Wien (wifo) - Die Steuerreform 2015/16 sieht ein Entlastungsvolumen von rund 3,9 Mrd. Euro im Jahr 2016 und
5,2 Mrd. Euro p. a. ab 2017 vor. Wenn auch die geplanten Maßnahmen zur Gegenfinanzierung (2016: 3,6 Mrd.
Euro, 2017: 4,4 Mrd. Euro ab 2018: 4,5 Mrd. Euro p. a.) zeitgerecht und in vollem Umfang umgesetzt werden ("Regierungsszenario"),
verringert sich der Steuerkeil, und die Nettoreallöhne pro Kopf steigen um 3,1% (gegenüber dem Basisszenario
ohne Steuerreform; Abweichungen in Prozent, kumuliert bis 2019). Dies erhöht das real verfügbare Einkommen
der privaten Haushalte um 1% und den privaten Konsum um knapp ¾%. Das reale BIP nimmt um ¼% zu, die
Verbraucherpreise steigen um ½%. Unter diesen Bedingungen ist eine budgetneutrale Umsetzung der Steuerreform
durchaus möglich. Der gewählte Maßnahmen-Mix würde mittelfristig eine Verlagerung der Nachfrage
vom öffentlichen zum privaten Konsum und eine Verringerung der Abgabenquote um 1/2 Prozentpunkt) bewirken.
Zusätzlich zum Regierungsszenario werden zwei Alternativszenarien simuliert, die eine verzögerte bzw.
unvollständige Umsetzung der Maßnahmen im Bereich der Betrugsbekämpfung, der Einsparungen in der
öffentlichen Verwaltung und der Subventionskürzungen annehmen.
Im März 2015 einigte sich die Bundesregierung auf eine Steuerreform, die im Wesentlichen mit 1. Jänner
2016 in Kraft treten soll. Werden alle Steueränderungen wie geplant wirksam, dann bedeuten die vorgesehenen
Entlastungen im Jahr 2016 Mindereinnahmen von brutto 3,9 Mrd. Euro (1,1% des prognostizierten BIP) und ab dem Jahr
2017 von 5,2 Mrd. Euro p. a. (rund 1 1/2% des BIP).
Zur Gegenfinanzierung dieser Reform plant die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen, die überwiegend
aus Steuererhöhungen (2016: 2,5 Mrd. Euro, ab 2017: 3,3 bis 3,4 Mrd. Euro p. a.) bestehen. Das entspricht
anfangs etwa zwei Dritteln, gegen Ende etwa drei Vierteln der durch diskretionäre Maßnahmen erwarteten
Gegenfinanzierung. Daneben sollen im Bereich von Verwaltung und Förderungen Ausgaben im Umfang von 1,1 Mrd.
Euro eingespart werden. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung wird
die von der Bundesregierung angestrebte steuerliche Nettoentlastung von 1,4 Mrd. Euro im Jahr 2016 auf knapp 1,8
Mrd. Euro im Jahr 2019 (jeweils rund 1/2% des BIP) leicht steigen.
Vereinfacht dargestellt entfaltet die Steuerreform (einschließlich Gegenfinanzierung) über folgende
Kanäle ihre Wirkung: Ein durch die Entlastung (Lohn- und Einkommensteuersenkung) ausgelöster Impuls verursacht
einen Anstieg der verfügbaren Haushaltseinkommen und dadurch einen Zuwachs des privaten Konsums. Dies erhöht
den Import wie auch die heimische Produktion (BIP), Letzteres bewirkt einen Anstieg der Beschäftigung. Die
Nachfragesteigerung löst tendenziell auch einen Preisanstieg aus. Die Staatseinnahmen aus den Steuern auf
(nominelle) Lohn- und Gewinneinkommen, aus den Verbrauchsabgaben und aus Sozialbeiträgen nehmen zu.
Gedämpft wird die expansive Wirkung der Entlastungen durch die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung: Durch
die Streichung von Steuerausnahmen und die Erhöhung bestimmter direkter Steuern werden das verfügbare
Einkommen der privaten Haushalte und folglich der private Konsum verringert. Der öffentliche Konsum sinkt
durch die geplanten Einsparungen. Preiserhöhungen (Anhebung von Verbrauchsteuern und Überwälzung
der durch die Betrugsbekämpfung erhöhten Steuerlast auf die Verbraucherpreise) verringern die Kaufkraft
und damit die Konsumnachfrage. Mit der erhöhten Inflation gehen in weiterer Folge tendenziell höhere
Nominallohnsteigerungen einher, sodass die relativen Lohnstückkosten steigen und die Exporttätigkeit
belastet wird.
Das Zusammenwirken der Entlastungen und der Gegenfinanzierung ergibt unter der Annahme, dass alle Maßnahmen
wie im Regierungsplan vorgesehen zeitgerecht umgesetzt werden (Szenario 1), eine Nettoentlastung von 337 Mio. Euro
2016, die bis 2019 auf 694 Mio. Euro zunimmt. Das schlägt sich in einem kumulierten Anstieg des real verfügbaren
Einkommens um 1,0% bis 2019 und des privaten Konsums um 0,7% nieder. Durch die angenommenen Einsparungen im öffentlichen
Sektor geht der öffentliche Konsum um rund 0,9% zurück. Die insgesamt höhere private Inlandsnachfrage
hat höhere Importe zur Folge. Die Stärkung der Konsumnachfrage der privaten Haushalte, Verbrauchsteuererhöhungen,
Subventionskürzungen und die Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung (diese wirken ökonomisch ebenfalls
wie eine Steuererhöhung) erhöhen die Verbraucherpreise bis 2015 um rund 1/2%. Tendenziell wirken sie
damit dämpfend auf die Kaufkraft und die reale Konsumnachfrage. Zudem steigen die relativen Preise gegenüber
den Handelspartnern, sodass die Exporte leicht zurückgehen. Insgesamt verschlechtert sich der Außenbeitrag
2019 um 0,1 Prozentpunkt.
Die Steuerreform 2015/16 (einschließlich Gegenfinanzierung) verschiebt die Zusammensetzung der Nachfrage
vom öffentlichen hin zum privaten Sektor, die Konjunktureffekte bleiben aber mit einem leichten Anstieg des
realen BIP (2019 +0,2%) und der Beschäftigung (+0,1%) gering. Die durch diese Verschiebung längerfristig
möglicherweise stärkeren Wachstumseffekte werden in der vorliegenden Modellrechnung wegen der Kürze
des Simulationszeitraumes nicht abgebildet.
Die Gegenfinanzierungsmaßnahmen und das preisbedingt höhere Abgabenaufkommen bewirken kurzfristig einen
gegenüber dem Basisszenario neutralen und nach 4 Jahren leicht positiven Effekt auf den Budgetsaldo (in Prozent
des BIP). Der von der Regierung angenommene Selbstfinanzierungsgrad dürfte unter den genannten Bedingungen
(nicht zuletzt durch den Inflationseffekt) erreicht werden.
Neben dem Regierungsszenario werden zwei Alternativszenarien simuliert, die eine verzögerte (Szenario 2) bzw.
unvollständige (Szenario 3) Umsetzung der Maßnahmen im Bereich der Betrugsbekämpfung, der Einsparungen
in der öffentlichen Verwaltung und der Subventionskürzungen unterstellen. Die Schätzung der Szenarien
2 und 3 soll nicht suggerieren, dass auf die Gegenfinanzierung verzichtet werden kann oder soll. Sie dienen vielmehr
dazu, die mit ihrer Umsetzung verbundenen Risiken und deren gesamtwirtschaftliche Konsequenzen abzuschätzen.
In den Alternativszenarien erhöhen sich die verfügbaren Haushaltseinkommen stärker bzw. der öffentliche
Konsum sinkt schwächer als im Regierungsszenario. Dies bewirkt (je nach Variante) kurz- bis mittelfristig
einen etwas stärkeren Anstieg des BIP (2019 gegenüber Szenario 1 bis
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