Ostermayer bei Verleihung der Ehrendoktorwürde an die große Wissenschafterin und
Sprachkünstlerin
Wien (bpd) - "Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Ruth Klüger diese Würdigung
annimmt, nach all dem Unheil, das ihr hier in Wien angetan wurde. Viele Texte Klügers belegen die emotionale
Schwierigkeit, die mit ihrer Geburtsstadt verbunden ist, nachdem sie als jüdisches Kind von hier in mehrere
Konzentrationslager deportiert worden ist", sagte Bundesminister Josef Ostermayer am 12.06. bei der Verleihung
des Ehrendoktorats der Universität Wien an Ruth Klüger. "Die Auszeichnung soll ein kleiner Teil
der Wiedergutmachung sein, auch wenn dieses dunkle Kapitel der Geschichte irreversibel ist."
"Mit ihrer lakonischen, trockenen Sprache schafft Ruth Klüger es, Ungeheuerlichkeiten fast distanziert
und gleichzeitig umso eingängiger zu beschreiben", so der Bundesminister. "Die Verleihung der Ehrendoktorwürde
soll kein Gefühl der Vereinnahmung auslösen. Vielmehr soll sie Dank dafür sein, was Ruth Klüger
als Mensch, Wissenschafterin und Sprachkünstlerin geleistet hat. Dass Ruth Klüger heute hier ist und
die Auszeichnung annimmt, zeigt ihre Größe", sagte Ostermayer. Die Laudatio auf die vielseitige
Literaturwissenschafterin hielt Konstanze Fliedl vom Institut für Germanistik der Universität Wien.
Ruth Klüger zeigte sich erstaunt. Die Verleihung ginge weit über ihre Erwartungen hinaus. Immer zugehörig
werde sie sich dem akademischen Dorf fühlen, einer "Gemeinde von Gleichgesinnten", die die "Wahrheit
durch Vernunft" suche.
Die in Wien geborene Holocaust-Überlebende Ruth Klüger emigrierte im Jahr 1947 in die USA und studierte
Bibliothekswissenschaften sowie Anglistik und Germanistik. Von 1980 bis 1986 war sie Professorin an der Princeton
University, danach Professorin für Germanistik an der University of California in Irvine. Seit dem Jahr 1988
ist sie Gastprofessorin an der Georg-August-Universität Göttingen, im Sommersemester 2003 war Ruth Klüger
Käthe-Leichter-Gastprofessorin am Institut für Germanistik der Universität Wien, 2005 war sie Dozentin
im Rahmen der Tübinger Poetik-Dozentur.
Als Literaturwissenschafterin hat sich Ruth Klüger unter anderem intensiv mit Heinrich von Kleist befasst
und wandte sich ab Mitte der 1970er Jahre verstärkt feministischen Themen zu. Sie war zudem langjährige
Herausgeberin der Zeitschrift German Quarterly. Für ihre literarische und wissenschaftliche Arbeit wurden
ihr zahlreiche Preise und Auszeichnungen verliehen, darunter im Jahr 1997 der Österreichische Staatspreis
für Literaturkritik, 2003 die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität
Göttingen. 2008 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse der BRD, 2010 die Ehrenmedaille der Stadt
Göttingen.
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