EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Strategie der EU für einen digitalen Binnenmarkt
für Europa
Wien (pk) - Mit großer Vorsicht beurteilten die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats am 11.06.
die von der Kommission vorgelegte Mitteilung zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa.
Man war sich einig, dass diese Materie einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit
Europas hat und eine große Frage der Innovation darstellt. Die Auswirkungen gehen bis auf die Landes- und
Gemeindeebene hinunter, so global die Materie auch ist, unterstrich Marco Schreuder (G/W). Allein die Entwicklung
des Online-Handels werde große Auswirkungen auf die Einkaufsstraßen haben, merkte er an. In drei von
den voraussichtlich insgesamt 16 zu erwartenden konkreten Legislativvorhaben in diesem Zusammenhang sind Städte
und Gemeinden betroffen, ergänzte Stefan Schennach (S/W), wobei es vor allem um die Frage geht, ob digitale
Dienstleistungen als kommunale Dienstleistungen anzusehen sind. Grundsätzlich könne man in diesem Bereich
von zusätzlich vier Millionen Arbeitsplätzen sprechen, fügte er hinzu. Ferdinand Tiefnig (V/O) unterstrich
die Bedeutung der Datensicherheit und wies, wie auch der Vertreter der Wirtschaftskammer, auf die Tradition Europas
im Hinblick auf die Beibehaltung des hohen Datenschutzniveaus hin, das auch bei weiteren Innovationen zu halten
sei.
Trotz aller Vorsicht sind sich die Bundesrätinnen und Bundesräte dessen bewusst, dass eine gesamteuropäische
Strategie Sinn macht. Als Grundfragen definierte Schreuder vor allem den Datenschutz, die Netzneutralität
und die Telekommunikation. Das müsse zuerst angegangen werden, sagte er. In der Mitteilung vermisste man im
Ausschuss, wie dies der Vertreter der Wirtschaftskammer formulierte, eine tatsächliche Strategie. Die Kommission
habe darin lediglich eine Vorschau auf geplante Rechtsetzungen gegeben. Man könne daher aus heutiger Sicht
auch keine endgültige Beurteilung abgeben, solange keine konkreten Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen,
fasste Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) die Debatte zusammen. Man müsse daher abwarten. Er wies auf
eine vorliegende Stellungnahme des Landes Niederösterreich hin und informierte, dass es eine gemeinsame Länderfeststellung
geben soll. Auch Städtebund und Gemeindebund sollen seitens des Ausschusses aufgefordert werden, ihre Meinung
zu dem bisher Bekannten zu äußern. Ebenso wird das Bundeskanzleramt dem Ausschuss eine Einschätzung
der Materie übermitteln. Dann werde man entscheiden, ob man das Papier nochmals auf die Tagesordnung setzt
oder die konkreten Rechtsakte abwartet, kam man schließlich überein.
Die Vorhaben der Kommission
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei seinem Amtsantritt im Sommer des Vorjahres in seinen politischen
Leitlinien dem Ziel eines vernetzten digitalen Binnenmarkts besondere Priorität eingeräumt. Indem man
die Möglichkeiten der digitalen Technologien besser nützt und die Fragmentierung der Märkte sowie
der Barrieren innerhalb der EU abbaut – Juncker spricht in diesem Zusammenhang von "nationalen Silostrukturen"
-, könnte ein zusätzliches Wachstum von bis zu 250 Mrd. € erreicht werden, erhofft sich die Kommission.
Dadurch würden neue Arbeitsplätze entstehen und eine lebendige, aktive Wissensgesellschaft gefördert
werden. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) sei nicht länger ein besonderer Wirtschaftszweig,
sondern die Grundlage aller modernen, innovativen Wirtschaftssysteme, heißt es dazu auch in der genannten
Strategie. Die Vollendung des digitalen Binnenmarkts soll demnach gewährleisten, dass Europa auch in Zukunft
zu den Vorreitern der Digitalwirtschaft gehört und den europäischen Unternehmen zur Expansion auf den
Weltmärkten verhelfen kann.
Als notwendige Schritte sieht Juncker in seinen Leitlinien unter anderem die Schaffung gemeinsamer europäischer
Datenschutzbestimmungen, eine Reform der Telekommunikationsvorschriften, die Modernisierung des Urheberrechts unter
Berücksichtigung der digitalen Revolution und des damit geänderten Verbraucherverhaltens sowie die Modernisierung
und Vereinfachung der Verbraucherschutzvorschriften beim Online-Kauf und beim Kauf digitaler Produkte. Dies sollte
mit Maßnahmen zur Verbesserung der digitalen Kompetenz und des digitalen Lernens in der Gesellschaft und
zur Vereinfachung der Gründung innovativer Start-up-Unternehmen einhergehen.
Die nun vorliegende Strategie der EU-Kommission beruht auf drei Pfeilern, ist auf mehrere Jahre angelegt und konzentriert
sich auf zentrale, miteinander verknüpfte Maßnahmen: Zum einen sollen grenzüberschreitende Online-Aktivitäten
nicht länger behindert werden, weshalb ein besserer Online-Zugang für KonsumentInnen und Unternehmen
zu Waren und Dienstleistungen in ganz Europa angestrebt wird. Zum anderen will man entsprechende Bedingungen für
florierende digitale Netze und Dienste schaffen, was hochleistungsfähige, sichere und vertrauenswürdige
Infrastrukturen sowie Inhaltsdienste benötigt, die durch geeignete Bedingungen für Innovationen, Investitionen,
fairen Wettbewerb und Chancengleichheit gestützt werden, heißt es in dem Papier. Schließlich drängt
die Kommission auf Investitionen in die IKT-Struktur und in Technologien wie Cloud-Computing und Big Data sowie
in Forschung und Innovation, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken, aber auch um die
öffentlichen Dienste, Inklusion und Kompetenzen zu verbessern.
Viele Fragen noch offen
Der Vertreter der Wirtschaftskammer legte im Ausschuss eine umfassende und detaillierte Einschätzung dar.
Im Zusammenhang mit dem Online-Handel befürchtet er eine Wiederbelebung des schon einmal heftig kritisierten
Plans eines gemeinsamen europäischen Kaufrechts. Hier sei Vorsicht angezeigt, warnte er, es gelte zu verhindern,
dass neue bürokratische Belastungen eingeführt werden. Auch er sprach sich für die Beibehaltung
der hohen Standards in der derzeit verhandelten Datenschutz-Grundverordnung aus, wobei es auch gelte, den Datenschutz
fit für neue Anwendungsbereiche zu machen. Ihm geht es auch darum, die Big Players in diesem Bereich mehr
in die Pflicht zu nehmen.
Bedauert wird seitens der Wirtschaftskammer, dass die Netzwerkinfrastrukturen in der vorliegenden Strategie etwas
stiefmütterlich behandelt werden, obwohl sie die Basis für alle Bereiche darstellen. Daher wäre
hier seiner Meinung nach ein integraler Ansatz nötig, auch müsse man eine Kofinanzierung überlegen,
zumal der Ausbau viel kosten werde.
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