Wien (vetmed uni) - Hunde sind dafür bekannt, dass sie die Körpersprache der
Menschen gut verstehen. Dass sie aber auch menschlichen Blicken in die Weite folgen können, wurde nun erstmals
wissenschaftlich bewiesen. VerhaltensforscherInnen vom Messerli Forschungsinstitut testeten 145 Border Collies
im Clever Dog Lab an der Vetmeduni Vienna. Sie zeigten, dass Hunde - unabhängig von ihrem Alter - dem menschlichen
Blick zu einer Tür folgten. Nur jene Hunde, die zuvor darauf trainiert wurden, direkten Blickkontakt mit Menschen
herzustellen, schnitten im Test schlechter ab. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Animal Behaviour veröffentlicht.
Dem Blick einer Person in die Ferne zu folgen, ist Teil menschlicher Kommunikation und ein wichtiger Aspekt des
sozialen Lebens, denn es erleichtert den Informationsaustausch und das Verhalten des Anderen vorherzusagen. Im
Tierreich hat man diese Fähigkeit bisher bei Primaten, domestizierten Ziegen, einigen Vogelarten, Delfinen,
Pelzrobben, Köhlerschildkröten und Wölfen nachgewiesen. Bei Hunden schien diese Fähigkeit bis
vor kurzem jedoch ein Spezialfall zu sein. Hunde können zwar aufgrund menschlicher Blicke, verstecktes Futter
oder Spielzeug finden. Dass sie Blicken auch in die Ferne folgen können, konnte bisher nicht nachgewiesen
werden.
Lisa Wallis und ihre KollegInnen vom Messerli Forschungsinstitut an der Vetmeduni Vienna haben nun untersucht,
ob Hunde diese Fähigkeit tatsächlich nicht besitzen oder ob andere Faktoren diese Fähigkeit beeinflussen.
Hunde jeder Altergruppe sind in der Lage menschlichen Blicken zu folgen
Die KognitionsforscherInnen testeten 145 Border Collies im Alter zwischen 6 Monaten und 14 Jahren. Eine Hypothese
der Forschenden lautete: „Die Hunde lernen möglicherweise im Laufe ihres Lebens menschliche Blicke zu ignorieren,
weil die meisten dieser Blicke für die Hunde gar keine Bedeutung haben.“ Eine zweite Hypothese lautete: „Hunde
werden häufig darauf trainiert, ihren Halterinnen oder Haltern ins Gesicht zu schauen und auf ein Kommando
zu warten. Diese Art des Trainings könnte verhindern, den Blicken in die Ferne zu folgen.“
Blicken zu folgen ist keine Frage des Alters
Wallis testete alle Hunde separat in einem Testraum. Mit einem aufgeweckten Gesichtsausdruck lud die Studienleiterin
die Hunde ein, ihrem Blick zur Tür zu folgen. Tatsächlich folgten etwa die Hälfte der Hunde egal
welchen Alters Wallis‘ Blick zur Tür im Gegensatz zu der Kontrollsituation, in der Lisa Wallis auf den Boden
vor sich geschaut hat. Während Alter keinen Einfluss darauf hatte, ob Hunde dem Blick folgen oder nicht, spielte
die Ausbildung der Hunde jedoch eine große Rolle. Hunde, die länger und intensiver trainiert wurden,
folgten dem Blick weniger.
Blickkontakt-Training beeinträchtigt Fähigkeit, Blicken zu folgen
Um den Einfluss von Training auf diese Fähigkeit weiter zu testen, teilte Wallis die Hunde in zwei Gruppen
ein. Eine Gruppe erhielt ein intensives Training, bei dem sie fünf Minuten lang übten, Blickkontakt mit
einer Person herzustellen. Im Gegensatz dazu wurde eine zweite Gruppe darauf trainiert, einen Tennisball mit der
Pfote zu berühren. Dabei handelte es sich also um ein ganz anderes Setting, dass zwar Training und Interaktion
mit einer Person beinhaltete, jedoch kein Blickkontakt-Training.
Wallis führte nun denselben Test, den sie zuvor mit den Hunden gemacht hatte, nochmals durch. Es zeigte sich,
dass jene Hunde, die auf Blickkontakt trainiert waren, seltener dem Blick auf die Tür folgten. Sie verweilten
mit ihrem Blick im Gesicht der Studienleiterin und warteten auf eine Belohnung. Hunde aus der „Tennisball-Gruppe“
folgten dem Blick zur Tür viel häufiger.
„In dem Blickkontakt-Training haben die Hunde gelernt, Blickkontakt zur Studienleiterin zu halten. Genau das haben
sie dann auch im Test getan. Sie blickten ins Gesicht und seltener zur Tür. Deshalb schnitten diese Hunde
auch schlechter ab, als andere Hunde. Wir gehen also davon aus, dass Blickkontakt-Training die Fähigkeit Blicken
in die Ferne zu folgen verschlechtert. “, erklärt Wallis. „Wahrscheinlich war diese Art des Trainings auch
der Grund dafür, dass Hunde in früheren Studien schlechter abschnitten als andere Tierarten“, meint die
Erstautorin.
Türen sind für Hunde interessante Objekte
Türen sind für Hunde erfahrungsgemäß interessante Objekte. Sie haben gelernt, dass Türen
plötzlich aufgehen können und dass sich Interessantes hinter ihnen verbergen kann. Auch der einladende
Gesichtsausdruck der Studienleiterin erleichterte den Hunden wahrscheinlich die Aufgabe.
„In früheren, weniger erfolgreichen Experimenten blickten die Personen nicht zu einer Tür sondern an
eine Wand. Außerdem verhielten sich die Personen im Test emotionslos. Das ist für Hunde natürlich
wenig spannend“, so Wallis.
In ihrem aktuellen Forschungsprojekt untersucht Wallis gemeinsam mit ihrer Kollegin Durga Chapagain, wie sich die
Ernährung auf die kognitiven Fähigkeiten bei älteren Hunden auswirkt. Für diese Langzeitstudie
ist Wallis noch auf der Suche nach Hunden.
Video: https://dl.dropboxusercontent.com/u/47157510/Gaze%20following.mp4
Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen,
akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit,
Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna
beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf
verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute
am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur
Vetmeduni Vienna. Im Jahr 2015 feiert die Vetmeduni Vienna ihr 250-jähriges Bestehen.
http://www.vetmeduni.ac.at
Über das Messerli Forschungsinstitut
Das Messerli Forschungsinstitut wurde 2010 mit der Unterstu?tzung der Messerli-Stiftung (Schweiz) unter Federfu?hrung
der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien
und der Universität Wien gegru?ndet. Es widmet sich der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und ihrer Grundlagen
in den Bereichen Ethik, vergleichende Medizin sowie Kognition und Verhalten von Tieren. Dabei zeichnet es sich
durch einen breiten interdisziplinären Zugang (Biologie, Humanmedizin, Veterinärmedizin, Philosophie,
Psychologie, Rechtswissenschaft) und eine starke internationale Ausrichtung aus.
http://www.vetmeduni.ac.at/messerli
Service
Der Artikel „Training for eye contact modulates gaze following in dogs”
von L. Wallis, F. Range, C. A. Müller, S. Serisier, L. Huber und Z. Viranyi wurde im Fachjounal Animal Behaviour
veröffentlicht. doi:10.1016/j.anbehav.2015.04.020
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