Aktuelle Wettbewerbsrankings – Forschungsrat (RFTE) legte seinen jährlichen „Bericht zur
wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs“ vor und mahnt dringend Reformen
ein
Wien (rat-fte) - Die Aufholdynamik in Sachen Leistungsfähigkeit des österreichischen Innovationssystems
ist derzeit unzureichend. Das ist das Ergebnis des Innovationsmonitorings des Rates für Forschung und Technologieentwicklung,
das der Rat in seinem aktuellen Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs
am 09.06. veröffentlicht hat. Zwar gibt es in einigen Bereichen des Innovationssystems Aufwärtstrends
zu verzeichnen, diese bleiben aber deutlich hinter den Entwicklungen der führenden Innovationsnationen zurück,
weshalb der Abstand zur Gruppe der Innovation Leader nicht kleiner, sondern größer wird.
"Seit 2007 fällt Österreich in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich zurück,
wie jüngst die Daten des Innovation Union Scoreboard (IUS) 2015 der EU-Kommission und das World Competitiveness
Scoreboard 2014 des renommierten Schweizer Instituts IMD deutlich gezeigt haben", so der Vorsitzende des Rates
für Forschung und Technologieentwicklung, Hannes Androsch. "Eine Fortschreibung der bisherigen Politik
ist daher keine wünschenswerte Option. Besonders hoch ist der Aufholbedarf bei der Innovationsperformance,
denn der Leistungsrückstand gegenüber den führenden Innovationsnationen wird immer größer.
Folglich kann das in der Forschungsstrategie ausgerufene Ziel, bis 2020 in die Gruppe der Innovation Leader vorzustoßen,
aus heutiger Sicht nur noch mit sehr großen Anstrengungen erreicht werden."
Peter Skalicky, stellvertretender Ratsvorsitzender, ergänzt:
"Unterbleibt die Fokussierung auf die Schlüsselthemen Bildung, Forschung, Technologie und Innovation,
so wird nach unserer Einschätzung das Ziel, Österreich bis 2020 als eine der führenden Innovationsnationen
zu etablieren, klar verfehlt."
Die Ergebnisse des Innovationsmonitorings im Detail
Bildungssystem (ohne Tertiärbereich): Ziele trotz positiver Entwicklungstrends nicht erreichbar
Die Entwicklungen im primären und sekundären Bildungssystem verliefen im Zeitraum 2010 bis 2015 konstant
positiv, in Relation zu den führenden Ländern allerdings weniger dynamisch. Das bedeutet, dass trotz
des Trends in die richtige Richtung die Dynamik aus heutiger Sicht nicht ausreicht, um zu den Innovation Leaders
vorzustoßen.
Die Performance des österreichischen Bildungssystems ist in einigen Bereichen wie etwa der überdurchschnittlich
hohen Betreuungsrelation im Sekundarbereich oder der niedrigen Anzahl früher SchulabgängerInnen sehr
gut. In anderen Bereichen wie etwa der Qualität schulischer Leistungen oder der sozialen Selektivität
des Bildungssystems hingegen bleibt die österreichische Performance klar hinter den Innovation Leaders zurück.
Die PISA-Ergebnisse 2012 brachten zwar Fortschritte, aber in vielen Bereichen keine mit den führenden Nationen
vergleichbare Leistung.
Für Länder an der technologischen Grenze mit dem Ziel, zu den führenden Innovationsnationen aufzuschließen,
sind nicht so sehr quantitative, sondern viel mehr qualitative Aspekte im Bildungssystem ausschlaggebend. Die Ergebnisse
des Mid-Term-Reviews lassen daher darauf schließen, dass die Erreichbarkeit der Zielsetzung der FTI-Strategie,
die Leistungsfähigkeit im Bildungssystem zu verbessern, ohne zusätzliche Anstrengungen bis zum Jahr 2020
gefährdet ist.
Tertiäres Bildungssystem: Performance klar unzureichend
Im tertiären Bildungssystem muss die Performance Österreichs als klar unzureichend eingestuft werden.
Mit Ausnahme der weiterhin steigenden Zahl an HochschulabsolventInnen, die sich seit 2010 kontinuierlich über
den Zielhorizont hinaus bewegt hat, konnte kein Indikator seinen Zielabstand in den vergangenen fünf Jahren
in nennenswertem Ausmaß verbessern oder gar die jeweilige Zielsetzung erreichen.
Zwar gibt es in einigen Bereichen positive Entwicklungen wie beispielsweise bei der Anzahl der Frauen in MINT-Studien
oder bei der Immigration Hochqualifizierter. Diese reichen allerdings nicht aus, um bis 2020 die Ziele zu erreichen.
Der Großteil der Indikatoren weist sogar eine rückläufige Tendenz auf. Davon sind besonders Bereiche
wie die Anzahl der (Doktorats-)Absolventen in MINT-Fächern oder die Höhe der Hochschulausgaben pro Studierenden
betroffen, deren Entwicklungsdynamik seit 2010 kontinuierlich unter jene der Innovation Leaders gesunken ist.
Aus heutiger Perspektive werden voraussichtlich lediglich vier der insgesamt 15 Indikatoren, die für den tertiären
Bildungsbereich zur Verfügung stehen, im Jahr 2020 den Zielwert der führenden Innovationsnationen bzw.
die selbst gesetzten Ziele erreicht haben. Das ist nach Ansicht des Rates deutlich zu wenig, um in die Gruppe der
Innovation Leaders vorzustoßen.
Universitäten und Grundlagenforschung: Schwächen bei Rahmenbedingungen gefährden überdurchschnittliche
Forschungsleistung
Die Forschungsleistung österreichischer Universitäten und akademischer Forschungseinrichtungen ist seit
2010 kontinuierlich gestiegen. Das zeigt sich vor allem an der überdurchschnittlich hohen Anzahl erfolgreicher
Projektanträge beim European Research Council sowie an verbesserten Platzierungen einzelner Universitäten
in internationalen Rankings.
Diese positive Entwicklung ist durch die Schwächen bei wesentlichen Rahmen-bedingungen für die Forschungsqualität
wie die kompetitive Finanzierung der Grund-lagenforschung oder die Umstellung auf moderne Doktoratsstudien gefährdet.
In beiden Bereichen liegt Österreich weit unter dem Niveau der führenden Länder. Das wird sich aufgrund
der mangelnden Entwicklungsdynamik bis 2020 auch nicht ändern, weshalb eine Zielerreichung aus heutiger Sicht
unwahrscheinlich ist. Es ist daher derzeit fraglich, ob Österreich bei gleichbleibender Performance die Zielsetzung,
im Bereich Universitäten und Grundlagenforschung in die Gruppe der führenden Länder zu gelangen,
erreichen wird können.
Forschung und Innovation im Unternehmenssektor: Leistungsvorsprung in zentralen Bereichen droht verloren
zu gehen
Bei der Forschung und Innovation im Unternehmenssektor droht der bisherige Leistungsvorsprung Österreichs
in einigen zentralen Bereichen verloren zu gehen. Zwar ist nach wie vor bei einem Drittel der Indikatoren das für
2020 gesetzte Ziel derzeit erreicht und bei etlichen anderen der Zielabstand zu den Innovation Leaders gering.
Dies betrifft z.B. die positive Performance der Unternehmen im Export oder die relativ intensive Kooperation von
Wissenschaft und Wirtschaft. Viele der Bereiche, in denen Österreich heute vor den führenden Ländern
liegt wie z.B. bei der Standortattraktivität, weisen jedoch seit 2010 eine kontinuierlich rückläufige
Tendenz auf, was vor allem an der verbesserten Performance der Innovation Leaders liegt.
Zudem wurden bei der Mehrzahl der Indikatoren die Ziele noch nicht erreicht und die Entwicklungsdynamik fiel
bei einigen Indikatoren zu gering oder sogar negativ aus, um die Ziele der FTI-Strategie bis 2020 zu erreichen.
Das gilt vor allem für die bereits in den letzten Jahren festgestellten und bekannten Schwächen im Bereich
Unternehmensgründungen, bei der Risikokapitalintensität, der Forschungs- und Entwicklungsintensität
der österreichischen Wirtschaft und in Hinblick auf die Radikalität der Innovationstätigkeit.
Als Ergebnis seines Mid-Term-Reviews stellt der Rat zusammenfassend fest, dass die Entwicklungsdynamik und die
Verbesserungen im Bereich Forschung und Innovation im Unternehmenssektor nicht ausreichen, um bis 2020 zur Gruppe
der führenden Innovationsnationen zu zählen.
F&E-Finanzierung: Rückläufige Tendenz in Relation zu den Innovation Leaders
Beide Schlüsselindikatoren für die F&E-Finanzierung (die F&E-Quote und der private Finanzierungsanteil
von F&E) stagnieren seit Jahren -ohne Aussicht auf Veränderung. In Hinblick auf das Zieljahr 2020 der
FTI-Strategie ist im Vergleich zu den führenden Ländern sogar eine rücklaufende Dynamik zu erwarten.
Die Maßnahmen der FTI-Strategie, die diesem Rückfall entgegensteuern könnten, sind bislang mit
zu wenig Nachdruck oder - wie etwa das Forschungsfinanzierungsgesetz -gar nicht umgesetzt worden.
Für ein Land mit dem Anspruch, Innovation Leader werden zu wollen, ist diese Entwicklungstendenz aus Sicht
des Rates jedenfalls nicht ausreichend. Ein Vergleich der aktuellen F&E-Ausgaben mit dem "Soll"-Niveau,
das sich aus einer gleichmäßigen Steigerung der Ausgaben seit 2011 zur Zielerreichung im Jahr 2020 ergibt,
zeigt jedenfalls, dass das Quotenziel von 3,76 Prozent des BIP bis 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht
werden kann.
Prioritäre Handlungsfelder und Empfehlungen
Aufgrund der Analyseergebnisse ist der Rat der Ansicht, dass es vorrangig in folgenden Bereichen verstärkter
Anstrengungen bedarf, um die Leistungsfähigkeit des österreichischen Innovationssystems insgesamt zu
erhöhen. Der Rat empfiehlt daher:
- eine Intensivierung der Reformen im Bildungssystem,
- eine Erhöhung der Mittel für die kompetitive Finanzierung der Grundlagenforschung,
- die weitere Optimierung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für
Unternehmensgründungen und -wachstum,
- eine Verbesserung der Governance-Strukturen zur Umsetzung der FTI-Strategie,
- und die Forcierung der Maßnahmen zur Erhöhung des privaten Anteils
der F&E-Finanzierung.
Hintergrund
Im März 2011 wurde vom Ministerrat die "Strategie für Forschung, Technologie und Innovation"
(FTI-Strategie) der Bundesregierung verabschiedet und der Rat für Forschung und Technologieentwicklung mit
dem Umsetzungsmonitoring beauftragt. Seit 2012 legt der Rat daher seinen "Bericht zur wissenschaftlichen und
technologischen Leistungsfähigkeit" vor. Inhaltlicher Schwerpunkt des Berichts ist die Frage, ob die
Ziele der FTI-Strategie, die auch im aktuellen Regierungsprogramm als wesentlicher Orientierungsrahmen für
die FTI-Politik der Bundesregierung angeführt wird, erreicht werden können.
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