Abgeordnete diskutieren mit Innenministerin Flüchtlingsfrage im Menschenrechtsausschuss
Wien (pk) – Sie habe keine Freude mit den Zeltstädten als Übergangslösung für die Flüchtlinge.
Angesichts der Quartiernot seien die Zelte aber besser, als die Leute auf der Straße zu lassen, betonte Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner am 10.06. im Menschenrechtsausschuss. Ihr Ziel sei es, die Zelte so bald wie möglich
wieder abzubauen.
Einen Schönwetterföderalismus kann es nicht geben
Die Innenministerin übte in diesem Zusammenhang Kritik an den Bundesländern, die ihr zufolge die 15a-Verträge
nicht einhalten. Wenn die Länder ihre Verantwortung nicht übernehmen, dann müsse sie handeln, argumentierte
Mikl-Leitner ihr Ultimatum für die Flüchtlingsreferenten-Konferenz am 19. Juni. Einen Schönwetterföderalismus
könne es nicht geben. Die Bundesländer hätten immer wieder geltend gemacht, dass sie gemeinsam mit
den Gemeinden am besten einschätzen könnten, wo man Flüchtlinge unterbringen kann. Diese Einschätzung
teile sie, nur würden die Verträge nicht eingehalten. Ihre Vorschläge, wie die Einrichtung von Bundesbetreuungsstellen
oder eine Quotenverteilung, hätten immer wieder zu Protesten geführt. Sie sei sich dessen durchaus bewusst,
dass alle mit einer riesigen Herausforderung konfrontiert seien, es reiche aber nicht aus, sich am Innenressort
abzuputzen. Man habe mit der neuen Grundversorgung im Rahmen der Fremdenrechtsnovelle sichergestellt, dass in sieben
Verteilerquartieren eine Erstprüfung stattfinden kann, somit gehöre die bisher bestehende unfaire Verteilung
in den Erstaufnahmezentren der Vergangenheit an. Ungelöst bleibe aber die Quartierfrage, wiederholte sie mehrmals.
Die Innenministerin reagierte damit auf Wortmeldungen der Abgeordneten Alev Korun (G), Franz Kirchgatterer (S)
und Nikolaus Scherak (N), der sich seinerseits für eine Bundeskompetenz ausgesprochen hatte. Die Diskussion
fand im Rahmen einer aktuellen Aussprache im Ausschuss statt, in deren Mittelpunkt die Asylpolitik stand.
Die immer wieder in der Öffentlichkeit auftretende Kritik an der Versorgung in den Zeltstädten konnte
die Ministerin nicht nachvollziehen. Jeder bekomme die Versorgung mit Nahrungsmitteln und gesundheitlichen Leistungen,
die er braucht, sagte sie. Sie habe sich auch in Gesprächen mit vielen Flüchtlingen selbst ein Bild gemacht
und sei auf keine einzige Beschwerde gestoßen.
Ein besonderes Anliegen seien ihr die unbegleiteten Minderjährigen, sie habe sich mit den Bundesländern
verständigt, dass sie übernommen werden. Selbstverständlich bedürfe es auch einer entsprechenden
Betreuung. Abgeordnete Nurten Yilmaz (S) wurde von Mikl-Leitner informiert, dass Österreich bis jetzt von
den zugesagten 1.500 Syrien-Flüchtlingen etwa 760 aufgenommen habe. Man arbeite dabei mit der Erzdiözese
und dem UNHCR eng zusammen. Sie hoffe, die Aktion bis Jahresende abschließen zu können.
Die Innenministerin stimmte mit Ulrike Königsberger-Ludwig (S) überein, dass man in den Gemeinden ein
Klima schaffen müsse, damit Flüchtlinge nicht als Bedrohung angesehen werden. Unbestritten bleibe, dass
man jenen helfen müsse, die Schutz suchen, meinte sie und sprach sich dafür aus, klar zwischen Wirtschaftsflüchtlingen
und Verfolgten zu differenzieren. Das würde zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen, zeigte
sie sich überzeugt. Auf keine Fall dürfe man aber mit den Schicksalen der Menschen spielen, bemerkte
sie gegenüber Josef A. Riemer (F).
EU braucht eine nachhaltige Lösung – eine Quotenregelung allein ist zu wenig
Mikl-Leitner sieht in dem gesamten Themenkomplex auch die EU gefordert und drängt auf eine nachhaltige Lösung.
Eine Quotenregelung sei jedenfalls zu wenig, hielt sie gegenüber Nikolaus Scherak (N) fest. An erster Stelle
stehe "Leben retten", es könne aber keine automatische Einreise nach Europa geben, machte sie klar.
Sie bleibe daher auch bei ihrer Linie, in den Herkunftsländern Anlaufstellen einzurichten, wo der UNHCR prüft,
ob Asyl überhaupt möglich ist. Man müsse den Schleppern einfach die geschäftliche Grundlage
entziehen, indem man den Menschen vermittelt, dass der sichere Weg nach Europa nur über den UNHCR läuft,
sagte die Ministerin und wies auf eine europäische Arbeitsgruppe hin, die sich mit dem Thema auseinandersetzen
soll.
Zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität habe sie eine eigene SOKU eingerichtet, erläuterte sie
gegenüber Christoph Hagen (T). Außerdem sei die Zusammenarbeit mit EUROPOL intensiviert worden. Als
hilfreich habe sich die Schlepperdatenbank herausgestellt, und die EU habe dieses Thema zu einem Schwerpunkt im
Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie erklärt.
Was die derzeit so heftig diskutierte Quotenaufteilung in der EU betrifft, so komme Österreich mit 5% seiner
Verantwortung vollkommen nach, der derzeit im Raum stehende Prozentsatz von 2,6% wäre für Österreich
günstig. Mikl-Leitner übte in diesem Zusammenhang Kritik an Italien und Griechenland, wo man ihrer Meinung
nach im Hinblick auf Fingerprints und Unterkünfte säumig sei. Sie hält auch die Priorisierung der
Dublin-Fälle für richtig, um die gegenwärtige Schieflage zu Ungunsten von Österreich abzubauen.
Das ginge nicht gegen die Flüchtlinge, betonte die Ministerin, sondern sei ein Signal gegenüber anderen
Staaten, ihrer Verantwortung nachzukommen. Mikl-Leitner meinte dabei insbesondere Ungarn, Rumänien und Bulgarien.
Was die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten betrifft, so hat ihr zufolge die verstärkte Zusammenarbeit
mit den Herkunfts- und Transitländern positive Wirkung gezeigt. Die Zahl der Asyl suchenden Kosovo Albaner
konnte damit stark gesenkt werden, erläuterte sie gegenüber Philipp Schrangl (F).
Noch kein Zeitplan für Vorratsdatenspeicherung
Thematisiert wurde in der Aussprache auch die Vorratsdatenspeicherung. Im Gegensatz zu Grün-Abgeordnetem Albert
Steinhauser hält die Innenministerin eine solche auch unter den vom EuGH und VfGH genannten Voraussetzungen
für realisierbar. Man werde sich das genau anschauen müssen, sagte Mikl-Leitner, einen Zeitplan dafür
gebe es nicht, auch habe die Diskussion darüber noch nicht begonnen.
Die Abgeordneten Petra Bayr (S) und Friedrich Ofenauer (V) sprachen in der Diskussion die Polizeiarbeit an, wobei
die Ministerin die Wichtigkeit präventiver Aufgabe unterstrich. Dazu gebe es rund 1.000 gut ausgebildete PräventionsbeamtInnen
und zahlreiche Informationen darüber, wie man sich besser schützen könne. Auch die Aufnahme von
BeamtInnen mit Migrationshintergrund werde gefördert, informiert Mikl-Leitner und wies auf die gut laufenden
Schulungen in Fragen der Menschrechte bei der Aus- und Weiterbildung hin. Das werde auch ständig evaluiert.
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Koalitionsparteien verlangen quotenmäßige Aufteilung der Flüchtlinge im Menschenrechtsausschuss
Die dramatische Zuspitzung der Asylproblematik in den letzten Monaten sowie mögliche Antworten darauf auf
nationaler und internationaler Ebene standen im Mittelpunkt des zweiten Teils der Sitzung des Menschenrechtsausschusses.
Ausgangspunkt war zunächst ein mehrheitlich angenommener Entschließungsantrag der Regierungsparteien,
in dem SPÖ und ÖVP für eine gemeinsame humanitäre Asylpolitik in der Europäischen Union,
eine quotenmäßige Verteilung von Asylwerbern auf die einzelnen Mitgliedsländer, die weitere Teilnahme
an humanitären Aufnahmeprogrammen (wie z.B. Resettlement), die Umsetzung des Pilotprojektes "Save Lives"
sowie für flankierenden Maßnahmen eintreten, um die illegale Migration und Schleppertätigkeit einzudämmen.
Drei Anträge der NEOS zu diesem Themenbereich, die teilweise darüber hinausgehende Forderungen enthielten,
wurden vertagt bzw. abgelehnt.
Außerdem nahm der Ausschuss drei Initiativen der Grünen in Verhandlung, bei denen es um die Verhinderung
des Missbrauchs des Interpol-Systems zur Verfolgung politischer Gegner, um eine angemessene Behandlung von traumatisierten
Folteropfern sowie um den Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte ging; alle drei Anträge wurden mit
S-V-Mehrheit vertagt.
Debatte über mögliche Lösungsmodelle in der Asylpolitik
Angesichts der dramatisch steigenden Zahl an Kriegsflüchtlingen, die nach Europa kommen, sei es unerlässlich,
dass ein gemeinsames europäisches Asylsystem umgesetzt wird, erklärte SPÖ-Mandatar Franz Kirchgatterer.
Da sich seit dem Einbringen des S-V-Antrags im September 2014 die Menschenrechtslage an den EU-Grenzen noch verschärft
habe, habe man einen Abänderungsantrag ausgearbeitet, der u.a. die Forderung nach einer quotenmäßigen
Aufteilung von Asylwerbern auf die einzelnen Mitgliedsländer beinhaltet. In der Begründung wird u.a.
darauf hingewiesen, dass die Zahl der Asylanträge in Österreich heuer enorm zugenommen hat. Bis Ende
April wurden 14.225 Anträge registriert; dies sei ein Plus von über 160 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Nach Ansicht von Alev Korun (G) enthält der S-V-Antrag einen Widerspruch. Einerseits wolle man eine gemeinsame
Asylpolitik in der EU, andererseits sollen aber die Außengrenzen noch stärker überwacht werden,
obwohl man genau wisse, dass eine legale Einreise kaum möglich sei. Da dadurch das Schlepperwesen noch zusätzlich
gefördert würde, werden die Grünen den Antrag ablehnen. Außerdem gab sie zu bedenken, dass
es bereits jetzt etwa 900.000 Menschen in Nordafrika gibt, die vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt sind; dennoch
wurden sie von der EU nicht in das Ressettlement-Programm übernommen.
Eine andere Meinung vertrat Elisabeth Pfurtscheller von der ÖVP. Wenn man durch diverse Maßnahmen die
Möglichkeit schafft, legal nach Europa zu kommen, könne gleichzeitig auch der Grenzschutz verstärkt
werden, argumentierte sie.
Der S-V-Antrag wurde schließlich in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags mit den Stimmen von SPÖ,
ÖVP, NEOS und Team Stronach angenommen. Keine Zustimmung fand die Forderung der NEOS nach Etablierung einer
effektiven Such- und Seenotrettungsmission im Mittelmeer auf EU-Ebene. Vertagt wurden hingegen die NEOS-Initiativen
betreffend gemeinsames Europäisches Asylsystem und Umsetzung eines österreichischen Resettlementprogramm
s zur regelmäßigen und gesteuerten Aufnahme von Flüchtlingen.
Grüne gegen Missbrauch des Interpol-Systems zur Verfolgung politischer Gegner
Auf den Missbrauch des Interpol-Systems zur Verfolgung von politischen GegnerInnen durch autoritäre Staaten
machen die Grünen in einem Entschließungsantrag aufmerksam. Entsprechende Rechtslücken wurden etwa
im Fall des iranischen politischen Aktivisten Rasoul Mazrae sichtbar, der trotz seines offiziellen UN-Flüchtlingsstatus
in Syrien aufgrund einer sogenannten "Red Notice" seines Herkunftslandes, also einem von Interpol zu
prüfenden Ersuchens um Festnahme einer Person, von Syrien an den Iran ausgeliefert wurde. Laut Insider-Informationen
wurde Masrae nach seiner Ankunft sofort inhaftiert, grausam gefoltert und ist höchstwahrscheinlich bereits
gestorben, zeigte Alev Korun (G) auf. Sie forderte daher von der Innenministern, sich für eine rasche und
effektive Reform des Interpol-Ausschreibungssystems einzusetzen.
Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner gab bekannt, dass sich seit dem November des Vorjahres eine Arbeitsgruppe
mit dieser Problematik befasst. Sobald Ergebnisse vorliegen, werde sie die Abgeordneten umfassend informieren.
Ein weiteres Anliegen der Grünen betraf die angemessene Behandlung von traumatisierten Folteropfern in Asylverfahren.
In Anlehnung an das UN-Istanbul-Protokoll über Untersuchung und Dokumentation von Folter pocht Alev Korun
(G) auf entsprechende Trainings der Asylbehörden und einen gesetzlichen Schutz Traumatisierter in Asylverfahren,
etwa vor Abschiebungen im Rahmen des Dublin-Abkommens.
Der Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Wolfgang Taucher, versicherte, dass auf die Aus- und
Fortbildung der MitarbeiterInnen sehr großer Wert gelegt werde. Oberste Priorität sei es, individuell
und sensibel auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzugehen. In der täglichen Arbeit gehe man von
einem breiten Ansatz aus, der aber nicht nur auf die Erkennung von traumatisierten Personen ausgerichtet ist; dies
entspreche auch dem europäischen Standard. Weitere wichtige Elemente seien eine regelmäßige Supervision
sowie die Ausarbeitung eines Curriculums für DolmetscherInnen in Asylverfahren.
Schließlich plädierte Alev Korun dafür, die geplanten Vorhaben und Maßnahmen im Rahmen des
Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte noch vor der Beschlussfassung im Juli im Ausschuss zu diskutieren.
- Alle drei Anträge der Grünen wurden mit S-V-Mehrheit vertagt.
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