Konjunkturflaute: Mitterlehner will
 an vielen Schrauben drehen

 

erstellt am
10. 06. 15
11.00 MEZ

Wirtschaftsausschuss diskutiert über Strategien zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich – Grünes Licht für alternative Finanzierungen
Wien (pk) – Die weiterhin schwache Konjunktur in Österreich, die steigende Arbeitslosigkeit und die schlechte Stimmung in der Wirtschaft beschäftigten am 09.06. auch den Wirtschaftsausschuss des Nationalrats. In einer aktuellen Aussprache mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner diskutierten die Abgeordneten über mögliche Maßnahmen und Strategien zur Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts. Während die Opposition unter anderem über nach wie vor zu viel Bürokratie für Betriebe und zu hohe Lohnnebenkosten klagte, setzt Mitterlehner auf Investitionen und die Steuerreform. Überdies will er auch den Bürokratieabbau weiter vorantreiben sowie Unternehmensgründungen forcieren. Man müsse an einer Vielzahl von Schrauben drehen, betonte er. Auch die EU sei gefordert.

Kritisch äußerte sich Mitterlehner zu diversen Standortrankings. Man nehme internationale Vergleiche ernst, müsse sich aber die Fragestellung und die Detailauswertungen genau anschauen, sagte er. Auch die SPÖ hat erhebliche Zweifel hinsichtlich der Aussagekraft von Manager-Befragungen. Zur Diskussion um eine bessere Verteilung der Arbeit, merkte Mitterlehner an, bevor man einen komplizierten Überstunden-Euro einführe, um Überstunden zu reduzieren, wäre es sinnvoller, darüber nachzudenken, die vor einigen Jahren erfolgte Ausweitung der steuerlichen Begünstigung von fünf auf zehn Überstunden wieder rückgängig zu machen. Ein Ausstieg aus Basel III, wie es Team-Stronach-Abgeordnete Kathrin Nachbaur forderte, ist für ihn angesichts des internationalen Finanzierungssystems keine Option.

Dass die Tagesordnung für die heutige Ausschusssitzung erst gestern Nacht endgültig fixiert wurde, stieß bei der FPÖ auf massive Kritik. Das sei kein schönes Signal an die Opposition und erlaube keine seriöse Vorbereitung der Abgeordneten, kritisierte Axel Kassegger. Laut Ausschussobmann Peter Haubner hat es "leichte Probleme" gegeben, eine sechs-Parteien-Einigung für die Tagesordnung zu finden.

Opposition ortet "miese" Stimmung bei Unternehmen
In der Debatte zur aktuellen Konjunkturlage kritisierte Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) unter anderem den Umstand, dass Österreich das Ziel, zu den Innovation-Leadern in der EU aufzuschließen, verfehlt habe. Vielmehr sei man in den letzten Jahren im Ranking sogar von Platz 6 auf Platz 11 abgerutscht, bemängelte sie. Die Innovationsdynamik habe stark nachgelassen. Ihr Fraktionskollege Matthias Köchl mahnte einen klaren Zeitplan zur Umsetzung jener 40 Maßnahmen ein, die Österreich zu einem "Gründerland" machen sollen. Er ist überdies überzeugt, dass man die Konjunktur durch eine Energiewende deutlich beflügeln könnte. Zweifel äußerte Köchl an der versprochenen umfassenden Entrümpelung der Gewerbeordnung.

NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn sieht im Steuerpaket eine der Ursachen für die aktuell "miese Stimmung" in kleinen und mittleren Betrieben. Dafür sei die Regierung verantwortlich, sagte er. Eine Maßnahme, von der seiner Ansicht nach sowohl die Unternehmen als auch die ArbeitnehmerInnen profitieren würden, ist eine möglichst rasche Senkung der Lohnnebenkosten.

FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger äußerte Zweifel daran, dass die Bemühungen der Regierung zur Konjunktur-Ankurblung fruchten. Österreich zähle mittlerweile zu den wachstumsschwächsten Volkswirtschaften der EU und habe eine hohe Schuldenquote, einen desaströsen Anstieg der Arbeitslosenrate sowie einen sinkenden Produktivitätsanstieg, skizzierte er. Gleichzeitig gebe es keine echten Strukturreformen und keinen ernsthaften Bürokratieabbau. Angesichts der Regierungspolitik fehle ihm die Phantasie, wie sich daran etwas ändern solle.

Ähnlich argumentierte sein Fraktionskollege Bernhard Themessl. Er machte geltend, dass die Bürokratie trotz einzelner Vereinfachungen weiter gestiegen sei und Betriebsübergaben sowie Betriebsanlagengenehmigungen nach wie vor einer Vereinfachung harrten. Es sei für Unternehmer auch immer noch schwierig, zu Krediten zu kommen. Wenn es nicht gelinge, die schlechte Stimmung wegzubekommen, werde die Konjunktur nicht anspringen, ist er überzeugt. Dass Klein- und Mittelbetriebe nicht bereit sind zu investieren, hängt für Themessl eng damit zusammen, dass sie in die österreichische Politik und in die EU-Politik kein Vertrauen mehr haben.

Team Stronach-Abgeordnete Katrin Nachbaur machte darauf aufmerksam, dass zuletzt jeder dritte Betrieb seine Mitarbeiterzahl reduziert hat. Der Staat brauche motivierte UnternehmerInnen für eine starke Konjunktur, bekräftigte sie. In diesem Zusammenhang beklagte sie unter anderem den hohen Verwaltungsaufwand, die ihrer Ansicht nach viel zu hohe Steuerbelastung und die viel zu hohen Lohnnebenkosten. Grundsätzlich positiv bewertete Nachbaur – wie die FPÖ und die NEOS – das neue Crowdfunding-Gesetz, wobei sie kritisierte, dass Aktien und Anleihen ausgenommen seien.

Grüne und SPÖ für Diskussion über Arbeitszeitverkürzung
Sowohl Grün-Abgeordnete Birgit Schatz, als auch SPÖ-Abgeordneter Wolfgang Katzian brachten das Thema Arbeitszeitverkürzung bzw. Arbeitszeitverteilung aufs Tapet. Sie verstehe die reflexartige negative Reaktion auf dieses Thema nicht, sagte Schatz. Für Katzian führt mittelfristig kein Weg an einer Diskussion über eine bessere Verteilung von Arbeit vorbei. Mehr als 400.000 Menschen seien arbeitslos, während viele andere so viel Arbeit hätten, dass sie krank werden, erklärte er. Laut Katzian wird die in manchen Betrieben angebotene Alternative, statt einer Lohnerhöhung alternativ Freizeit zu konsumieren, gut angenommen.

Als wichtigen Beitrag zur Ankurbelung der Konjunktur sieht Katzian das EU-Investitionspaket und die Steuerreform. Er plädierte außerdem dafür, die strengen Vorschriften des Fiskalpakts zu lockern und Zukunftsinvestitionen aus der Berechnung des strukturellen Defizits herauszunehmen. Vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wäre das seiner Meinung nach eine Option. Auch mit einem intensivierten Ausbau der Energienetze könnte man die Konjunktur unterstützen.

Seitens der ÖVP wies Angelika Winzig darauf hin, dass trotz der hohen Arbeitslosigkeit vielen Unternehmen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

Zweifel an Aussagekraft von Rankings
Intensiv diskutiert wurde im Ausschuss auch über die Aussagekraft von internationalen Rankings. Vor allem die SPÖ äußerte sich kritisch. Sowohl Katzian als auch Abgeordneter Christoph Matznetter wiesen auf fragwürdige Vergleiche und die Vermischung von Umfragen und statistischen Daten hin. Österreich sei besser als sein Ruf, ist sich Matznetter sicher und wies unter anderem auf die mehrjährige – mit Deutschland vergleichbare – Wachstumsentwicklung und die erfolgreiche Industrieproduktion hin. Für Matznetter gibt es in diesem Sinn keinen Anlass, besondere Fehler in der Wirtschaftspolitik zu suchen, die Regierung habe stets mit richtigen Maßnahmen auf Krisen geantwortet.

Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wandte sich dagegen, Rankings überzubewerten. Die Regierung nehme internationale Vergleiche ernst, man müsse sich aber die Fragestellung und die Detailauswertungen genau anschauen, sagte er.

Dass die Konjunktur in Österreich nach wie vor schwächelt, führt Mitterlehner nicht zuletzt auf die allgemeine wirtschaftliche Lage in Europa zurück, das sich im sechsten Jahr der Krise befindet. Trotz niedriger Zinsen gebe es überdies nach wie vor eine Zurückhaltung bei den Konsumausgaben. Auch bei den Unternehmen sei teilweise eine schlechte Stimmung da, räumte Mitterlehner ein. Die Tendenz gehe eher dazu, heuer nicht zu investieren, sondern abzuwarten. Die Exporte sind laut Mitterlehner im ersten Quartal zwar um 0,7% gestiegen, es gibt aber deutliche Einbrüche im Ost-Bereich.

Um die Konjunktur anzukurbeln, erachtet Mitterlehner vor allem auch Maßnahmen auf EU-Ebene für erforderlich. Er begrüßte in diesem Sinn den sogenannten Juncker-Plan. Mit 21 Mrd. € "frischem Geld" sollen 350 Mrd. € an Investitionen angestoßen werden. Auch ein gut gemachtes TTIP-Ankommen könnte zur Konjunkturbelebung beitragen, machte Mitterlehner geltend. Österreich habe bisher von allen Freihandelsabkommen profitiert, meinte er, zeigte sich aber gleichzeitig der Probleme mit den Schiedsgerichten bewusst.

Was die österreichische Politik betrifft, erwartet sich Mitterlehner von der Steuerreform eine deutliche Konsumbelebung. Er hofft außerdem, durch das neue Crowdfunding-Gesetz und andere Maßnahmen eine Gründerwelle zu bewirken. Überdies verwies Mitterlehner auf die geplante Erhöhung der Forschungsprämie, weitere Bemühungen zur Bürokratieentlastung von Unternehmen, ein geplantes Lehrlingspaket mit 18 neuen Lehrberufen und das in Aussicht genommene Wohnbauprogramm. Es sei an einer Vielzahl von Schrauben zu drehen, unterstrich er.

Zur Feststellung von Abgeordnetem Schellhorn, wonach die schlechte Stimmung bei Klein- und Mittelbetrieben hausgemacht sei, merkte Mitterlehner an, dass die negative Stimmungsmache übertrieben werde. Viele der Maßnahmen, die im Zuge der Steuerreform geplant sind, seien in anderen Ländern bereits eingeführt und verursachten keine Aufregung. Im Übrigen wolle niemand das Bargeld abschaffen oder eine willkürliche Konteneinschau, bekräftigte er. Dass sich Österreich im Innovations-Ranking verschlechtert hat, führt er darauf zurück, dass andere Länder noch stärker aufgeholt haben als Österreich.

   

Der Nationalrat soll in der kommenden Woche ein Alternativfinanzierungsgesetz verabschieden und damit einen klaren Rechtsrahmen für Schwarmfinanzierungen (Crowdfunding) schaffen. So lautet die einstimmig beschlossene Empfehlung des Wirtschaftsausschusses an das Plenum. Der von SprecherInnen aller Faktionen ausdrücklich als wichtiger Schritt in die richtige Richtung begrüßte Regierungsentwurf ( 628 d.B.) biete angemessenen Anlegerschutz und beuge dem Missbrauch von Crowdfunding durch Kriminelle vor. Die Schwelle, ab der bei der Emission alternativer Finanzierungsinstrumente ein nach strengen Erfordernissen erstellter Kapitalmarktprospekt publiziert werden muss, wird von 250.000 € auf 1,5 Mio. € erhöht. Bei Emissionen zwischen 1,5 Mio. € und 5 Mio. € genügt künftig ein einfacher Prospekt. Das künftige Gesetz verpflichtet die Emittenten alternativer Finanzinstrumente zur Information der Anleger und enthält Mindeststandards für die Betreiber von Crowdfunding-Plattformen. Außerdem werden beide, Emittenten und Betreiber von Internetplattformen Vorkehrungen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung treffen müssen.

Als einen richtigen Schritt zur Unterstützung der Unternehmen und von Energiewendeprojekten begrüßte Ruperta Lichtenecker (G) das neue Gesetz. Ihre Kritik an der zu niedrigen Höchstgrenze für Einzelbeteiligungen wies Christoph Matznetter (S) zurück. Es sei vernünftig, eine Grenze zu ziehen, die verhindere, dass mögliche Kapitalverluste BürgerInnen in existenzielle Probleme bringen. Daher die 5000 Euro-Grenze. Matznetter nannte den Gesetzentwurf einen geglückten Kompromiss, hielt aber ausdrücklich fest, dass mit Crowdfunding nicht Eigenkapital gestärkt, sondern die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert werde. Lichteneckers Vorschlag, den Ausstieg aus Crowdfunding-Veranlagungen zu erleichtern, trat Matznetter nicht bei, weil der Gesetzgeber nicht alles regeln könne: Anleger müssten sich rechtzeitig informieren, ob eine vorzeitige Kündigung möglich sei oder nicht. Da die Betriebe mehr Eigenkapital brauchen, plädierte Matznetter dafür, in einem weiteren Schritt das Einsammeln von Eigenkapital zu erleichtern - das wäre für den Wirtschaftsstandort wichtig.

Crowdfunding ist Risikokapital mit viel Potenzial zur Belebung des Wirtschaftsstandorts und für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, daher sei er froh über das neue Gesetz sagte Andreas Hanger (V). Auch für Axel Kassegger(F) geht das Alternativfinanzierungsgesetz in die richtige Richtung, hinsichtlich der betraglichen Grenzen aber zu wenig weit. Mit Matznetter stimmte Kassegger darin überein, dass es in einem nächsten Schritt darum gehe, Eigenkapitalanlagen für Betriebe attraktiver zu gestalten.

Überaus positiv äußerte sich auch Kathrin Nachbaur (T), die aber zugleich Aufholbedarf in Österreich beim Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zum Kapitalmarkt sah und dazu vorschlug, Steuererleichterungen und einfachere Bilanzierungsregeln für KMU einzuführen. Ihr ging es grundsätzlich darum, die Benachteiligung von Eigenkapital zu überwinden.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zeigte sich erfreut über die Zustimmung zur Regierungsvorlage, die im Hinblick auf Basel III wichtig für Unternehmen sei, die aufgrund klarer Beziehungen zu ihren Kunden bei diesen auf die Bereitschaft stoßen, sich am Unternehmen zu beteiligen. Da damit zu rechnen sei, dass – wenn einem Anleger etwas passiert - die Frage gestellt werde, ob denn der Gesetzgeber nicht aufgepasst habe, sei die defensive Vorgangsweise bei der rechtlichen Regelung des Crowdfundings richtig, sagte Mitterlehner zur Diskussion über die gewählten Grenzbeträge.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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