Eindrücken, die Auffassung vieler Historiker, dass
die persönliche Geschichte Kreiskys und seine jüdischen Wurzeln ihn besonders sensibel für Minderheitenfragen
machten. Aber er unterstrich auch, dass Kreisky mit seinem Einsatz für Südtirol ein damals für die
Bevölkerung Österreichs sehr bedeutendes Thema anging: "Kreisky registrierte, dass der Mitte der
1950er Jahre neu erwachte österreichische Patriotismus der Südtirolfrage ein beträchtliches Interesse
entgegenbrachte." So waren es durchaus auch politisch taktische Gründe.
Rolf Steininger, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, bescheinigte Kreisky diesbezüglich
cleveres Taktieren und erklärte: "Der Wiener Regierung ging es immer nur um die Autonomie und nie um
die Selbstbestimmung, die noch dazu womöglich durch Attentate erkämpft war." Kreisky sei auch der
Meinung gewesen, dass die Forderung nach Selbstbestimmung außenpolitisch nicht durchsetzbar gewesen sei.
Zudem wollte man aus Freunden nicht Feinde machen. Außerdem könnte man bei einer Selbstbestimmung so
viele Italiener, die in Südtirol lebten, nicht einfach aus Südtirol wegbringen - und auch nicht in Österreich
eingliedern, argumentierte Kreisky. Steininger sagte, Kreisky habe sich diesbezüglich für die zweitbeste
Lösung entschied. Dem entgegen setzte der Landeshauptmann: "Kreisky war auch ein Realpolitiker und setzte
sich deshalb für die Autonomie nicht als zweitbeste Lösung ein, sondern als bestmögliche. Auch im
internationalen Vergleich mit der Situation anderer Minderheiten erwies und erweist sich diese Autonomie als bestmögliche
Lösung."
Historiker Günther Pallaver hob hervor, dass Kreisky forderte, den sozialen Flügel in der SVP zu stärken.
Italien gegenüber sollte man aber immer geschlossen auftreten. Pallaver erinnerte auch daran, dass Kreisky
die letzten drei Wochen seines Lebens in Meran verbrachte.
Bruno Kreisky setzte sich bereits als Staatssekretär ab 1951 intensiv für Südtiroler Belange ein.
Die Hochphase seines Südtirolengagements fiel in die Jahre als Außenminister zwischen 1959 und 1966.
In diesem Zeitraum brachte er die Südtirolfrage vor die Vereinten Nationen und suchte in bilateralen Verhandlungen
eine Lösung. Kreisky richtete im Außenministerium eine eigene Südtirol-Abteilung ein. Kreiskys
Zeit als Außenminister überschneidet sich auch mit dem Höhepunkt der Südtirol-Problematik.
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