Ein Bauprojekt, das jungen ArchitektInnen Mut machen kann – Junge ArchitektInnen diskutieren
über öffentliche Bauprojekte
Wien (pk) - Das Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstraße ist in die Jahre gekommen und bedarf
einer Generalsanierung. Die Ideen des Generalplaners, des Architektenteams Jabornegg&Palffy für die Instandsetzung
und Modernisierung des Prachtbaus von Theophil Hansen präsentierte Architekt Christian Jabornegg am Abend
des 11.06. im Palais Epstein. Der Generalplaner erläuterte die Absicht, die Räume Theophil Hansens weitestgehend
zu sanieren und von späteren Einbauten zu befreien. Zusätzliche Räume für die Öffentlichkeit
und Arbeitsplätze sollen im Dachgeschoss und im Erdgeschoss des Hauses geschaffen werden. Orientierung und
Blickverbindungen im Haus und nach außen sollen verbessert werden. Detaillierte Einblicke gab der Architekt
auch in seine Pläne für eine flachere und barrierefreie Gestaltung des Sitzungssaales des Nationalrats
und für die Erweiterung des Couloirs.
Parlamentssanierung im Fokus öffentlichen Interesses
Jaborneggs Präsentation bildete Grundlage und Ausgangspunkt einer Fachdiskussion über Wechselwirkungen
zwischen Architektur, Politik und Öffentlichkeit. Die Veranstaltung wurde von der seit zwei Jahren bestehenden
"Young International Construction Management Association (YIPMA)" initiiert und mitgestaltet. Die jungen
ArchitektInnen und BauingenieurInnen wollen, so deren Sprecher, Philipp Hain und Daniel Balla, die große
öffentliche Aufmerksamkeit, die die Generalsanierung eines Hauses vom architektonischen Rang, der historischen
Bedeutung und der politischen Symbolkraft des Parlamentsgebäudes auf sich zieht, nutzen, um über "Architekten
und Ingenieure, Politik und Öffentlichkeit" zu diskutieren.
Am Podium nahmen der Leiter des Projekts "Sanierung Parlamentsgebäude", Parlamentsvizedirektor Alexis
Wintoniak, Generalplaner Christian Jabornegg, der Vorsitzende der Bundessektion Architekten in der Kammer der Architekten
und Ingenieurkonsulenten, Georg Pendl, sowie Grün-Abgeordneter und Mitglied des Nutzerbeirats der Parlamentssanierung,
Dieter Brosz, Platz teil. Die YICPMA vertrat Philipp Hain, für die Moderation der Diskussion sorgte Daniel
Balla.
Urbanisierung lässt Verantwortung der Architekten wachsen
Zur öffentlichen Wahrnehmung von ArchitektInnen und BauingenieurInnen in der Öffentlichkeit meinte Georg
Pendl, es bestehe ein realistisches Bild von BauingenieurInnen. ArchitektInnen würden aber nach wie vor allzu
sehr mit großen Bauprojekten in Verbindung sehe und deren wachsende Bedeutung im Wohnbau sowie bei gewerblichen
und industriellen Bauwerken übersehen. Die "gebaute Umwelt" beeinflusse das Leben der Menschen infolge
der weltweiten Urbanisierung immer stärker – und damit nehme die Verantwortung von ArchitektInnen zu, sagte
Pendl. Das Ansehen von ArchitektInnen und BauingenieurInnen sei gut, sie sollten aber noch stärker in die
Öffentlichkeit gehen und ihre Anliegen besser darstellen, merkte Philipp Hain an.
Professionelle Compliance schützt Interessen der Bauherren
Das aufwendige, aus seiner Sicht aber vernünftige europäische Vergabeverfahren für Planungsaufträge
schilderte Alexis Wintoniak, der sich froh darüber zeigte, gute Partner für die Parlamentssanierung gefunden
zu haben. Bei großen Projekten sei der Markt überschaubar und von starken Verflechtungen charakterisiert.
Daher sei eine professionelle Compliance wichtig, um die Interessen des Bauherrn wahren zu können, hielt Wintoniak
fest.
Bestbieterprinzip bei Planungsleistungen
Das Vergabegesetz sei gut und biete die Möglichkeit, zu vernünftigen Ergebnissen und Lösungen zu
kommen, sagten Christian Jabornegg und Georg Pendl übereinstimmend. Die neue, bis 2016 umzusetzende EU-Richtlinie
gebe den EU-Ländern die Möglichkeit, bei Planungsleistungen vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip überzugehen.
Diese Möglichkeit sollte Österreich nutzen, sagte Pendl, der ausdrücklich für qualitätsorientierte
Vergabeverfahren plädierte.
Großprojekte: Bürgerbeteiligung nur begrenzt möglich
Dieter Brosz (G) schilderte die besonderen Herausforderungen bei der Parlamentssanierung, indem er zunächst
auf die unterschiedlichen Nutzerinteressen – sechs Klubs und die Parlamentsdirektion – hinwies. Dazu komme die
Aufgabe, unter Bedingungen des Denkmalschutzes ein Parlamentsgebäude zu modernisieren, das ursprünglich
nicht als Arbeitsgebäude konzipiert war. Für Brosz ist es wichtig, ein modernes Arbeitsparlament für
die kommenden Jahrzehnte zu schaffen und kein Museum.
Beim Thema Bürgerbeteiligung bekannte sich Brosz zur Partizipation in der Gesetzgebung, sah bei der öffentlichen
Beteiligung an der Planung von Großbauprojekten aber Grenzen. Für Christian Jabornegg ist das demokratische
Prinzip durch Einbindung gewählter Vertreter in den Planungsprozess gewährleistet, eine Möglichkeit,
Bauentscheidungen allgemein abzustimmen, sah er nicht. Diese Auffassung teilte auch Alexis Wintoniak, der es etwa
ausschloss, Preiskalkulationen öffentlich zu diskutieren. Transparenz sei wichtig, wo sie bestimmten Zwecken
diene, etwa den Interessen der BürgerInnen und der SteuerzahlerInnen. Sie könne bei Bauprojekten aber
keinen absoluten Wert darstellen. Wichtig sei es, Entscheidungsprozesse richtig abzuwickeln und für Qualität
zu sorgen.
ÖsterreicherInnen werden Freude an ihrem neuen Parlament haben
Beim Thema Regulierung und Baunormen machte Wintoniak darauf aufmerksam, dass Normen vielfach auf Wünsche
von Interessensgruppen zurückgehen, was dazu führen könne, dass Baukosten in kurzer Zeit stark steigen.
Bei Großprojekten werden in der Öffentlichkeit Fehler stark wahrgenommen, stellte Georg Pendl fest,
Fehler, die vielfach auf Entscheidungsschwächen bei den Bauherren zurückzuführen seien. Alexis Wintoniak
ortete bei öffentlichen Bauprojekten einen Trend zur Sozialisierung von Verantwortung und zur Verlagerung
von Entscheidung in Gremien und Kommissionen, weil der Verwaltung Risiko systemfremd sei. Das dort angestrebte
Maximum an Sicherheit koste bei öffentlichen Bauprojekten aber viel Zeit und Geld. Den jungen ArchitektInnen
und BauingenieurInnen sollte das Projekt Parlamentssanierung dennoch Mut machen, an öffentlichen Großprojekten
mitzuwirken. Es sei gelungen, einhellige Beschlüsse für das Projekt einer nachhaltigen Sanierung und
für eine gesetzliche Grundlage zu fassen. Einstimmig wurde nach einem EU-weiten Auswahlverfahren auch der
Generalplaner bestellt und die Kosten in die mittelfristige Budgetplanung des Bundes einstellt, berichtete Wintoniak.
Dieses Projekt brauche Geduld, sein Ergebnis werde den acht Millionen ÖsterreicherInnen aber Freude machen,
zeigte sich Wintoniak überzeugt.
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