Weitere Themen im Wirtschaftsausschuss: Berufsausbildung, Verwendung öffentlicher Dokumente,
Produktvermarktung
Wien (pk) - Die Vermittlung von 24-Stunden-Betreuung soll in Zukunft gewerberechtlich von der eigentlichen
Personenbetreuung getrennt werden. Eine am 09.06. vom Wirtschaftsausschuss im Zuge von Änderungen der Gewerbeordnung
beschlossene Bestimmung sieht in diesem Sinn vor, die Tätigkeit von Vermittlungsagenturen zu einem eigenen
Gewerbe zu machen. In diese Richtung ging auch ein Entschließungsantrag der Grünen, der ebenso vertagt
wurde wie ein Entschließungsantrag der Freiheitlichen, die die Einführung eines Gütesiegels "Personenbetreuung"
forderten.
Verabschiedet wurden im Rahmen der Sitzung zudem ein Bundesgesetz, das die Weiterverwendung öffentlicher Dokumente
erleichtern soll, sowie eine Vorlage, die im Wesentlichen der Umsetzung der EU-Vorgaben im Bereich der Vermarktung
von Produkten dient. Grünes Licht gab der Ausschuss darüber hinaus für Änderungen im Berufsausbildungsgesetz,
von denen sich die Abgeordneten vor allem bessere Ausbildungschancen für benachteiligte Jugendliche erwarten.
Auf der Tagesordnung standen überdies Anträge der Oppositionsparteien, die durchwegs vertagt wurden.
So forderten die Grünen eine entsprechende Änderung des Pachtvertrags mit der Wiener Kongresszentrum
Hofburg Betriebsgesellschaft, um politisch umstrittene Veranstaltungen wie etwa den Akademikerball in der Hofburg
zu verhindern. Die NEOS schließlich legten ein Paket von Anträgen vor, das generell auf die Stärkung
der Unternehmen hinausläuft.
Gewerberechtliche Trennung bei der Personenbetreuung
Die Bestimmungen über die Personenbetreuung sind Teil einer Novelle zur Gewerbeordnung (624 d.B.), die unter
dem Titel Seveso III zunächst darauf abzielt, schwere Industrieunfälle wie jene in Seveso, Bhopal oder
Enschede zu vermeiden. Die Betriebsinhaber sollen in diesem Sinn nun verpflichtet werden, nach dem Stand der Technik
vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Vorgesehen sind dabei
auch behördliche Inspektionen zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen.
Im Mittelpunkt der Debatte stand allerdings ein Passus der Vorlage, der sich mit der 24-Stunden-Betreuung befasst
und die vielfach geäußerte Forderung nach einer gewerberechtlichen Trennung der Vermittlung von BetreuerInnen
und der tatsächlichen Betreuungsarbeit aufgreift. So sollen nun die Tätigkeiten von Vermittlungsagenturen
("Organisation von Personenbetreuung") aus dem bestehenden Personenbetreuungsgewerbe herausgelöst
und einem eigenem Gewerbe zugeführt werden. In diese Richtung ging auch ein Antrag von Grünen-Sozialsprecherin
Judith Schwentner (867/A(E)), der zudem die Forderung nach gesetzlichen Qualitätskriterien sowohl für
die Vermittlung als auch für die Ausübung der Betreuung enthält. Die FPÖ wiederum schlug in
ihrer Initiative ein Gütesiegel "Personenbetreuung" (511/A(E)) vor, wobei FPÖ-Abgeordneter
Axel Kassegger auch für die Schaffung einer bundesweit aktiven Trägerorganisation plädierte, die
für die Pflege- und Betreuungsbedürftigen unselbstständige PflegerInnen und BetreuerInnen ohne Gewinnabsicht
beschäftigt und den Betroffenen auf diesem Weg alle administrativen Leistungen abnimmt.
In der Debatte mahnte Christiane Brunner (G) zunächst die Verankerung öffentlicher Beteiligungsrechte
ein und begründete ihre Ablehnung der Seveso III Novelle mit Verschlechterungen gegenüber der geltenden
Rechtslage bei Inspektionen, dem Entfalls der bestehenden Meldestelle, eines ungenügenden Strafrahmens und
wegen fehlender Informationspflichten der Behörden. Versuche eines Vertreters des Wirtschaftsministeriums,
diese Bedenken zu zerstreuen, vermochten Brunner nicht zu überzeugen.
Die gewerberechtliche Trennung der Agenturen und der PflegerInnen im Rahmen der 24-Stunden Betreuung sei wichtig,
sagte Brunners Fraktionskollegin Judith Schwendtner, hielt deren Verbleib in einer gemeinsamen Fachgruppe der Wirtschaftskammer
aber für nicht nachvollziehbar. Schwendtner drängte auch auf Qualitätskriterien für Agenturen
und regte an, diese künftig als "gebundene Gewerbe" zu definieren.
Christoph Matznetter (S) begrüßte ebenso die gewerberechtliche Trennung und erinnerte daran, dass im
Rahmen der 24-Stunden- Betreuung zehntausende "UnternehmerInnen" geschaffen worden seien, die eigentlich
als DienstnehmerInnen zu gelten haben. In diesem Zusammenhang kritisierte Matznetter, dass die Agenturen von sinkenden
Preisen bei den Betreuungsleistungen seit der Zulassung rumänischer und bulgarischer BetreuerInnen profitiert
haben. "Wir brauchen Qualitätskriterien und Ausführungsvorschriften für Agenturen", sagte
Matznetter und riet, den Antrag der Grünen im Hinblick auf diesbezügliche Bemühungen des Ministers
zu vertagen.
Josef Schellhorn (N) stimmte dem Vorschlag einer neuen Fachgruppe zu, lehnet als Befürworter der Deregulierung
neue Regulierungen aber ab und drängte auf eine umfassende Reform der Gewerbeordnung. Für Liberalisierungen
trat grundsätzlich auch Axel Kassegger (F) ein, wo es um Leben und Sicherheit gehe, seien Regulierungen durch
die Gewerbeordnung durch die Gewerbeordnung aber sinnvoll, vor allem auch beim Schutz von Pflegebedürftigen,
sagte der Abgeordnete. Auch Asdin El Habassi (V) plädierte für Qualitätskriterien für Agenturen
und für neue Ausübungsregeln und beantragte mit Unterstützung der Regierungsparteien die Vertagung
des FPÖ-Antrags.
Weiterverwendung öffentlicher Dokumente soll erleichtert werden
Änderungen im so genannten Informationsweiterverwendungsgesetz (629 d.B.) sollen die Nutzung von Dokumenten
öffentlicher Stellen erleichtern. Eine entsprechende Regierungsvorlage, die von den Abgeordneten ohne Debatte
einstimmig verabschiedet wurde, schafft ein grundsätzliches Recht auf Weiterverwendung von Dokumenten und
erweitert überdies den Anwendungsbereich auf Bibliotheken, Museen und Archive. Neu ist dabei auch die Verpflichtung,
Dokumente, soweit dies möglich und sinnvoll ist, in einem offenen und maschinenlesbaren Format zusammen mit
den zugehörigen Metadaten bereitzustellen.
Produktvermarktung im Binnenmarkt: Österreich setzt EU-Vorgaben um
Einstimmig unterstützte der Ausschuss auch ein Maschinen – Inverkehrbringungs- und Notifizierungsgesetz (630
d.B.), mit dem Österreich die Vorgaben der Europäischen Union über einen gemeinsamen Rechtsrahmen
für die Vermarktung von Produkten umsetzt. Die Bestimmungen betreffen in erster Linie die Akkreditierung und
die Marktüberwachung, wobei es gilt, die bestehenden Regelungen zu stärken und die praktischen Aspekte
bei der Anwendung und Durchführung zu optimieren. - Matthias Köchl (G) erfuhr von einem Vertreter des
Wirtschaftsministeriums, dass der Gesetzesentwurf einen deutlich verschärften Strafrahmen gegenüber der
geltenden Rechtslage bringe.
Benachteiligte Jugendliche erhalten neue Ausbildungschancen
Eine Novelle zum Berufsausbildungsgesetz (627 d.B.), die den Zweck verfolgt, die rechtlichen Rahmenbedingungen
weiter zu entwickeln, um die Lehrausbildung auch für die Zukunft als attraktive, praxisorientierte Ausbildung
zu erhalten, erzielte die Zustimmung der Koalitionsparteien und der NEOS. So sollen neue Ausbildungsangebote vor
allem benachteiligten Jugendlichen den Erwerb von Abschlüssen auf der Sekundärstufe II ermöglichen
bzw. erleichtern. Das Gesetz sieht die Möglichkeiten von Modellprojekten bei Zusammenwirken von mehreren Unternehmen
vor, baut das Qualitätsmanagement aus und bringt Erleichterungen für die Kombination von Lehre und Matura.
Bernahrd Themessl (F) stimmte mit Abgeordnetem Franz Kirchgatterer (S) in der generellen Einschätzung überein,
dass es wichtig sei, die FacharbeiterInnen-Ausbildung zu stärken und deren Qualität zu verbessern. Themessl
problematisierte aber die Umsetzung dieser Ziele, insbesondere die Form der Qualitätsprüfung, die Zulassung
von Jugendlichen ohne Pflichtschulabschluss zur Lehre und die vorgesehene Überprüfung der Betriebe. Auch
Birgit Schatz (G) bekannte sich ausdrücklich zur Qualitätssicherung in der Lehrlingsausbildung und brach
überdies eine Lanze für die sozialpädagogische Begleitung von Jugendlichen. Ihre Ablehnung des Gesetzes
begründete sie mit der für sie absurden Bestimmung, wonach ein negativer Asylbescheid zum Abbruch eines
Lehrverhältnisses führe. Dies sei nicht nur unmenschlich, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen
abzulehnen, weil AsylwerberInnen in Mangelberufen ausgebildet werden. Dieser Ansicht schloss sich Josef Schellhorn
(N) an, der in der Regierungsvorlage gute Ansätze sah, zugleich aber das Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund
und Ländern kritisierte.
Grüne: Kein Rechtsextremismus in der Wiener Hofburg!
Durch eine Änderung des entsprechenden Pachtvertrags wollen die Grünen in Hinkunft Veranstaltungen wie
den Akademikerball, aber auch Auftritte wie jenen des umstrittenen niederländischen Politikers Geert Wilders
in den Räumlichkeiten der Wiener Hofburg verhindern. Harald Walser (G) sprach in diesem Zusammenhang von "zum
Teil rechtsextremen Publikum" und gab zu bedenken, mit der Wahl des Ortes würde der Anschein einer quasi
staatstragenden Veranstaltung erweckt und dadurch auch eine unausgesprochene Akzeptanz durch die Republik gegenüber
den beteiligten Personen und den äußerst fragwürdigen Inhalten suggeriert. Konkret forderte der
Bildungssprecher der Grünen in seiner Initiative (1061/A(E)) Bundesminister Reinhold Mitterlehner auf, den
Pachtvertrag der Burghauptmannschaft mit der Wiener Kongresszentrum Hofburg Betriebsgesellschaft m.b.H. dahingehend
zu gestalten, dass Veranstaltungen, deren Charakter durch Veranstalter, BesucherInnen oder Inhalte einer rechtsextremen
Richtung zuzuordnen ist und auch dazu angetan sein könnte, den Ruf der Republik zu beschädigen, nicht
mehr genehmigt werden dürfen.
In der Debatte wies der Antragsteller darauf hin, dass die Hofburg in den kommenden Jahren zum Sitz des Parlaments
werde, was Christoph Matznetter, der von einem sinnvollen Antrag sprach, dazu veranlasste, seine Zustimmung zu
der von Andreas Hanger (V) vorgeschlagenen Vertagung des Antrags mit dem Verlangen zu verknüpfen, sich in
der Präsidialkonferenz des Nationalrates mit der Frage zu befassen, ob der Sitz des österreichischen
Parlaments ein Ort sein könne, wo Menschen wie etwa Jean-Marie Le Pen auftreten, der eben von einer Partei
wie der Front National wegen Rechtsextremismus ausgeschlossen wurde. Andreas Hanger (V) verurteilte seinerseits
jegliche menschenverachtende Politik, merkte aber zugleich an, dass es sich bei der FPÖ um eine demokratisch
legitimierte Partei handle und deren Veranstaltung in der Hofburg nicht gesetzwidrig sei.
Axel Kassegger (F), der sich ausdrücklich zu seiner Mitgliedschaft bei einer Burschenschaft bekannte, wandte
sich entschieden dagegen, die Teilnehmer am Akademikerball in die Schublade des Rechtsextremismus zu stecken. Kassegger
wandte sich gegen Vorurteile und mahnte mehr Toleranz ein. – Hangers Vertagungsantrag wurde mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit
angenommen.
NEOS wollen Österreichs Unternehmen stärken
500 Tage Bundesregierung sind Anlass für die NEOS, Druck in Richtung einer Stärkung des Unternehmenssektors
zu machen und die Koalition dabei an entsprechende Ansagen in der Regierungserklärung zu erinnern. Konkret
schlägt Josef Schellhorn in einem Entschließungsantrag nun nach dem britischen System der "sunset-clause"
eine Auslaufklausel für Gesetze und Verordnungen vor (1151/A(E)) und greift dabei eine Forderung des Wirtschaftsbunds
auf. In einer weiteren Initiative (1152/A(E)) drängt er auf eine österreichische Normenstrategie, von
der er sich eine Erhöhung der Effizienz des aus derzeit rund 24.000 Normen bestehenden Rechtssystems, aber
auch erhebliche Kostenentlastungen für Unternehmen erwartet. Schließlich fordert Schellhorn auch die
Einrichtung einer sogenannten "Nation Brand Agency" nach dem Vorbild von Ländern wie der Schweiz
oder Finnland (1153/A(E)), um die Marke Österreich zu stärken.
Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Laut einem Vertreter des Wirtschaftsministeriums
liegt bereits eine Normenstrategie vor, auf deren Basis nun an einer Änderung des Normengesetzes gearbeitet
wird. Man lehne sich dabei an der EU und Deutschland an. Auch an der "Marke Österreich" will die
Regierung laut SPÖ-Abgeordnetem Hubert Kuzdas weiter feilen, allerdings fehlen ihm zufolge derzeit aufgrund
der Budgetrestriktionen die Mittel für eine Nation-Branding-Agentur.
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