Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wurde eingeleitet
Brüssel/Wien (ec) - Die EU-Kommission hat am 18.04. ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
im Zusammenhang mit der Straßenbenützungsgebühr (PKW-Maut) eingeleitet. Die hauptsächlichen
Bedenken der EU-Kommission betreffen den Aspekt der indirekten Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit.
Diese Diskriminierung findet auf zwei Ebenen statt: Zum einen werden deutsche Nutzer - und allein diese - die Straßennutzungsgebühr
nicht zahlen, weil ihre Kfz-Steuer um den exakten Betrag der Gebühr gesenkt wird. Zum anderen sind die Preise
für Kurzzeitvignetten, die typischerweise für ausländische Nutzer vorgesehen sind, überproportional
teuer.
Verkehrskommissarin Violeta Bulc sagte: "Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform,
wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert. Wir haben erhebliche Zweifel, ob die einschlägigen
deutschen Gesetze diesem Grundsatz entsprechen. Deshalb sind wir umgehend tätig geworden und räumen diese
Zweifel im Interesse der EU-Bürger im Vertragsverletzungsverfahren aus".
Deutschland hat am 8. Juni 2015 ein Gesetz zur Einführung einer Straßennutzungsgebühr für
PKW verabschiedet. Gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, das Haltern von in Deutschland zugelassenen PKWs
die Befreiung von der Kfz-Steuer in Höhe der Straßennutzungsgebühr garantiert. Somit werden in
Deutschland zugelassene PKW - und allein diese - de facto von der Straßennutzungsgebühr ausgenommen.
Seit der politischen Ankündigung dieser Maßnahme 2013 ist die Europäische Kommission in intensivem
Kontakt mit den deutschen Behörden über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Europarecht. Auf
Basis einer gründlichen rechtlichen Analyse hat die Kommission mehrmals ihre Bedenken sowohl auf Expertenebene
als auch auf politischer Ebene gegenüber dem zuständigen Bundesminister geäußert. Nach Bekanntgabe
des endgültigen Gesetzestextes musste die Kommission bedauerlicherweise feststellen, dass die grundsätzlichen
von der Kommission bislang vorgetragenen rechtlichen Bedenken wegen der Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit
unverändert fortbestehen. Aus Sicht der Kommission führt die teilweise auch als "Ausländermaut"
bezeichnete neue Straßennutzungsgebühr für PKW dazu, dass EU-Ausländer im Ergebnis stärker
belastet werden als deutsche Staatsangehörige. Bei entsprechenden Straßennutzungsgebühren im EU-Ausland
(z.B. in Österreich und in Slowenien) ist eine solche Diskriminierung nicht festzustellen, was auch auf erfolgreiche
Interventionen der Kommission zurückzuführen ist.
Nach der Veröffentlichung der deutschen Gesetze im Bundesgesetzblatt am 11. Juni 2015 wird die Kommission
nun entsprechend dem ihr von allen 28 EU-Mitgliedstaaten erteilten Auftrag, als "Hüterin der Verträge"
über deren Einhaltung zu wachen, umgehend tätig und hat den deutschen Behörden das entsprechende
Mahnschreiben übermittelt. Die Kommission ist weiterhin bereit, in dieser Angelegenheit konstruktiv mit den
deutschen Behörden zusammenzuarbeiten.
Die Kommission befürwortet verhältnismäßige, entfernungsbasierte Nutzungsabgaben, die dem
Verursacherprinzip und dem entsprechenden Beitrag zum Unterhalt der Infrastruktur besser Rechnung tragen. Im "Weissbuch
Verkehr" aus dem Jahr 2011 empfiehlt die Kommission aus diesem Grund, die Straßennutzungsgebühren
und die Kfz-Besteuerung so auszurichten, dass von der Preisgestaltung die richtigen Anreize für Nutzer ausgehen.
Die von Deutschland verabschiedete PKW-Maut deckt sich nicht mit den Zielen des "Weißbuchs Verkehr"
von 2011, weil kein Verhältnis zur Intensität der Straßennutzung besteht.
So geht es weiter: Die deutschen Behörden haben nun zwei Monate Zeit, um auf die im Aufforderungsschreiben
unterbreiteten Argumente der Europäischen Kommission einzugehen. Sollte die Kommission zur Schlussfolgerung
gelangen, dass die Reaktion auf dieses Schreiben nicht zufriedenstellend ist, wird sie über eine mit Gründen
versehene Stellungnahme an Deutschland befinden.
Häufig gestellte Fragen zu Vertragsverletzungsverfahren:
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-12-12_de.htm
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