Diskussion mit Experten im EZA-Unterausschuss des Nationalrats
Wien (pk) – Die Regierung stehe nach wir vor zum Ziel, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit
(EZA) auf 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Das bekräftigte Außenminister Sebastian Kurz
am 10.06. im EZA-Unterausschuss des Nationalrats. Ein Stufenplan ist ihm zufolge bereits ausgearbeitet, allerdings
hängt die Finanzierung noch in der Luft. Kurz hofft, bis zum Sommer eine Einigung erzielen zu können.
Angestrebt wird von ihm eine sukzessive Erhöhung der Mittel bis zum Jahr 2030, das entspricht auch einer EU-Vereinbarung.
Derzeit gibt Österreich nur 0,26% des BIP für Entwicklungszusammenarbeit aus.
In jedem Fall bis zum Sommer vorlegen will Kurz das nächste EZA-Dreijahresprogramm, das, wie er betonte, unter
Einbindung von NGOs und des Parlaments ausgearbeitet wurde. Das Programm sei so gut wie fertig und in letzter Abstimmung
innerhalb der Regierung, sagte er. Geplant ist unter anderem eine Ausweitung der Wirtschaftspartnerschaften, ein
neuer Schwerpunkt Berufsausbildung und eine Festlegung der aktuellen EZA-Schwerpunktländer.
Um zu verhindern, dass die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit in den kommenden Jahren gekürzt
werden, laufen Kurz zufolge derzeit Verhandlungen mit dem Finanzministerium. Rücklagen des Außenministeriums
werden seiner Auskunft nach schon jetzt für Entwicklungszusammenarbeit verwendet, für jede Rücklagenauflösung
brauche es aber eine Freigabe des Finanzministeriums. Insgesamt hat das Ministerium unter dem Titel Rücklagen
noch 16 Mio. € auf der hohen Kante.
FPÖ gegen weitere Aufstockung der EZA-Mittel
Von Seiten der Abgeordneten gab es einen weitgehenden Konsens über die Notwendigkeit, die Mittel für
Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken. Lediglich die FPÖ scherte aus diesem Konsens aus. Eine weitere Zuführung
von Mittel hätte keinen Effekt, zeigte sich etwa Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch überzeugt. Es
würde sich nichts ändern, würde Österreich 0,7% statt 0,26% des BIP für Entwicklungszusammenarbeit
ausgeben.
Sein Fraktionskollege Johannes Hübner machte geltend, dass EZA-Mittel vorrangig in Besprechungen, Konferenzen
und Evaluierungen fließen. Es könne nicht Aufgabe der EZA sein, "schöne Jobs" im Bereich
der Entwicklungshilfebürokratie zu schaffen, meinte er. Um seine Argumentation zu untermauern, wies Hübner
darauf hin, dass vor der Ausgliederung der österreichischen Entwicklungshilfeagentur ADA rund 60 bis 70 MitarbeiterInnen
im Außenministerium für Entwicklungshilfe zuständig waren. Nun sind ihm zufolge in der ADA und
im Außenministerium drei Mal so viele MitarbeiterInnen in diesem Bereich tätig, und das bei gleichbleibendem
bzw. real sogar sinkendem Budget.
Statt die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken, gäbe es nach Meinung vom Hübner eine
einfache Maßnahme zur Förderung von Entwicklungsländern: dafür zu sorgen, dass Personen mit
einem Universitätsstipendium nach dem Studium wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. "Fischen
wir sie nicht ab", meinte er.
OECD-Studie: Abgeordnete und Experten orten nicht nur Lob
Intensiv diskutiert wurde im Ausschuss über das Ergebnis einer von der OECD durchgeführten Peer-Review-Studie.
Laut Außenminister Kurz wurde die Qualität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit von
der OECD gut beurteilt. Für ihn ist das zentrale Fazit der Überprüfung, dass Österreich die
richtigen Dinge mache und mehr davon machen sollte. Die 19 Empfehlungen der OECD will er, wie er sagte, umsetzen.
Nicht ganz so positiv beurteilten hingegen die Grün-Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill und Wolfgang
Pirklhuber die Ergebnisse des Peer-Review. So drängt die OECD laut Windbüchler-Souschill auf ein besseres
Monitoring, etwa in Bezug auf die Wirtschaftspartnerschaften, und eine bessere Koordinierung der Ministerien. Es
fehle in Österreich eine entwicklungspolitische Kohärenz, klagte sie.
In dieselbe Richtung stieß Michael Obrovsky von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale
Entwicklung (ÖFSE). Er hält eine Folgenabschätzung politischer Entscheidungen im Hinblick auf ihre
entwicklungspolitische Wirkung für dringend geboten. Ohne politische Kohärenz würden andere Interessen
wie jene der Außenwirtschaft oder der Agrarwirtschaft immer Vorrang vor den Interessen der Entwicklungszusammenarbeit
haben. Der OECD geht es ihm zufolge außerdem um eine verbindliche finanzielle Absicherung des Stufenplans
zur Erhöhung der EZA-Mittel. Wenn der Bundesfinanzrahmen es nicht vorsehe, werden für Entwicklungszusammenarbeit
auch keine signifikanten Mittel zur Verfügung stehen, mahnte Obrovsky. Ohne entsprechende Budgetbeschlüsse
werde man das 0,7%-Ziel nie erreichen. Seiner Ansicht nach müsste das Parlament außerdem viel aktiver
Berichte einfordern, um schneller, auch auf Fehler, reagieren zu können.
Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz
für internationale Entwicklung und Mission, sprach sich explizit dafür aus, die Mittel für bilaterale
EZA im Rahmen des Stufenplans überproportional zu erhöhen. Seiner Einschätzung nach hat die Armutsbekämpfung
nicht den notwendigen Stellenwert innerhalb der österreichischen Entwicklungshilfe. Entgegen der Meinung der
FPÖ ist Hödl überzeugt, dass Entwicklungszusammenarbeit hilft, die Zahl der Hungernden in der Welt
sei zuletzt massiv gesunken. Er hält Konferenzen außerdem für wichtig, um Bewusstsein zu schaffen,
etwa für die Bedeutung von Menschenrechten und Klimaschutz oder für das Problem des Landgrabbing.
Kritik an zu geringer Dotierung des Auslandskatastrophenfonds
Werner Kerschbaum vom Österreichischen Roten Kreuz sprach insbesondere das Problem der geringen Dotierung
des Auslandskatastrophenfonds an. Während Österreich nur 5 Mio. € bereitstelle, stehe in der Schweiz
der fünfzigfache Betrag – 250 Mio. € - zur Verfügung. In Schweden seien es 150 Mio. €, skizzierte er.
Die Politik könne ihre humanitäre Verantwortung nicht auf NGOs abschieben. Aus dem Peer-Review liest
Kerschbaum vor allem auch Zweifel heraus, ob Österreich wirklich den Ärmsten der Welt helfe. Auch Mario
Thaler von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hält einen stärkeren Fokus auf humanitäre
Hilfe für erforderlich.
Österreich wählt EZA-Schwerpunktländer auch eigennützig aus
Wie Kurz festhielt, geht Österreich bei der Auswahl der EZA-Schwerpunkt-Länder durchaus auch eigennützig
vor. So habe man mit Albanien und Kosovo am Westbalkan zwei Länder ausgewählt und orientiere sich ansonsten
auch an der Herkunft der Flüchtlingsströme. Anders als Abgeordnete Windbüchler-Souschill glaubt
Kurz sehr wohl, dass mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit Migrationsdruck gemildert werden kann.
Den hohen Personalstand in der ADA begründeten Kurz und ADA-Geschäftsführer Martin Ledolter damit,
dass über die ADA auch EU-finanzierte Projekte laufen. Das Budget der ADA sei 2014 mit 106 Mio. € das höchste
in ihrer Geschichte gewesen, teilte Ledolter den Abgeordneten mit. 28,7 Mio. € kamen dabei von der EU.
Der ADA-Geschäftsführer und Kurz stellten sich überdies ausdrücklich hinter die Förderung
von Wirtschaftspartnerschaften. Diese seien ein erfolgreicher Bestandteil der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit,
bekräftigte Ledolter und verwies in diesem Zusammenhang auf eine im vergangenen Jahr durchgeführte Evaluierung.
Mit einem Mitteleinsatz von 4 Mio. € sei es gelungen, für mehr als 42.000 Menschen bessere Lebensbedingungen
zu schaffen, etwa für Garnelenbauern. Er sei stolz darauf, dass es gelungen sei, die Privatwirtschaft einzubinden,
um entwicklungspolitische Ziele zu erreichen. Kritik von Abgeordnetem Pirklhuber, wonach die ADA ihre eigenen Genderziele
bei der EZA nicht erreiche, wies er zurück. Insgesamt zeigte sich Ledolter überzeugt, dass die österreichische
Entwicklungszusammenarbeit sehr effizient und sehr effektiv ist.
Bayr für gesetzliche Absicherung von bilateraler EZA
Ausschussvorsitzende Petra Bayr (S) drängte unter anderem auf eine bessere Abstimmung der Entwicklungszusammenarbeit
durch die internationale Staatengemeinschaft. Zudem gab sie zu bedenken, dass ein Dreijahresprogramm noch keine
Gesamtstrategie sei. Wichtig ist ihrer Meinung nach auch eine gesetzliche Absicherung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit,
derzeit handle es sich bei EZA-Ausgaben um Ermessensausgaben, die ständig der Gefahr der Kürzung unterliegen.
Für eine bessere internationale Abstimmung der Entwicklungspolitik sprach sich auch Abgeordneter Wolfgang
Pirklhuber aus. Er urgierte etwa ein einheitliches Auftreten der EU in Afrika und eine Best-Practice-Analyse von
Projekten. NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik regte an zu prüfen, ob man das 0,7 %-Ziel nicht schon vor dem
Jahr 2030 erreichen könnte bzw. ob es nicht möglich sei, sich ein noch etwas ambitioniertes Ziel zu stecken.
Seitens des Team Stronach bezweifelte Jessi Lintl, dass die afrikanischen Regierungen genug für ihre eigene
Bevölkerung tun.
Basis für die Diskussion im Unterausschuss bildeten ein Antrag der Koalitionsparteien und drei Anträge
der Grünen. SPÖ und ÖVP geht es darum, dass das Parlament und andere "Stakeholder" in
die strategischen Planungen des Außenministeriums zur Entwicklungszusammenarbeit, etwa was inhaltliche Schwerpunktsetzungen
betrifft, eingebunden werden. Die Grünen fordern mehr Geld für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit
und eine klare budgetäre Verankerung sowie eine Aufstockung der Mittel des Auslandskatastrophenfonds ( 107/A(E),
141/A(E), 63/A(E)). Alle vier Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.
|