Sommerausstellung 2015 im Vorarlberg Museum von 20. Juni - 11. Oktober 2015
Bregenz (vorarlberg museum) - Die Ausstellung "Das ist Österreich!" widmet sich der Kunst der Jahre
zwischen den Weltkriegen von 1914 bis 1938. Die Kunst dieser beiden Jahrzehnte wird nicht als rückständig
und an den Traditionen verhaftet gezeigt, sondern in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Die visuellen
Künste der Malerei, Fotografie und des Films werden durch Architektur- und Theatermodelle ergänzt, so
dass eine umfassende Sicht auf die künstlerischen Tendenzen der Zwischenkriegszeit ermöglicht wird. Zu
sehen ist diese Schau, die unter der wissenschaftlichen Leitung von Christoph Bertsch, Institut für Kunstgeschichte
an der Universität Innsbruck erarbeitet wurde, im Sommer 2015 im vorarlberg museum in Bregenz.
Die Ausstellung zeigt markante Positionen des Kunstschaffens von den Kriegsfotografien und Bildern des Ersten Weltkrieges
über die Kunst der 1920er und 1930er Jahre bis hin zu Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern im
Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Statt einer herkömmlichen Gliederung in stilistische Gruppierungen
stehen sich in dieser Ausstellung inhaltliche Schwerpunkte gegenüber. Utopisches steht neben dem Traditionellen,
Religiöses und Politisches präsentiert sich neben avantgardistischen und kinetistischen Ideen und Konzepten.
"Das ist Österreich!" - der Titel ist einem Fotowettbewerb der 1930er Jahre entnommen, der einem
einheitlichen ständestaatlichen Österreichbild zum Durchbruch verhelfen sollte. 80 Jahre später
wird dieser verwendet, um jene Kunst zu zeigen, die damals der Öffentlichkeit vorenthalten wurde.
Weshalb bis heute eine konservative Sichtweise die Aufarbeitung und Präsentation der Kunst der Zwischenkriegszeit
dominiert und keine Korrektur erfolgt, auch dieser Frage wird nachgegangen. Ein roter Faden durchzieht das Konzept
dieser Ausstellung - dem Raum zu geben, das ausgeklammert ist, das zusammenzuführen, was getrennt ist, das
sichtbar zu machen, das ausgelöscht ist und auch jene Abgründe in der Kunst zu zeigen, in denen sich
die Gräuel ankündigen.
Die künstlerische Situation in Österreich nach 1918 ist eine sehr vielschichtige, angesiedelt zwischen
Tradition und Avantgarde. Es sind Jahre der Widersprüche und gesellschaftlichen Spannungen, sie erscheinen
uns heute wie ein Paradoxon der Gegensätze. Aber auch viele Zeichen kultureller und künstlerischer Erneuerungen
in den 1920er Jahren sind augenscheinlich, Anzeichen einer neuen Zeit, in denen auch in Österreich Utopia
Wirklichkeit wurde, wie es Friedrich Kiesler formulierte. Schütte-Lihotzky mit ihrer Frankfurter Küche,
Raum- und Theaterkonzepte von Friedrich Kiesler, Hans Fritz oder Andor Weininger sind ebenso zu sehen wie die Kunst
des Wiener Kinetismus als lange verkannte Position der Moderne, zentrale konstruktivistische Arbeiten und neue
kunstpädagogische und architektonische Ideen, um nur einiges zu nennen. Dazu die Werke von Oskar Kokoschka,
Max Oppenheimer, Herbert Bayer, Raoul Hausmann, Edmund Kalb, Herbert Ploberger oder Rudolf Wacker: Sie belegen
eine spannende, lebendige Position im Reigen der europäischen Nachbarländer. Des Weiteren die beeindruckende
Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt bei Maximilian Florian, Erika Giovanna Klien, Herbst Reyl Hanisch, Otto
Rudolf Schatz oder Friedl Dicker. Zentrale Bilder und Konzepte dieser Jahre werden nun im vorarlberg museum gezeigt,
so auch "Die Entarteten" von Karl Sterrer oder "Die Schaustellung" von Otto Rudolf Schatz.
Darunter bislang vergessene Arbeiten, die noch keinen Eingang in die Österreichische Kunstgeschichte gefunden
haben. Diese Arbeiten werden konfrontiert mit Positionen aktueller Kunst. Flatz zeigt seine vielteilige Arbeit
"Zwei Österreich oder Geschichte bedarf einer Interpretation", Dani Gal seine Auseinandersetzung
mit Fiktion und Realität "Wie aus der Ferne" und Peter Weibel
"Die uns verließen", eine Installation, im Atrium des Museum platziert und mit den gesprochenen
Namen von Künstlerinnen und Wissenschaftler, die Österreich in den 1930er Jahren verlassen mussten oder
in den Konzentrationslagern ermordet wurden, die im gesamten Museum die Besucherin begleitet. Besondere Aufmerksamkeit
erhält der Erste Weltkrieg mit seiner Bildproduktion und Bildpropaganda, Werke des Wiener Kinetismus, die
Fotografie der Zwischenkriegszeit sowie der Zyklus von Rudolf Charles von Ripper
"Zerstört die Infamie". Nicht einzelne Stilrichtungen stehen im Zentrum dieser sehenswerten Schau,
sondern inhaltliche wie formale Positionen, die den Stellenwert der visuellen Kommunikation und neue Raumerfahrungen
im Zusammenhang einer Idee der gesellschaftlichen Dynamik aufzeigen.
Ergänzt wird das Projekt mit einem umfangreichen Filmprogramm österreichischer Filme der Zwischenkriegszeit,
mit Vorträgen, Kuratorenführungen und einem speziellen Führungs- und Schulprogramm.
Arbeiten folgender Künstlerinnen und Künstler sind in der Ausstellung vertreten: Wilhelm Angerer,
Oswald Baer, Herbert Bayer, Albert Bechtold, Franz Beer, Herbert Boeckl, Klemens Brosch, Albin Egger-Lienz, Bettina
Ehrlich Bauer, Georg Ehrlich, Friedl Dicker Brandeis, Karl Ehn, Paul Engelmann/Ludwig Wittgenstein, Trude Fleischmann,
Hans Fritz, Guido Grünewald, Albert Paris Gütersloh, Maximilian Florian, Herbert Gurschner, Carry Hauser,
Raoul Hausmann, Stephanie Hollenstein, Leo Sebastian Humer, Georg Jung, Edmund Kalb, Elisabeth Karlinsky, Layos
Kassak, Friedrich Kiesler, Erika Giovanna Klien, Paul Kirnig, Robert Kohl, Oskar Kokoschka, Rudolf Koppitz, Broncia
Koller, Fritz Krcal, Alfred Kubin, Heinrich Kühn, Hubert Lanzinger, Rudolf Lehnert, Grete Schütte Lihotzky,
Marie Luise von Motesiczky, Franz Modlik, Fritzi Nechansky, Ernst Nepo, Gertrude Neuwirth, Max Oppenheimer, Karl
Österle, Herbert Ploberger, Lois Pregartbauer, Franz Probst, Herbert v. Reyl-Hanisch, Paul v. Rittinger, Rudolf
Charles v. Ripper, Ludwig Leopold Rochowansky, Rudolf Högler, Fritz Schwarz Waldegg, Otto Rudolf Schatz, Arnold
Schönberg, Sidonius v. Schrom, Franz Sedlacek, Karl Sterrer, Victor Slama, Studio Ora Benda, Helene Taussig,
Wilhelm Traeger, Johannes Trojer, My Ullmann, Rudolf Wacker, Alfons Walde, Otto Erich Wagner, Julius Wehinger,
Andor Weininger.
Zeitgenössische Künstler: Flatz, Dani Gal, Peter Weibel
"Das ist Österreich!" ist eine Kooperation der Universität Innsbruck, Institut für Kunstgeschichte,
mit dem vorarlberg museum in Bregenz.
Wissenschaftliche Gesamtleitung: Christoph Bertsch, Institut für Kunstgeschichte Universität Innsbruck
Buch zur Ausstellung mit Textbeiträgen von Christoph Bertsch, Rosanna Demattè, Andrea Fink, Karin Moser,
Ute Pfanner, Xenia Ressos. (Gebr. Mann Verlag Berlin)
Veranstaltungsprogramm
Mi, 24. Juni, 19.00 Uhr:
Vortrag Xenia Ressos: Österreich im Fokus - Fotografische Zeugnisse der Zwischenkriegszeit
Die gut 20 Jahre, die sich zwischen den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts spannen, bedeuteten für
das zerschlagene, von politischer Unsicherheit und wirtschaftlichen Nöten geprägte Österreich eine
Zeit massiver Umbrüche. In den Bildnissen, Architektur-, Sach- und Landschaftsaufnahmen von Lichtbildnern
wie Madame d'Ora, Trude Fleischmann, Heinrich Kühn, Rudolf Koppitz oder Raoul Hausmann wird somit nicht nur
eine längst vergangene Zeit zum Leben erweckt, sondern auch der Weg Österreichs in die künstlerische
Moderne nachgezeichnet.
Xenia Ressos, geb. 1977 in Hilden, ist stellvertretende Institutsleiterin am Institut für Kunstgeschichte
der Universität Innsbruck
Di, 30. Juni, 19.00 Uhr:
Vortrag Dirk Rupnow: Das ist Österreich? Anmerkungen zur österreichischen Geschichte 1914 - 1938
Der Erste Weltkrieg läutete das Ende des habsburgischen Vielvölkerreichs ein, sein Rest wurde zu Österreich.
Was Deutschösterreich nicht sein durfte, wurde 1938 an NS- Deutschland angeschlossen. Dazwischen liegen u.a.
Bürgerkrieg und hausgemachter Faschismus. Der Vortrag wirft Schlaglichter auf die Geschichte der Ersten Republik
und stellt ihre wichtigsten Entwicklungslinien dar.
Dirk Rupnow ist Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und seit 2010 dessen
Leiter.
Kuratorenführung mit Christoph Bertsch
Das ist Österreich! Bildstrategien und Raumkonzepte 1914 - 1938
Lernen Sie die einzelnen Ausstellungen aus der Perspektive ihrer Macher kennen.
Führung 5 Euro zzgl. Eintritt, ohne Anmeldung
Sa, 20. Juni, 10.30 Uhr und 14.30 Uhr
Mi, 24. Juni, 17.00 Uhr
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